Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Forscher über transatlantischen Handel: „Greencards für alle Eu…
> Die Verhandlungen zur Freihandelszone zwischen Europa und Amerika sind
> eröffnet. So könnten mehr Arbeitsplätze und höhere Gewinne entstehen,
> sagt Josef Braml.
Bild: Barack Obama besucht am Dienstag und Mittwoch Berlin. Dieses Mal kommt er…
taz: US-Präsident Barack Obama kommt uns besuchen. Ist er noch der
mächtigste Mann der Welt?
Josef Braml: Dieses geflügelte Wort traf noch nie richtig zu. Mit einer
Ausnahme: Militärisch ist der Präsident der USA sicherlich der mächtigste
Mann des Globus. Aber auf anderen Feldern – etwa der Wirtschafts-, Handels-
oder Umweltpolitik? Nein, da gibt es Personen und Organisationen, die
vergleichbaren Einfluss ausüben. Denken Sie an den Internationalen
Währungsfonds oder den Staatschef Chinas, der über 1,3 Milliarden Menschen
gebietet. Zudem ist der amerikanische Präsident teilweise handlungsunfähig,
weil die Parteien im US-Parlament sich gegenseitig und damit auch ihn
blockieren.
In 15 Jahren wird die Wirtschaft Chinas möglicherweise größer sein als die
der USA. Werden die Vereinigten Staaten ihre bisherige Führungsrolle bald
mit anderen teilen müssen?
Da braucht man gar nicht so weit in die Zukunft zu schauen. Im weltweiten
Handel existieren mehrere Gravitationszentren, etwa China und die
Europäische Union. Deshalb verliert der US-Dollar zunehmend seinen früheren
Rang als wichtigste Weltwährung. Das hat massive Auswirkungen für die
amerikanische Wirtschaft, denn sie kann sich nicht mehr so leicht auf
Kosten anderer Länder in eigener Währung verschulden. Die abnehmende
Finanzkraft schmälert auch die militärische Macht – und diese rückwirkend
wieder die der US-Wirtschaft.
Die Weltmacht wird schwächer. Geraten Deutschland und Europa deshalb in ein
neues Konkurrenzverhältnis zu den USA?
In der Sicherheitspolitik verstehen sich die Regierungen weiter als
Partner. Aber Washington verlangt eine Lastenteilung. Wenn Europa
Militäreinsätze in Libyen, Mali oder Syrien will, muss es sie mindestens
teilweise selbst organisieren und finanzieren. In anderen Bereichen jedoch
entwickelt sich eine massive Konkurrenz. Mit ihrer Politik des extrem
billigen Zentralbankgeldes versuchen die USA, ihre Schulden zu verringen
und ihre Wirtschaft zu stabilisieren. Um die zu starke Aufwertung des Euro
und Yen zu verhindern, sind Europa und Japan gezwungen, ähnlich zu handeln.
Gerade vor dem Hintergrund solcher Konflikte wäre es positiv, wenn die
geplante Freihandelszone zwischen den USA und Europa verwirklicht würde.
Welche positiven Effekte hätte diese große amerikanisch-europäische
Freihandelszone über die jetzt verhandelt wird?
Zunächst einmal sollte man sie nicht überschätzen. Die gegenseitigen Zölle
liegen sowieso schon niedrig. Erleichterungen für Unternehmen gäbe es aber,
weil technische Standards vereinheitlicht würden. Dadurch könnte der
transatlantische Handel zunehmen. Firmen erwirtschafteten mehr Umsätze und
Gewinne. Wahrscheinlich kämen Arbeitsplätze hinzu. Aber es gäbe auch
Verlierer.
Können Sie Branchen nennen, die unter der Liberalisierung leiden?
Veränderungen könnten auf die europäische Landwirtschaft und
Ernährungsindustrie zukommen. Denn die US-Regierung hat ein Interesse,
amerikanischen Konzernen wie Monsanto den Weg zu bereiten, die
gentechnologisch veränderte Nahrungsmittel herstellen. Diese unterliegen in
Europa starken Restriktionen, die möglicherweise aufgeweicht werden. Durch
den verstärkten Import aus den USA könnten dann Arbeitsplätze in Europa
wegfallen.
Heikel wird es vielleicht auch für die Großbanken in Frankfurt am Main.
Neue amerikanische Eigentümer könnten durchsetzen, dass Arbeitsplätze nach
New York verlagert werden. Ein weiteres Beispiel ist die Film- und
Kulturindustrie in Frankreich, die durch hohe staatliche Förderung
mitfinanziert und durch Sendequoten geschützt wird. Dass darüber nicht
verhandelt werden soll, hat die französische Regierung zwar vorläufig
durchgesetzt. Weil sie damit aber die gesamten Verhandlungen gefährdet, ist
das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen.
Spanier dürfen in Berlin arbeiten, Deutsche in Paris. Ist es denkbar, dass
wir uns auch bald ohne Schwierigkeiten Stellen in den USA suchen?
US-Greencards für alle Europäer – das wäre eine Idee, die Mut beweisen
würde. Aber die Freizügigkeit für Arbeitnehmer zwischen Europa und den USA
ist eine Illusion. Das scheitert schon an der Gegenwehr der
US-Gewerkschaften, die um die Arbeitsplätze fürchten. Sowieso ist es nicht
eben wahrscheinlich, dass das Freihandelsabkommen schnell beschlossen wird.
Obama verfügt gegenwärtig nicht über die sogenannte trade promotion
authority – das ist die Kompetenz, ein Paket zur Handelsliberalisierung
unbeschadet im Kongress durchzusetzen. Dass die zerstrittenen
Parlamentarier sie ihm erteilen, sehe ich nicht.
17 Jun 2013
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
USA
Europa
China
Freihandel
Liberalisierung
USA
USA
Deutschland
Freihandel
USA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Transantlantisches Handelsabkommen: Neue Rechte für Konzerne geplant
EU-Vertreter sollen bei den Verhandlungen mit den USA ein Sondergericht für
Investoren durchsetzen. Dies besagt ein geheimes Dokument.
Furcht vor Freihandelsabkommen: Bald Chlorhähnchen aus Amerika?
Umweltschützer warnen: Das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA könnte
bisher verbotene Lebensmittel in Europa erlauben.
STAATSBESUCH: 24 Stunden im Ausnahmezustand
Barack Obama besucht Berlin erstmals als US-Präsident. Für die Berliner
bedeutet das eine Menge Einschränkungen. Ihm zujubeln dürfen sie auch
nicht.
Besuch aus Peking: Herr Li will Freihandel
Seit Wochen zoffen sie sich um Solarmodule und Porzellan. Bei der Visite
der chinesischen Führung in Berlin geht es wieder um mehr Exporte.
EU und Freihandelsabkommen: Menschenrechte sind zu teuer
Auch das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zeigt: Die EU
verzichtet gern auf Sanktionen wegen Rechtsverstößen.
Neues Freihandelsabkommen: Transatlantischer Konsumwahn
Die USA und die EU wollen den größten Markt der Welt mit 800 Millionen
Kunden schaffen. Für die Europäer bedeutet das weniger Verbraucherschutz.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.