# taz.de -- Mobiles Banking auf dem Land in Indien: Aus dem Eckladen wird eine … | |
> Für Menschen im ländlichen Indien ist die Eröffnung eines Bankkontos | |
> mühselig. Sie können nun ein Konto per Handy einrichten und das Geld am | |
> Kiosk holen. | |
Bild: Eine Bank in Indien: Das Plakat links informiert über die Eko-Bank. | |
NEU-DELHI | Es ist früher Morgen in einer geschäftigen, staubigen | |
Nebenstraße, und in Jitender Goyals Handyshop drängen sich schon die | |
Kunden. Der Rikschafahrer Mohammed Samit Alam schiebt sich mit einem Packen | |
zerknitterter Rupienscheine durch den Pulk Richtung Ladentisch. Aber er ist | |
nicht gekommen, um etwas zu kaufen. Wie die anderen Wartenden ist er | |
Wanderarbeiter – er will Geld nach Hause schicken. Und der kleine Eckladen | |
ist seit vier Jahren eine virtuelle Bank. | |
Mohammed reicht seinen Ausweis über den Ladentisch, die 2.100 Rupien, die | |
er verschicken will, umgerechnet 37 Dollar, und seine Kontonummer, die in | |
seinem Handy gespeichert ist. Der Mann hinter dem Ladentisch tippt die | |
Daten in ein mobiles Telefon, das mit der Partnerbank des Ladens, der State | |
Bank of India, verbunden ist. Nach einigen Minuten piept Mohammeds Handy | |
und ihm wird per SMS seine Einzahlung bestätigt. | |
Mohammed überweist seit drei Monaten über Goyals Laden Geld an seine | |
Mutter, eine Bäuerin im nördlichen Bundesstaat Bihar. „Früher habe ich das | |
Geld immer mit einem Kurier geschickt“, sagt Mohammed, „aber Kuriere sind | |
teuer, sie nehmen fünf Prozent, und es kann zehn Tage dauern, bis das Geld | |
ankommt.“ In Goyals Laden kostet es nur ein Prozent. „Und meine Mutter holt | |
sich das Geld von der Bank, für sie ein Fußweg von ungefähr einem | |
Kilometer.“ | |
Goyals Laden gehört zu den 1.200 virtuellen Banken, die von dem | |
Start-up-Unternehmen EKO India Financial Services betrieben werden. EKO | |
wurde von zwei Brüdern erfunden: Abhishek und Abhinav Sharma. | |
## Millionen Landbewohner ohne Konto | |
Viele Inder leben auf dem Land, weit weg von Banken und Geldautomaten. | |
Viele sind arm, können nicht lesen und schreiben, die Formalitäten für die | |
Eröffnung eines Bankkontos sind für sie sehr mühselig. Aber die | |
Marktforschungsfirma iSuppli meint, dass im Jahr 2014 erstaunliche 97 | |
Prozent der Bevölkerung ein Handy besitzen werden. | |
Angeregt von ähnlichen Projekten in Kenia und den Philippinen, nutzten die | |
Sharma-Brüder die Technik der Prepaidhandys: „Leute, die ihr Guthaben | |
aufladen wollen, gehen in einen Laden, zahlen 500 Rupien und bekommen eine | |
SMS über das neue Guthaben“, erklärt Abhinav Sharma. „Sie haben im Grunde | |
auf eine Art Konto eingezahlt.“ | |
Obwohl Indiens Wirtschaft in den letzten zwanzig Jahren boomte, haben die | |
Banken mehrere hundert Millionen Landbewohner ohne Konto nicht zur Kenntnis | |
genommen und sich auf die reicheren, lukrativeren Kunden in den Städten | |
konzentriert. „Die Armen haben ein starkes Bedürfnis zu sparen, und sie | |
haben immer Wege gefunden, ihr Geld zu Hause aufzubewahren“, sagt Mudita | |
Tiwari, leitender Marktforscher im Centre for Micro Finance in Chennai, der | |
das EKO-Modell geprüft hat. „Also muss man ihnen eigentlich nur den | |
richtigen Service anbieten, damit sie am Bankwesen teilhaben können.“ | |
Die Brüder mussten die traditionellen Bankhäuser zur Zusammenarbeit | |
bewegen. „Das war schwierig“, sagt Sharma. „Wir wollten etwas tun, was es | |
in Indien noch nie zuvor gegeben hatte, nämlich Finanzdienstleistungen über | |
ein simples Handy und nicht über ein teures Blackberry abwickeln.“ | |
