# taz.de -- Hochwasser in Deutschland: Eine Flut an Freiwilligen | |
> Ob Magdeburg, Wittenberge oder Deggendorf: In den vom Hochwasser | |
> betroffenen Gebieten packen engagierte Bürger mit an. Viele davon sind | |
> Studierende. | |
Bild: Jede Hand ist willkommen: Packstation für Sandsäcke im brandenburgische… | |
DRESDEN/MÜNCHEN taz | Die Präsentation, die er nächste Woche in der Uni | |
halten müsste, ist Dominik Fischer egal. Der 23-Jährige studiert im vierten | |
Semester Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Deggendorf in Bayern. | |
Eigentlich. Seit vergangenem Donnerstag koordiniert Fischer die | |
freiwilligen Hochwasserhelfer in der Stadt. | |
Aus Passau haben sich die Deggendorfer Studierenden die Initiative | |
abgeschaut – und sie analog dazu „Deggendorf räumt auf“ genannt. Während | |
die Aufräumarbeiten in Passau nach der Flut langsam abgeschlossen sind, | |
steht das niederbayerische Deggendorf nach wie vor unter Wasser: Einige | |
Stadtteile sind weiterhin evakuiert, mancherorts steht das Wasser noch bis | |
zu einem Meter hoch. | |
„Wenn man hier die Atmosphäre in der Stadt mitbekommt“, sagt Fischer, „d… | |
will man nicht nur rumsitzen und zuschauen, dann will man helfen.“ Seit dem | |
ersten Treffen am vergangenen Donnerstag sind Fischer und sein „Kernteam“ | |
von mittlerweile 30 Studierenden jeden Tag von 7.30 Uhr bis 23 Uhr im | |
Einsatz. | |
„Die Leute arbeiten so wahnsinnig, dass sie gar nicht mehr an sich selbst | |
denken“, sagt er, „manchmal muss man hingehen und sagen: Mach mal eine | |
Pause.“ | |
Sogenannte „Späher“ gehen von Haus zu Haus und fragen nach, wo Hilfe | |
gebraucht wird. Danach werden die über 3.000 registrierten freiwilligen | |
Helfer an die Einsatzorte verteilt. „Der Bedarf an Helfern steigt im Moment | |
exponentiell an“, sagt Fischer. „Vorgestern haben wir nur etwa 40 Leute | |
gebraucht, gestern waren es schon 200 und heute brauchen wir bis zu 1.000.“ | |
Erst jetzt, da die Wassermassen nach und nach zurückweichen und die Häuser | |
offiziell von der Feuerwehr freigegeben wurden, können die Helfer damit | |
beginnen, kaputte Möbel aus den Häusern zu tragen, den Schlamm | |
wegzuschaufeln oder den gröbsten Dreck wegzuputzen. | |
## Umspannwerk gerettet | |
Auch in Magdeburg in Sachsen-Anhalt, wo die Lage weiterhin angespannt ist, | |
ist die Solidarität groß. In der Magdeburger Volksstimme schrieb ein | |
dankbarer Bürger am Montag: „Junge Frauen oder Männer schuften bis zum | |
Umfallen. (…) Unsere jungen Magdeburger sind einfach Klasse“. Auch hier | |
sind viele der Helfer Studierende. | |
Bis Mittwoch hat ihnen die Universität der Stadt freigegeben. „Die | |
Studierenden sind über die Fachschaftsräte stabsmäßig organisiert und | |
wechseln sich in Schichten ab“, schildert Uni-Sprecherin Katharina Vorwerk | |
die Einsätze. | |
Doch nicht nur Studierende packen mit an. Im besonders stark betroffenen | |
Magdeburger Stadtteil Rothensee kam ein Fleischermeister aus Braunschweig | |
zu Besuch, um Krustenbraten an die Helfer zu verteilen. Mit professioneller | |
und freiwilliger Hilfe gelang es hier, ein für die Stadt wichtiges | |
Umspannwerk trocken zu halten. | |
Bei einem Ausfall wären Tausende Haushalte in Magdeburg ohne Strom gewesen. | |
Im elbaufwärts gelegenen Schönebeck mussten Einsatzleitungen am Montag | |
unermüdliche Freiwillige zum Ausruhen nach Hause schicken. | |
## Solidarität im Ausnahmezustand | |
„Die Solidarität ist schon eine andere als zu Normalzeiten“, konstatiert | |
ein Bewohner des elbnahen Stadtteils Laubegast in Sachsens Landeshauptstadt | |
Dresden. Unerwartet sei er angesprochen worden, als der Fluss am Haus | |
leckte. Nachbarn sprachen die Einkäufe untereinander ab oder brachten | |
warmes Essen mit, als der Strom abgestellt wurde. | |
In Laubegast hatte sich nach der Flut 2002 ein Verein gegründet, der mit | |
dem jährlichen „Inselfest“ im August an die gegenseitige Hochwasserhilfe | |
erinnert. Diese Strukturen werden nun genutzt: Vereinschef Falk Altmann | |
organisierte am Montag das Füllen von Sandsäcken und die Verteilung von | |
Wasserspenden. „Laubegast ist wieder ein Stück zusammengerückt“, sagt er. | |
Und die Studierenden im bayerischen Deggendorf, die anders als ihre | |
Kommilitonen in Magdeburg keine Flutferien haben? Dominik Fischer wird die | |
Präsentation vermutlich nachholen können: „Die Leitung hat uns zugesichert, | |
dass uns durch unsere Arbeit hier keine Nachteile für das Studium | |
entstehen.“ | |
10 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
Marlene Halser | |
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