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# taz.de -- Der sonntaz-Streit: Soll die „Pille danach“ rezeptfrei sein?
> In 79 Ländern ist sie ganz normal, die WHO empfiehlt sie. Trotzdem hat
> der Bundestag beschlossen, dass es die „Pille danach“ nur auf Rezept
> gibt.
Bild: „Solche Pillen sind schließlich keine Smarties“, sagt Jens Spahn, Ge…
Das Kondom ist gerissen, die Pille vergessen. Wer in Frankreich, Belgien,
Österreich oder der Schweiz lebt, macht sich in so einer Situation auf zur
nächsten Apotheke. Dort kann man sich die „Pille danach“ geben lassen – …
durchschnaufen.
In Deutschland geht das nicht. Der Weg ist länger, mühsamer und für viele
Frauen entwürdigend. Der Grund: Man braucht ein Rezept. Dafür muss man
unangenehme Fragen beantworten, mancherorts ist eine vaginale
Ultraschalluntersuchung Voraussetzung.
Im Dezember sorgte der Fall einer jungen Frau in Köln für Aufregung: Nach
einer Vergewaltigung hatte sie in zwei katholische Krankenhäusern um die
„Pille danach“ gebeten – ohne Erfolg. Die Ärzte beriefen sich auf die
religiösen Grundsätze der Klinik. Die Kirche ist zwar von dieser harten
Linie abgewichen, plädiert aber weiterhin dafür, das Hormonpräparat nur im
Fall einer Vergewaltigung auszuhändigen.
„Solche Pillen sind schließlich keine Smarties“, meint Jens Spahn,
Gesundheitsexperte der CDU. Bei Twitter versammelten sich die Empörten über
dieses Statement unter dem Hashtag „wiesmarties“. „Manchmal bin ich echt
entsetzt darüber, für wie verantwortungslos mache Politiker die
Bürger_innen diese Landes halten“, schreibt die Nutzerin „Ramona Levers“.
Natürlich ist es fatal, die „Pille danach“ mit Süßigkeiten zu vergleichen
und Frauen damit jegliche Eigenverantwortung abzusprechen. Trotzdem sollte
man sich fragen, ob es wünschenswert ist, das Hormonpräparat
medizinrechtlich auf die selben Ebene wie Schmerztabletten zu stellen.
## „Pillen-Tourismus“ aus Deutschland
Der Eingriff in den weiblichen Hormonhaushalt und die damit verbundenen
Nebenwirkungen sind keine Bagatellen. Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
kommen recht häufig vor. Aber auch Veränderungen des Zyklus, Thrombosen und
Menstruationsstörungen sind möglich. Darüber müssen sich Patientinnen im
Klaren sein. Die Frage ist, ob ein Apotheker die nötige Beratung
gewährleisten kann, oder ob ein Arzt dafür notwendig ist. Union und FDP
finden, der Arzt muss sein. Die Opposition sagt nein und wirft der
Regierung „berufsständische Argumente“ vor.
Oft ist die „Pille danach“ nicht einmal notwendig. Wenn die „fruchtbaren
Tage“ im Zyklus einer Frau vorbei sind, besteht keine Gefahr, schwanger zu
werden. Bei einem ärztlichen Beratungsgespräch ließe sich das errechnen.
Verfechter der Rezeptpflicht befürchten, dass die rezeptfreie Abgabe des
Medikaments den Konsum in die Höhe schnellen ließe. Nachdem Österreich im
Dezember 2009 die Rezeptpflicht aussetzte, führte das tatsächlich zu einem
Anstieg der verkauften Medikamente. Unklar ist jedoch, ob wirklich mehr
Frauen zur „Pille danach“ griffen. Oder ob der Anstieg die Folge eines aus
Deutschland kommenden „Pillen-Tourismus“ war.
Der vermehrte Gebrauch kann auch wünschenswert sein. Und zwar dann, wenn er
dazu beiträgt, die Abtreibungsrate zu senken. Besonders für Teenager und
junge Frauen kann der Gang zum Arzt ziemlich peinlich sein. Eine
rezeptfreie Abgabe könnte vieles leichter machen und so den ein oder
anderen Schwangerschaftsabbruch von vornherein verhindern.
## Express-Lieferung über Nacht
De facto umgehen Frauen bereits reihenweise die Rezeptpflicht: Im Internet
gibt es „Tauschbörsen“ für die „Pille danach“. Und auf der Seite der
britischen Online-Praxis „Dr. Ed“ kann man sich das Präparat ganz einfach
bestellen. Nach einem kurzen Fragebogen steht der Express-Lieferung über
Nacht nichts mehr im Weg. Vielen Frauen scheint es schlicht zu umständlich
und unangenehm, zum Arzt zu gehen.
Verständlich, wenn man bedenkt, dass bei der „Pille danach“ so gut wie jede
Stunde zählt. Wird das Medikament zeitnah eingenommen, liegt die Chance,
eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, bei 95 Prozent. Nach 24
Stunden sinkt die Wahrscheinlichkeit auf nur noch 85 Prozent. Empfohlen
wird deshalb die Einnahme bis zwölf Stunden nach dem Koitus.
Wäre es da nicht besser, „das Hindernis Rezeptpflicht“ aus dem Weg zu
räumen, um einen schnellen Zugang zu ermöglichen? Um wenigstens die
Beratung eines Apothekers zu gewährleisten?
Würde die Rezeptfreiheit zum inflationären Gebrauch führen, oder weiß jede
Frau selbst, dass die „Hormonbombe“ nur Notlösung sein kann?
Soll die „Pille danach“ rezeptfrei sein?
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten
Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom
25./26. Mai. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem
Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors
versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 22. Mai eine Mail an:
[1][[email protected]]
21 May 2013
## LINKS
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## AUTOREN
Lukas Kleinhenz
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