# taz.de -- Kein Zentralabitur in Sicht: Scheitern am Taschenrechner | |
> Die Kultusministerkonferenz kann sich lediglich auf die Schaffung eines | |
> gemeinsamen „Aufgabenpools“ bis zum Jahr 2017 einigen. | |
Bild: Sind Taschenrechner Teufelszeug? Und welche Farbe sollen die Korrekturen … | |
BERLIN taz | Viele Lehrer wollten es, der Industrielobbyist Hans-Olaf | |
Henkel wünschte es und auch die frühere Bildungsministerin Annette Schavan | |
war dafür – ein zentrales Abitur für ganz Deutschland. | |
Als der Pisaschock 2001 Deutschland erreichte, da standen zentrale | |
Abschlussprüfungen ganz oben auf dem Rezept, um die miserablen Ergebnisse | |
deutscher 15-Jähriger beim internationalen Vergleichstest zu kurieren. | |
Zwölf Jahre später sehen sich die Kultusminister der Länder fast am Ziel. | |
Sie beschließen heute in Wittenberg gemeinsame Abituraufgaben für das ganze | |
Land, genauer: Sie beschließen deren Entwicklung. | |
„Ab 2013 soll der Aufgabenpool kontinuierlich anwachsen“, heißt es in einem | |
Anfang der Woche vertraulich vorgestellten Papier. Den Ländern sollen die | |
Aufgaben „als Angebot für den möglichen Einsatz im Abitur ab dem Schuljahr | |
2016/2017 zur Verfügung gestellt werden.“ | |
Grundlage der Aufgaben sind bundeseinheitliche Bildungsstandards für die | |
Kernfächer Deutsch, Mathematik und Englisch/Französisch. Das Berliner | |
„Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ steuert den Prozess. | |
Der verläuft nach Aussage seiner leitenden Professorin Petra Stanat „immer | |
komplex“. | |
Stanat beschrieb so die Schwierigkeiten der Bundesländer, ihre | |
unterschiedlichen Abiturkulturen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. | |
„Das Abitur ist nur bei einem gleich – seinem Namen“, sagte der Präsident | |
der Kultusministerkonferenz, Stephan Dorgerloh (SPD). | |
## Trügerische Hoffnung Zentralabitur | |
Das bedeutet, dass die Hoffnung von Industrie, Lehrern, Bürgern und der | |
ehemaligen Bildungsministerin Annette Schavan auf ein Zentralabitur | |
trügerisch ist. Denn die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind | |
gravierend. | |
Das reicht von der jeweiligen Praxis, wie die Korrekturen an den | |
Abituraufgaben anzubringen sind – etwa am Rand oder nicht und in welcher | |
Farbe –, über den Einsatz von Taschenrechnern bis hin zu den sogenannten | |
Operatoren wie „Erkläre“ oder „Beschreibe“. | |
„Manche Bundesländer verwenden diese Operatoren durchgehend, das heißt, die | |
Schüler wissen im Abitur genau, was sie dann zu tun haben“, sagte Stanat. | |
„Andere Bundesländer verwenden andere Operatoren. Man sollte das nicht über | |
Nacht vereinheitlichen, das kann leicht schiefgehen.“ | |
Dennoch sieht die Erziehungswissenschaftlerin an der Berliner | |
Humboldt-Universität einen wichtigen Effekt bei der Entwicklung gemeinsamer | |
Abituraufgaben. „Die Bundesländer werden sich bewegen müssen, die können | |
nicht mehr ihren eigenen Stiefel machen.“ | |
Das Abitur ist in Deutschland Ende des 18. Jahrhunderts entstanden. Damals | |
wurden einheitliche Abschlussprüfungen an den höheren Schulen eingerichtet, | |
um Standards beim Hochschulzugang zu gewährleisten. | |
## Es war einmal im Jahre 1812... | |
Manche legen die eigentliche Geburtsstunde des Abiturs auf das Jahr 1812, | |
als eine Überprüfung der Examensvorschriften in Preußen erstmals eine | |
gemeinsame Form gebar. Andere sagen, es war erst 1834 so weit, als eine | |
Kabinettsorder des preußischen Königs eine Maturitätsprüfung vorschrieb. | |
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, der sachsen-anhaltische | |
Kultusminister Dorgerloh, machte keinerlei Hoffnung, dass dieser über | |
200-jährige Prozess jemals abgeschlossen sein wird. „Ein Zentralabitur kann | |
und wird es nicht geben.“ | |
Auch die Bundesländer Sachsen, Bayern, Niedersachsen, Hamburg, | |
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern werden das nicht schaffen. | |
Sie hatten unter Führung Bayerns und Sachsens mit der Abstimmung ihrer | |
Abiturpüfungen begonnen, und auch sie können lediglich „zum Teil identische | |
Abituraufgaben“ vorlegen. | |
20 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
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