# taz.de -- „Unsere Mütter, unsere Väter“ in Polen: Die haben Hochkultur,… | |
> Nach der TV-Ausstrahlung des ZDF-Mehrteilers in Polen beruhigen sich die | |
> Zeitungskommentatoren. Doch im Netz ist von Propaganda im Goebbels’schen | |
> Stil die Rede. | |
Bild: Jerzy (Lucas Gregorowicz) ist in „Unsere Mütter, unsere Väter“ der … | |
WARSCHAU taz | Die blutroten Plakate hängen noch immer in Polens Hauptstadt | |
Warschau. Sie richten sich gegen den [1][ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, | |
unsere Väter“]. Eine knochige Nazi-Hand greift mit tödlichem Griff nach | |
Polen, doch ein Soldat der 1939 noch regulären polnischen Armee durchbohrt | |
sie mit seinem Bajonett. „Wara!“ steht auf den Plakaten: „Hände weg von … | |
AK-Soldaten.“ | |
Der deutsche Film, so lautet der Vorwurf, wälze durch seine antisemitischen | |
Partisanenszenen einen Teil der Schuld am Holocaust auf die polnische | |
Untergrundarmee Armia Krajowa ab. Die Deutschen würden sich selbst als | |
Opfer des Krieges darstellen. | |
Die Kritik an dem „antipolnischen Film der Deutschen“ reicht in Polens | |
Medien von ganz rechts bis ganz links. Den Ton gab schon im März der | |
ehemalige Deutschlandkorrespondent der linksliberalen Tagezeitung Gazeta | |
Wyborcza vor, als er in seinem Kommentar fragte: „Wer erklärt den | |
Deutschen, dass die AK nicht die SS ist?“ Sicher habe es in der | |
Partisanenarmee AK, die ihre Befehle von der konservativen Exilregierung in | |
London erhielt, auch Antisemiten gegeben, so Bartosz Wielinski, aber Sätze | |
wie „Juden ertränken wir wie Katzen“ oder „Besser tot als lebend“ stel… | |
die polnischen Widerstandskämpfer mit den SS-Schergen gleich. | |
Die rechtsnationale Zeitschrift Uwazam Rze zeigte daraufhin Kanzlerin | |
Angela Merkel auf der Titelseite im gestreiften KZ-Anzug hinter | |
Stacheldraht und prangerte die Filmemacher und ihre wissenschaftlichen | |
Berater an: „Geschichtsfälschung. Wie die Deutschen aus sich Opfer des | |
Zweiten Weltkriegs machen.“ Es sei unbekannt, wer den Krieg und die | |
Grausamkeiten begonnen habe, erläutert Jan Pinski im Leitartikel. „Aber die | |
Polen waren schlimmer als die Deutschen. Als sie im Film gefangene Juden | |
aus einem Transportzug in ein Vernichtungslager befreien können, tun sie es | |
nicht.“ | |
Nach der – ebenfalls umstrittenen – Ausstrahlung des Dreiteilers durch das | |
polnische Fernsehen TVP1 in der letzten Woche änderte sich der Ton der | |
Debatte. Zwar blieben die Journalisten bei ihren Bewertungen „skandalös“, | |
„antipolnisch“ und „geschichtsverfälschend“, doch die meisten der mehr… | |
3 Millionen polnischen Zuschauer hatten kein Problem, in den Filmfreunden | |
sowie den SS-Männern in Berlin und an der Front Deutsche zu erkennen. | |
## Schwer beleidigt | |
Doch viele polnische Internet-User sahen sich durch „Unsere Mütter, unsere | |
Väter“ schwer beleidigt: Die antisemitischen Partisanenszenen seien schon | |
schlimm, insbesondere weil die deutschen Konzentrations- und | |
Vernichtungslager im nazibesetzten Polen nicht gezeigt würden, noch | |
schlimmer aber sei die Darstellung der Polen als primitives | |
Untermenschenvolk ohne jede Kultur. Das sei tatsächlich Propaganda im | |
Goebbels’schen Stil. | |
Denn während die Deutschen im Film klassische Literatur mit an die Front | |
nähmen und junge Wehrmachtsoldaten von einem Philosophiestudium in | |
Heidelberg träumten, schwärmten die polnischen Partisanen in ihren | |
dreckigen Klamotten lediglich von einer deftigen Wursteinlage im Bigos, dem | |
polnischen Sauerkrauteintopf. | |
Die Deutschen, so der Vorwurf vieler Schreiber im Netz, würden sich noch | |
immer als die den Slawen kulturell überlegenen Übermenschen begreifen. Hier | |
hohe Literatur, dort Knoblauchwurst und Eintopf. In der Sonntagsausgabe der | |
Gazeta Wyborcza plädierte der Journalist Pawel Wronski für mehr | |
Gelassenheit. | |
Denn die Deutschen hätten in der Serie durchaus auch einiges über die | |
Besetzung Polens durch Deutschland erfahren, über Alina, eine vergewaltigte | |
Zwangsarbeiterin, über die polnische Untergrundarmee AK und über | |
Massenexekutionen, bei denen Wehrmachtssoldaten nicht nur Juden, sondern | |
auch polnische Partisanen ermordeten. Zudem verdanke Viktor, der einzige | |
Jude unter den fünf Berliner Freunden, gleich mehreren Polen sein Leben. Es | |
tue den Polen gut, von Zeit zu Zeit in den Spiegel zu schauen, so Wronski, | |
auch dann, wenn es sich um einen Zerrspiegel handeln sollte. | |
24 Jun 2013 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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