# taz.de -- Der Sonnntaz-Streit: „Linker sein reicht nicht“ | |
> Die Linkspartei weiß sehr genau, was sie will und was nicht. Andere | |
> Parteien halten sie deswegen für koalitionsunfähig. | |
Bild: Bereit für Kompromisse? Das Spitzenteam der Linken für die Bundestagswa… | |
Hilde Mattheis ist sich sicher: Die Linke ist koalitionsfähig. „Warum | |
sollte die Linke sich aufs Opponieren einrichten, wenn sie Politik | |
mitgestalten könnte“, fragt die stellvertretende Vorsitzende der SPD in | |
Baden-Württemberg im Streit der Woche der sonntaz. So wie jede andere | |
Partei auch könne die Linkspartei ihre Forderungen nur dann glaubwürdig | |
vertreten, wenn sie bereit sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen. | |
Das Wahlprogramm in einer Partei ziele darauf, möglichst stark aus den | |
Wahlen hervorzugehen. „Natürlich bedeutet Koalition nicht die 1:1-Umsetzung | |
eigener Wahlversprechen“, stellt Mattheis klar. Doch auch die Linke werde | |
darüber nachdenken mit welcher Partei – oder welchen Parteien – sie | |
möglichst viele der eigenen Ziele erreichen könne. | |
Die Ziele der Linkspartei werden Ende kommender Woche beschlossene Sache | |
sein. Am 14. Juni beginnt der Bundesparteitag, an dessen Ende Inhalte | |
stehen sollen, die die WählerInnen überzeugen können. Die Tendenz dabei ist | |
klar: nein zu Hartz IV, nein zu militärischer Gewalt und ja zum | |
flächendeckenden Mindestlohn. Doch ist die Linke mit diesen Inhalten | |
wirklich koalitionsfähig? Und, wenn ja: Hat Hilde Mattheis Recht? Will die | |
Linke wirklich regieren? | |
„Natürlich“, schreibt Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende der | |
Linkspartei, in der sonntaz, „denn die Linke will eine Koalition für die | |
Bevölkerungsmehrheit.“ Schließlich wolle man die Armut besiegen, Reichtum | |
umverteilen und Billiglohnjobs in ordentlich bezahlte Vollzeitstellen | |
umwandeln. „Für eine Politik, die Dumpinglöhne fördert, Arbeitslose | |
schikaniert, Waffen exportiert, Gesundheit und Bildung kaputt spart, aber | |
Banken mit Milliarden rettet, sind wir dagegen nicht zu haben“, sagt | |
Wagenknecht – Opposition nicht ausgeschlossen also. | |
## Als Opposizion Druck machen | |
Solange SPD und Grüne auf diese Grundsätze nicht eingingen, werde die Linke | |
als Opposition Druck machen. Bezahlt gemacht habe sich dieser schon in der | |
Vergangenheit: „Ohne die Linke würde man heute nicht über Mindestlöhne und | |
eine Mietpreisbremse reden, sondern Hartz V und die Rente mit 70 | |
einführen.“ | |
Für Sina Doughan, Bundessprecherin der Grünen Jugend, ist diese | |
Herangehensweise Ausdruck fehlender Kompromissbereitschaft in der Linken. | |
„Teile der Linkspartei wollen lieber in der Opposition kleine Schritte | |
kritisieren als Politik zu verändern“, sagt Doughan. Zwar sei das Programm | |
der Linken sehr wohl koalitionsfähig, ob man aber die darin enthaltenen | |
Inhalte wirklich umsetzen will, müsse sich zeigen. | |
„Die entscheidende Frage 2013 ist, ob es in der Linkspartei eine Mehrheit | |
dafür gibt, dass man nicht nur nörgelnd am Rand stehen will, sondern die | |
Dinge, die so dringend verändert werden müssen, auch verändern will“, so | |
Doughan. Es reiche eben nicht, immer nur eins drauf zu setzen und sich | |
dadurch „linker“ zu fühlen. | |
Für den Publizisten Jürgen Roth fehlt die Bereitschaft zur Koalition bei | |
den anderen. „Koalitionsunfähig sind die neoliberalen Betonköpfe | |
insbesondere in der SPD“, schreibt er. Bestehende Differenzen dürften kein | |
Argument dafür sein, die jetzige Bundesregierung weiter regieren zu lassen. | |
„Die SPD müsste einmal über ihren Schatten springen und das Wagnis einer | |
Koalition mit der undogmatischen Linken eingehen.“ Dass die Linkspartei | |
auch zu Kompromissen bereit sei, hätte sie doch bereits in Berlin oder | |
Mecklenburg-Vorpommern demonstriert. Politische Ansprüche und ideologische | |
Zielvorgaben hätten sich dort relativ schnell abgeschliffen. Und: | |
„Schlimmer als mit der jetzigen CDU/FDP-Regierung kann es sowieso nicht | |
werden“, findet Roth. „No risk – no fun.“ | |
Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Thomas Hartung, Abgeordneter der SPD | |
im Thüringer Landtag und ehemaliges Mitglied der Linkspartei, Steffen | |
Gresch, DDR-Bürgerrechtler, Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte | |
Berlin-Hohenschönhausen, Jöran Klatt vom Göttinger Institut für | |
Demokratieforschung, Daniela Dahn, Autorin, und Simon Stratmann, taz-Leser | |
– in der aktuellen sonntaz vom 8./9. Juni 2013. | |
8 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Sören Musyal | |
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