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# taz.de -- Katastrophale Abi-Quote an Privatschule: Die Schweinfurter Nullpunk…
> Der gesamte Jahrgang einer privaten Schule in Bayern ist mit Ansage
> durchs Abi geflogen. Der Kultusminister wusste seit Monaten um die
> Problematik.
Bild: Prüfungsdesaster trotz Vorwarnung: 27 bayerischen SchülerInnen blieb di…
MÜNCHEN/BERLIN taz | Als vor zwei Wochen 27 Privatschüler in einer
Schweinfurter staatlichen Fachoberschule ihre externe Abiturprüfung
begannen, wusste jeder: Das wird kein Spaziergang, viele werden
durchfallen. Was am Ende in den Fächern Mathematik, Technik und BWL
herauskam, war freilich ein Desaster. In diesen Kernfächern errangen die 27
Prüflinge maximal 0,8 Punkte – von 15 möglichen. Der komplette
Abiturjahrgang der Ersten Privaten Fachoberschule Schweinfurt rasselte
durch.
Ganz Deutschland beweinte oder verlachte die bayerischen Abi-Idioten. Die
Nation stellte Privatschulen grundsätzlich infrage. In der einstigen
Industriemetropole wurden Krisensitzungen einberufen. Bayerns Schulminister
Ludwig Spaenle (CSU) bot Hilfe an und versprach, seine Schulräte würden
beginnen herauszufinden, woran das Totalversagen liegen könne.
Der Volksmund würde diese Auskunft als Lüge bezeichnen. Nach Informationen
der taz war die Staatsregierung nämlich im Detail über die Probleme der
Schule informiert, und zwar lange bevor in Schweinfurt 27 Schüler
durchfielen. Es war ein Scheitern in Zeitlupe: Und der zuständige Minister
Ludwig Spaenle und seine Schulbeamten schauten wie in Zeitlupe zu.
Mehrere Lehrer der Schule beklagten seit Längerem den einschüchternden Stil
der Schulleitung und schwere Mängel im Schulbesuch. Die Private
Fachoberschule in Schweinfurt ist das jüngste Kind der [1][Privaten Schulen
Schwarz]. Dazu zählt die Wirtschaftsschule Müller, die es seit Jahrzehnten
gibt, sowie eine Private Realschule seit 2010. Die Private FOS wurde 2011
gegründet, der jetzt durchgefallene Jahrgang war der erste, den die Schule
aufnahm. An Fachoberschulen, die zwei oder drei Jahre dauern, können
Schüler mit Mittlerer Reife ein Abitur ablegen.
## Der Ministerialbeamte war nicht zu sprechen
Es war November 2012, als der Vater eines Fachoberschülers den zuständigen
staatlichen Schulbeamten Hansjörg Bosch in Erlangen um Hilfe bat. Doch er
bekam den Ministerialbeamten gar nicht erst zu sprechen. Dem Schulrat sei
das Problem bekannt, er hätte einen Termin mit den Schulleitungen der
Privaten und einer staatlichen FOS vereinbart. Die Eltern dachten, alles
klar, Bayerns Behörden haben das Problem erkannt. Das war falsch.
Nach Informationen der taz beriet der Erlanger Schulrat die Privat-FOS nur
im Zuge öffentlicher Routinen. Zweimal wurden Respizienzen durchgeführt,
das sind nachträgliche Einschätzungen schriftlicher Arbeiten. Auch einen
Unterrichtsbesuch bei einer Lehrkraft veranlasste der Ministerialbeamte
Bosch. Die Frage ist: Was wussten die Schulbehörden zu diesem Zeitpunkt?
Der Mann, der am Ende des Videos erscheint, stellt sich breit und wuchtig
in die Kamera. „Die Fachoberschulen Bayerns sind ein Erfolgsmodell“,
verkündet der Film, und Minister Ludwig Spaenle (CSU) sagt, warum: 30
Prozent Anstieg der Schülerzahlen in den letzten fünf Jahren. Vier von zehn
Abiturienten kommen in Bayern inzwischen von der Fach- oder
Berufsoberschule. Und Spaenle wird nicht müde, bei jeder Gelegenheit zu
betonen, wie durchlässig das bayerische Schulsystem ist – wegen der
Fachoberschulen, die er massiv ausgebaut hat.
