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# taz.de -- Hochwasserrekord in Passau: „Das war mal mein Garten“
> Die Dreiflüssestadt an der Grenze zu Österreich steht unter Wasser. Die
> PassauerInnen versuchen das Beste aus der Katastrophe zu machen.
Bild: DLRG-Rettungsboot in der Passauer Altstadt.
PASSAU taz | Zwanzig Zentimeter. Etwa so weit ist das schlammbraune Wasser
der Donau noch von Abbas El Sonjis Garagenluke entfernt. Der 46-jährige
Maler- und Spachtelmeister aus dem niederbayerischen Passau macht das
längliche Fenster auf: „Das da draußen war mal mein Garten“, sagt er.
Zu sehen sind davon nur noch die Baumkronen. „Das ist mein Grill.“ Er zeigt
auf die Spitze eines kleinen Schornsteins aus rotem Ziegel, die noch aus
dem Wasser ragt. „Auf der Terrasse die Couch, das Gewächshaus, alles weg.“
Seit Sonntag steige das Wasser, erzählt er.
Eigentlich trennt ein kleiner Spazierweg sein Gartengrundstück vom Fluss.
Jetzt sind nur noch die Laternen zu sehen, die den Weg nachts beleuchten.
„Dahinter geht das Ufer normalerweise noch zwei Meter steil nach unten“,
erklärt El Sonji. „Ich hätte nie gedacht, dass das Wasser jemals so hoch
steigt.“
Am Montagmittag wurde in Passau ein neuer Hochwasserrekord gemessen. Die
Donau hatte einen Pegelstand von 12,50 Metern erreicht. Damit steht das
Wasser in der „Dreiflüssestadt“, in der sich Donau, Inn und Ilz treffen,
bereits so hoch wie seit sechzig Jahren nicht mehr. Der Scheitelpunkt ist
aber noch nicht erreicht.
Die Passauer Altstadt und andere Teile des Zentrums sind überflutet.
Polizei und Feuerwehr sperren die Zufahrtsstraßen. In der Altstadt musste
zum Teil der Strom abgestellt werden, jetzt gibt es Probleme mit der
Trinkwasserversorgung. 150 Bundeswehrsoldaten wurden als Helfer in die
Stadt abkommandiert. Rettungsdienste bauen Notunterkünfte für die
evakuierten Bewohner auf.
El Sonji ist aus Furcht um seine Gerätschaften zu Hause geblieben. „Ich
habe mir gerade erst eine neue Spachtelmaschine gekauft“, sagt der Mann in
der weißen Arbeitshose. „14.000 Euro!“ Dann zeigt er auf die Zementsäcke,
die daneben lagern. „Wenn das nass wird, ist alles hin.“
## Den Humor behalten
Nachbarin Judith Bachl indes versucht sich von der Flutkatastrophe nicht
die Laune verderben zu lassen. „Man muss das mit Humor nehmen“, sagt die
54-Jährige. „Alles andere bringt ja nichts.“
Der Keller ihres Hauses ist bereits vollgelaufen. Die Geweihe und
Wolperdinger, die den Partykeller schmücken, sind noch an der Wand
befestigt. Die restlichen Möbel hat Bachl notdürftig in einer Ecke des
Kellers gestapelt. „Seit heute Morgen kommt es hier aus dem Kanal“, sagt
die Frau und zeigt auf die beiden Öffnungen im Boden, aus denen das Wasser
nach oben quillt. Fünf Pumpen haben die Bachls bereits aufgestellt, die das
Wasser über Schläuche auf den Hof hinaus befördern – mit mäßigem Erfolg.
„Uns kann keiner mehr helfen: Was wir oben rauspumpen, geht unten wieder
rein“, sagt sie. Dann geht sie die paar Meter bis zur nächsten
Straßenkreuzung. Einige Feuerwehrautos haben dort geparkt. Danach kommt man
nicht mehr weiter.
## Wasser und Heizöl im Keller
Gastwirt Miodrag Kasalovic läuft an der Ecke auf und ab und zieht hektisch
an seiner Zigarette.
„Katastrophe“, sagt er immer wieder, „Katastrophe.“ Der 52-Jährige bet…
das Restaurant Dubrovink. Man kennt sich. Auch der Keller von Kasalovics
Gasthaus ist überflutet.
„Tonnenweise Heizöl hab ich da drin“, sagt er besorgt. „Die laufen jetzt
aus.“ Anrufen kann er niemanden. Das Telefon ist seit den Morgenstunden
tot. Jemand zeigt Bilder auf dem Handy, auf denen die Passauer Altstadt zu
sehen ist. Dort steht das Wasser teilweise bis zum ersten Stock.
„Jetzt kommt erst mal rein“, sagt Kaslovic. „Trinken wir einen Schnaps.“
„Au ja! Den hab ich jetzt nötig“, sagt Bachl. „Das ist das Schöne an
solchen Katastrophen“, fährt sie fort, als sie drinnen Platz genommen hat:
„Alle halten zusammen.“
3 Jun 2013
## AUTOREN
Marlene Halser
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Passau
Hochwasser
Donau
Schwerpunkt Klimawandel
Mücken
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