| # taz.de -- Carsten S. im NSU-Prozess: Richter Hartnäckig | |
| > Der viel kritisierte Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, beeindruckt | |
| > mit einer peniblen Vernehmung des wegen Mordbeihilfe angeklagten | |
| > Ex-Neonazis Carsten S. | |
| Bild: Wie ein Beichtvater hat der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred G… | |
| MÜNCHEN taz | Was wurde der Vorsitzende Richter Manfred Götzl vor dem | |
| NSU-Prozess gescholten. Die Akkreditierung ausländischer Journalisten | |
| versemmelt. Verantwortlich für den verschobenen Auftakt. Berüchtigt für | |
| seine Wutausbrüche. So stand es in vielen Zeitungen, auch in der taz. Doch | |
| jetzt, da in dieser Woche der NSU-Prozess mit der Aussage des ersten | |
| Angeklagten richtig begonnen hat, straft Richter Götzl seine Kritiker | |
| Lügen. | |
| Penibel vorbereitet hat der 59-Jährige [1][am Dienstag] und am Mittwoch den | |
| wegen Beihilfe zu neun der zehn Neonazi-Morde angeklagten Carsten S. | |
| vernommen. Wie ein Beichtvater hat er dem Angeklagten zunächst nur | |
| zugehört, ihm Raum gegeben für seine eigene Darstellung der Zeit um die | |
| Jahrtausendwende, als der heute [2][33-Jährige in der Jenaer Neonaziszene | |
| aktiv war] und schließlich zum Helfer der untergetauchten Uwe Mundlos, Uwe | |
| Böhnhardt und Beate Zschäpe wurde. | |
| Es fällt Carsten S. schwer über diese Zeit zu reden, die er mit einem | |
| Ausstieg im Jahr 2000 und einem Coming-Out als Schwuler längst hinter sich | |
| glaubte. Jene Zeit, in der er und seine rechtsextremen Kumpels Katz und | |
| Maus mit den Behörden spielten und „zu einem guten Abend auch eine | |
| Polizeikontrolle gehörte“, wie S. im Rückblick sagt. | |
| Einmal, so erzählt er mit brüchiger Stimme, hätten sie nach einer Kirmes in | |
| Jena Neonazigegner zusammengeschlagen. Auch er habe zugetreten. Kurz darauf | |
| habe etwas von zwei Schwerverletzten in der Zeitung gestanden. Die | |
| Erklärungsversuche, die Carsten S. liefert, klingen hilflos. Ein Gefühl der | |
| Stärke. Anerkennung. | |
| ## Er habe „ein positives Gefühl gehabt“ | |
| Über den eigentlichen Tatvorwurf – die Beschaffung der NSU-Mordwaffe, einer | |
| Ceska-Pistole mit Schalldämpfer im Frühjahr 2000 – hatte Carsten S. schon | |
| am Dienstagabend irritierende Sätze gesagt. Er habe „ein positives Gefühl | |
| gehabt, dass die drei in Ordnung waren“. Für ihn seien sie „drei arme | |
| Verfolgte“ gewesen. | |
| An viele Details seiner Kontakte mit dem Trio von 1998 bis 2000 erinnert | |
| sich Carsten S. nicht mehr. Immer wieder überlegt er lange, um dann zu | |
| sagen, er bekomme das „nicht mehr hergestellt“. Kann er nicht? Will er | |
| nicht? | |
| Richter Götzl schaut durch seine runde Brille einfach nur auf den | |
| Angeklagten. Er hat die Hände gefaltet, wartet, ohne etwas zu sagen. Kommt | |
| da noch was? | |
| Dann wird aus dem milden Zuhörer doch noch ein gestrenger Fragesteller. | |
| Götzl will es Carsten S. nicht einfach machen. Den naiven Mitläufer, der | |
| ohne echte Überzeugung in der Neonazi-Szene unterwegs war, kauft er ihm | |
| nicht ab. | |
| ## „Was war Ihre Motivation?“ | |
| Carsten S. berichtet von „Aktionen“ gegen Dönerbuden, die man demoliert | |
| habe. Das sei „lustig“ gewesen, „wir haben uns damals einen Spaß gemacht, | |
| denen eins auszuwischen“. „Warum“, will Richter Götzl wissen, „was war… | |
| Motivation?“ Als der Angeklagte herumdruckst, sagt Götzl: „Da weichen Sie | |
| mir jetzt aus.“ | |
| Carsten S. spricht von einem „gewissen Feindbild“, aber Wörter wie | |
| Rassismus bringt er nicht heraus. „Wen meinen Sie mit Feind?“, hakt Götzl | |
| nach. Ob er sich mit der Ausländerfeindlichkeit der Szene selber | |
| identifiziert habe? „Ja, ich habe mich damals auch damit identifiziert“, | |
| sagt Carsten S. schließlich. | |
| Noch hartnäckiger ist Götzl bei der Frage, was sich der Angeklagte dachte, | |
| als er den mutmaßlichen NSU-Terroristen eine Pistole mit Schalldämpfer in | |
| den Untergrund lieferte. „Hatten Sie keine Bedenken, keine Befürchtungen?“, | |
| fragt der Richter. „Ich weiß es nicht“, antwortet Carsten S. „Das ist ja | |
| keine Spielzeugpistole, das ist eine gefährliche Waffe“, entgegnet Götzl. | |
| „Sie werden sich mit dem Thema einfach auseinandersetzen müssen.“ | |
| Einmal blitzt an diesem Mittwoch dann doch noch das Wutpotenzial in Richter | |
| Götzl auf. Als er gerade eine Frage gestellt hat, ruft einer der | |
| Nebenklage-Anwälte etwas dazwischen. Er verbitte sich die Einmischung, | |
| raunzt Götzl den Mann mit erhobener Stimme an. Er solle sich nicht in seine | |
| Fragen einmischen, die seien „sehr präzise und klar“. Stille in Saal A 101. | |
| 5 Jun 2013 | |
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| Wolf Schmidt | |
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