Auch private Fachoberschulen sind durchlässig. Sie nehmen auch Schüler auf,
die in der Mittleren Reife schlechter als 3,5 im Schnitt sind. Das Abitur
lockt, da lässt man sich auch mal auf waghalsige Unternehmen ein. Ein
staatlicher Fachoberschullehrer weiß: „In den privaten Fachoberschulen
sammeln sich viele Schüler, die es an einer staatlichen FOS nicht geschafft
haben.“ Der Schultyp gilt als schwierig – weil er so schnell vorbei ist.
## Keine gänzlich unbegründete Furcht
„Diese Schulen sind wichtig für Bayern, weil sie für Bildungsgerechtigkeit
sorgen. Sie führen viele Schüler mit Mittlerem Schulabschluss zum
Fachabitur. Aber die Zeit, um sie von der Mittleren Reife zur
Hochschulreife zu führen, ist sehr kurz“, berichtet der Lehrer einer
anderen staatlichen FOS. „Das sind nicht zwei Jahre, sondern nur 15 Monate,
weil im ersten Schuljahr ein Praktikum gemacht werden muss und die 12.
Klasse mit dem Abi früher endet.“ Der Mann will seinen Namen nicht nennen –
aus Furcht vor Auswirkungen auf seine Beamtenlaufbahn.
Vielleicht ist diese Furcht nicht unbegründet. Denn die privaten
Fachoberschulen in Bayern erzielen verheerende Ergebnisse. Sie sind
sozusagen in beide Richtungen durchlässig: rein – und raus. Im ersten Jahr
der neuen Privaten FOS fallen an diesen Schulen die Hälfte der Schüler
durch – ein offenes Geheimnis, das auch im bayerischen Schulministerium
bekannt ist. Dort nimmt man aber ganz offenbar riesige Durchfallquoten bei
den Privaten in Kauf.
Der zuständige bayerische Kultusminister Spaenle wusste aber nicht nur
allgemein, sondern sehr konkret von massiven Schwierigkeiten an der
Privatschule. Ihm lag schon seit Oktober 2012 ein ganzes Dossier vor,
inklusive Schilderungen von Lehrern über chaotische Zustände an der
Privatschule.
Überbringer des Dossiers war der Landtagsabgeordnete Günther Felbinger
(Freie Wähler). „Zwei Lehrkräfte der Privaten Schulen Schwarz in
Schweinfurt“, schrieb Felbinger dem Kultusminister am 26. 10. 2012, „haben
über eine Reihe von Unstimmigkeiten und Unzulänglichkeiten im
Unterrichtsbetrieb berichtet“. Dann folgen mehrere Seiten penibel
aufgeführter Verfehlungen der Schulleitung. „Das Grundgesetz der BRD gilt
hier nicht“, wird etwa der Fachbereichsleiter der Schwarz-Schulen in dem
Dossier zitiert.
## Mit Abmahnungen gedroht
Es liegen auch Briefwechsel bei, die belegen, wie Schulleiter Michael
Schwarz Lehrern mit Abmahnungen droht – falls diese zum Beispiel mit
Schülern über die Rückgabe von Klausuren sprechen. Aus dem Dossier geht
unzweideutig hervor: An den Privatschulen Schwarz, zu denen die
katastrophale Fachoberschule, eine Wirtschafts- und eine Realschule
gehören, stimmt etwas nicht.
Der Landtagsabgeordnete Felbinger (Freie Wähler) erzählt, er habe lange
überlegt, was er mit den dramatischen Berichten machen solle, die ihm
mehrere Lehrer der Schule überbracht hatten. „Dann habe ich mich
entschlossen, das dem Minister zu übergeben“, sagt er, „denn an der Schule
herrschte Sodom und Gomorrha“.
