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# taz.de -- Hochwasser in Deutschland: Aus der Vergangenheit gelernt
> 200 Millionen Euro sind im Oberallgäu in Rückhaltebecken und Deiche
> investiert worden. Anderswo in Bayern funktionert der Hochwasserschutz
> nicht so gut.
Bild: Viel Wasser, aber nicht zu viel: Das Hochwasser der Iller in Kempten.
MÜNCHEN taz | Es muss eine Schreckensnachricht gewesen sein: „Extremer
Dauerregen im Allgäu hält an – größeres Hochwasser für die Iller erwarte…
meldete die Allgäuer Zeitung am vergangenen Samstag: „Die Experten
prognostizieren, dass der Iller-Pegel im südlichen Oberallgäu die
Meldestufe vier erreichen wird.“ Meldestufe vier, das bedeutet, dass
bebaute Gebiete in größerem Umfang überflutet sind.
Es wurde ein Hochwasser vorausgesagt, wie es das Illertal bereits in den
Jahren 1999 und 2005 erlebt hatte. Beide Flutkatastrophen verursachten
damals Schäden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Doch dann hatten sie
Glück.
„Ab Sonntag hat es bei uns praktisch aufgehört zu regnen“, berichtet Karl
Schindele, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Kempten. Die
Niederschlagsfront, die Tief „Frederik“ geschickt hatte, brachte weniger
Regen als erwartet. Aber es war nicht nur Glück, dass „Frederik“ in Kempten
und Umgebung kaum Schaden angerichtet hat, es verdankt sich auch einem
umfassenden Hochwasserschutzprogramm, das die zuständigen Behörden in
Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinden bereits 2001 in Angriff
nahmen.
Der größte Fluss im Oberallgäu ist die Iller, ein Nebenfluss der Donau.
Wegen des Gefälles ist sie flott unterwegs. Die Gebirgslage macht
Hochwasser im Allgäu so tückisch. „Wir haben zahlreiche Wildbäche mit
starker Strömung und großem Gefälle“, erklärt Schindele. „Innerhalb von
zwei, drei Stunden steigt das Wasser und dringt mit Macht in die Häuser
ein.“
## Marode Dämme an der Iller
Das Pfingsthochwasser im Jahr 1999 kam für die Allgäuer überraschend.
„Zuvor hatten wir 80 Jahre lang nichts Vergleichbares gesehen“, sagt
Schindele. Der Schutz gegen die Flut war entsprechend schlecht. Die meisten
Dämme stammten noch aus der Zeit zwischen 1910 und 1930, waren oft viel zu
niedrig, marode und damit den Wassermassen nicht gewachsen.
Auch die Flussbegradigungen, die man im Allgäu ebenso wie anderswo massiv
betrieben hatte, um Land zu gewinnen und das Gewässer besser befahrbar zu
machen, wirkten sich aus. Deiche wurden überströmt und brachen, Brücken
stürzten ein, 500 Hektar bebaute Fläche wurde überflutet. Es entstand ein
Schaden von rund 60 Millionen Euro. Ein Mensch kam bei der Flut ums Leben.
Danach war allen klar: Es muss etwas geschehen.
Insgesamt 200 Millionen Euro wurden in den vergangenen 12 Jahren im Allgäu
in den Hochwasserschutz investiert – finanziert vom Freistaat Bayern, von
den Kommunen und der EU. Kernstück des Maßnahmenpakets ist ein gigantischer
Flutpolder im Seifener Becken oberhalb von Kempten.
Als es am vergangenen Wochenende kritisch wurde an der Iller, öffnete
Hochwassereinsatzleiter Norbert Fichtl den Einlauf und leitete so Millionen
Kubikmeter Hochwasser in das künstliche Rückhaltebecken ab. „So haben wir
die Flutspitze der Iller um zehn Zentimeter abgesenkt“, sagt er der
Süddeutschen Zeitung. „Das hat Kempten die höchste Hochwasseralarmstufe
erspart.“
## Bau von Rückhaltebecken verzögert
Ein solches Rückhaltebecken, da sind sich die Experten beim Landesamt für
Umwelt und den Naturschutzverbänden einig, hätte das Hochwasser vom
Wochenende auch in anderen Regionen Bayerns mildern können. Fünf weitere
Rückhaltebecken, die an Isar, Mangfall, Main und der Donau vor Neuburg
errichtet werden sollen, sind aber, anders als im Allgäu, bislang nicht
über das Planungsstadium hinausgekommen. Der Bau scheitert an Anliegern,
die eine Wertminderung ihrer Grundstücke befürchten, an Bauern, die ihre
Äcker nicht hergeben wollen und an Lokalpolitikern, die Nachteile für ihren
Ort befürchten.
Im Allgäu gab es nach dem Pfingsthochwasser von 1999 kaum Widerstand. „Das
ganze Projekt war ohne eine einzige Grundstücksenteignung möglich“, sagt
Wasserwirtschaftsamtsleiter Schindele stolz. Mag sein, dass die Akzeptanz
in der Bevölkerung auch deshalb groß war, weil die Behörde ein Konzept
vorlegte, das den Hochwasserschutz sinnvoll mit ökologischen Maßnahmen
verbindet.
Neben insgesamt 26 Rückhaltebecken entlang des Flusslaufs und dem Bau
neuer, höherer und stabilerer Deiche und Dämme wurde die Iller an vielen
Stellen renaturiert. „Früher war der Fluss zum Teil auf 80 Meter
eingezwängt“, erklärt Schindel. „Jetzt haben wir ihn zum Teil auf das
Dreifache ausgeweitet und mit zahlreichen Kiesbänken mehr Platz und neue
Lebensräume geschaffen.“
Eine Hochwasserschutzmaßnahme, die vor allem Umweltverbände fordern. Durch
die Verbreiterung sinkt der Pegel des Gewässers ja automatisch, und bei
Hochwasser hat der Fluss schlicht mehr Platz, um sich auszudehnen, bevor
das Wasser bebautes Gebiet erreicht.
9 Jun 2013
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Allgäu
Hochwasserschutz
Hochwasser
Donau
Hochwasser
Hochwasser
Überflutung
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