## Täglich 9.000 Dollar Umsatz | |
Heute arbeiten die Brüder mit drei großen Kreditanstalten zusammen: State | |
Bank of India, ICICI und YES Bank. Der nächste Schritt bestand darin, | |
Geschäfte zur Zusammenarbeit zu bewegen. Ladenbesitzer gelten in der | |
Nachbarschaft zumeist als vertrauenswürdig und konnten ihren Kunden | |
erklären, wie EKO funktioniert. | |
Goyal, der Inhaber des Ladens in South Dehli, sagt, ihm gefalle das | |
Ansehen, das ihm die Verbindung mit Indiens größter Publikumsbank bringt. | |
Und die Zahl seiner KundInnen habe sich erhöht: „Als ich nur Telefone | |
verkaufte, hatte ich etwa 60 bis 70 KundInnen am Tag“, sagt Goyal. „Jetzt | |
kommen mehr als 100 Leute.“ Er transferiert im Schnitt 500.000 Rupien | |
täglich, 8.862 Dollar. | |
EKO hat nach fünf Jahren bereits drei Millionen KundInnen, hauptsächlich in | |
Delhi, Mumbai und den Bundesstaaten Bihar und Uttar Pradesh. Die Firma | |
bewegt etwa 1,5 Millionen Dollar am Tag. Die meisten KundInnen benutzen den | |
Dienst zum Geldverschicken, aber inzwischen hat auch nahezu ein Fünftel ein | |
Bankkonto eröffnet, auf das per Handy eingezahlt werden kann. | |
EKO plant jetzt, in allen großen Städten Indiens virtuelle Banken zu | |
eröffnen, und denkt darüber nach, das Netzwerk auf ländliche Gegenden | |
auszuweiten, damit die Empfänger der Überweisungen das Geld in Dorfläden | |
abholen können. Zusätzlich sollen auch andere Produkte angeboten werden, | |
wie zum Beispiel Versicherungen, an die arme Leute bislang nicht ohne | |
Weiteres herankommen. Ihr Erfolg hat die Sharma-Brüder zu Vorbildern für | |
soziale Innovation gemacht. Vor ein paar Jahren hat Bill Gates sie in ihrem | |
Büro besucht. | |
Aus dem Englischen von Heike Brandt | |
22 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Natacha Butler | |
## TAGS | |
Mobilfunk | |
Banken | |
Indien | |
Schwerpunkt Armut | |
Indien | |
Indien | |
Onlinespiele | |
Erdbeben | |
Mexiko | |
Landwirtschaft | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Blutige Zusammenstöße in Indien: Tote bei religiösem Konflikt | |
Bei Auseinandersetzungen in Nordindien zwischen Hindus und Muslimen starben | |
28 Menschen. Die Armee entsendet Hunderte Soldaten. | |
Indiens Wirtschaft schwächelt: Bernanke und die Zwiebeln | |
Die Rupie sackt auf den tiefsten Stand in ihrer Geschichte, Die Investoren | |
reagieren nervös. Mitverantwortlich sind die US-Notenbank und die | |
Zwiebelpreise. | |
Online-Spiele sammeln Spenden: Spielend Gutes tun | |
Onlinespiele sind beliebt und machen Spaß. Mit einigen kann man auch realen | |
Menschen helfen. Doch die Spiele vereinfachen die Probleme auch stark. | |
Wiederaufbau nach dem Erdbeben 2012: Italiens Trümmerfrauen | |
Ein Jahr nach dem Erdbeben in Reggio Emilia bauen Unternehmerinnen ihre | |
Läden wieder auf. Das Netzwerk „EmiliAmo“ hält sie davon ab, zu | |
verzweifeln. | |
Jugendkriminalität in Mexiko: Fußballspielen für die Zukunft | |
Viele der Jugendlichen im mexikanischen Fußballprojekt „A ganar“ waren | |
schon als Teenager im Gefängnis. Auf dem Sportplatz finden sie ihr | |
Selbstwertgefühl wieder. | |
Alternativer Konsum in Deutschland: Wissen, was im Kochtopf schmurgelt | |
Direkt vom Hof oder gleich die regionale Vermarktungskette selbst | |
organisieren? Drei unterschiedliche Konsumbeispiele aus Deutschland. | |
Billige Minenräumung in Afghanistan: „Bumm, und weg ist es“ | |
Als Kind spielte der Designer Massoud Hassani vor den Minenfeldern | |
Afghanistans. Nun hat er ein Gerät entwickelt, das Minen billig explodieren | |
lässt. |