Hauptvorwurf der verängstigten Lehrer war der autoritäre Stil des
Schulleiters Michael Schwarz. Ein Lehrer berichtet in dem Dossier, dass der
Rektor Korrekturen der Pädagogen prinzipiell nachkorrigieren ließ. „Wer dem
nicht nachkommt, wird abgemahnt“, behauptet er, „Aussage des Schulleiters:
’… dann kommen zwei Abmahnungen – und hopp!‘“ Überprüfen lässt sic…
nicht – da sich der Schulleiter seit Tagen weigert, Auskunft über seine
Schule zu geben. Er weist Medienanfragen zurück – von einer Anfrage der
Main-Post abgesehen, in der der Geschäftsführer sagte: „Wir haben die
Verantwortung“.
Ludwig Spaenle hat auf den Warnruf im Januar 2013 geantwortet, wie es
vielleicht nur ein CSU-Minister tun kann. Nicht er, der Schulminister des
Landes, sondern die Regierung des Bezirks Unterfranken sei zuständig. Die
habe sich überzeugt, dass die Privatschule „die staatlichen Lehrpläne so
weit beachtet, dass die Lehrziele in den einzelnen Jahrgangsstufen erreicht
werden.“ Ein schwerer Irrtum der bayerischen Schulbehörden, wie sich nun
herausstellt.
## Fingerhakelnder Minister
Außenstehende beobachten die Fingerhakeleien des Ministers mit
Kopfschütteln. „Wichtig ist jetzt, dass die gescheiterten Schüler schnell
ein Angebot bekommen“, sagte der Präsident des bayerischen Lehrerverbands
BLLV, Klaus Wenzel. „Es ist nicht ein Kind in den Brunnen gefallen, sondern
gleich 27 junge Leute.“ Bei einer mündlichen Nachprüfung haben zwei Schüler
ihr Abi nachträglich bestanden. Die anderen 25 können sich bis Ende der
Woche bei der staatlichen Schweinfurter FOS anmelden und Ende Juli
Nachprüfungen ablegen. Wenzel ist dieser Termin zu früh: „Der Minister
sollte den Schülern jetzt Intensivkurse anbieten – und die Nachprüfungen
auf September legen.“
Wenzel bezeichnet aber die Schulaufsicht im Fall der privaten
Fachoberschulen als mangelhaft. „Wenn der Minister eine Fachoberschule von
der Leine lässt, dann muss er Sorge dafür tragen, dass die Qualität
stimmt“, sagte der BLLV-Chef. „Das darf man nicht erst am Ende der nur
zweijährigen Laufzeit tun, sondern muss schon nach dem ersten Jahr
Erkundigungen einholen.“
Kultusminister Spaenle versucht unterdessen, mit einem listigen Manöver
seine Verantwortung loszuwerden. Er ließ seinen Sprecher mitteilen, der
Abgeordnete Felbinger liege falsch – er habe schlicht zwei Schweinfurter
Privatschulen verwechselt.
## Eindeutiges Schreiben
Tatsächlich war Felbingers Schreiben eindeutig. Er warnte den Minister vor
massiven Problemen an den „Privaten Schulen Schwarz“. Zu diesen Schulen
gehört, in demselben Gebäude mit denselben Lehrern, die gerade so perfekt
gescheiterte Fachoberschule Schweinfurt.
Inzwischen hat das Kultusministerium den Schweinfurter Nichtabiturienten,
die formell wegen ihres Notenschnitts keine Berechtigung dazu haben, Plätze
an staatlichen FOS angeboten. „Das ist ein Entgegenkommen, das wir
begrüßen“, sagte Patricia Fuchs-Politzki, die 20 der Schüler anwaltlich
vertritt.
10 Jul 2013
## LINKS
[1] http://privatschulen-schwarz.de/
## AUTOREN
Christian Füller
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