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# taz.de -- Zukunftssicherung beim ZDF: Der Einfachmacher vom #Lerchenberg
> Was das ZDF twittert, schreibt fast immer Michael Umlandt. Er hat dem
> Sender gezeigt, wie man im Netz ankommt. Nun stößt er an Grenzen.
Bild: Michael Umlandt brachte es mit einem gefälschten Twitterprofil zur Festa…
Wenn er genervt ist, kann er auch anders. Neulich etwa, als ein führendes
Mitglied der Piratenpartei auf Twitter reichlich provokante Fragen zum
öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellte. Darunter war die Überlegung, ob
sich Deutschland überhaupt so viele Sender von ARD und ZDF leisten müsse.
Es ging um den beitragsfinanzierten Apparat an sich.
Michael Umlandt war das zu viel Dreck. Er entschied: [1][@ZDF] und
@Duesenstein – inzwischen heißt der besagte Pirat bei Twitter
[2][@Dueseberg] – gehen fortan getrennte Wege. Umlandt blockierte den
Zugriff des Piraten Johannes Thon auf die Einträge des Mainzer Senders.
Der Nörgler konnte keine Tweets des ZDF mehr weiterverbreiten und vor
allem: nicht mehr auf Twitter der Programmanstalt schreiben. Im analogen
Schlagabtausch würden Briefe mit dem Vermerk „Annahme verweigert“ retour
gehen.
Im Netz kamen rasch einige auf den Gedanken, das ZDF könne unbequeme Fragen
nicht ab. Sie warfen dem Sender mangelnde Kritikfähigkeit vor. „Ich würde
mich im echten Leben auch nicht mit jemandem unterhalten, wenn er mich
fünfmal hintereinander beleidigt hat“, sagt Umlandt dazu. „Da würde ich
doch weggehen.“ Der 26-Jährige darf beim ZDF ohnehin einfach machen. Und
das hat einen Grund: Er hat Erfolg.
Mehr als 150.000 Menschen folgen bei Twitter aktuell allein dem Hauptprofil
des ZDF, viele vor allem junge Nutzer sind das. Dieser gute Lauf kommt den
Programmmachern eines Senders, der gerade seinen 50. Geburtstag gefeiert
hat und dessen Stammpublikum mit rund 60 Jahren noch mal älter ist, gerade
recht: Umlandt betreibt Zukunftssicherung beim Zweiten.
## Umlandt gibt sich als ZDF aus
Dass er das überhaupt macht, geht auf eine gewaltige Kuriosität zurück, die
vor vier Jahren ihren Anfang nahm. Im klassischen Internet war selbst das
ZDF im Juni 2009 angekommen, auf Twitter hingegen noch nicht. Also legte
Umlandt zusammen mit Marco Bereth – die beiden kannten sich von Dorfpartys
rund um Schwäbisch Hall – ein ZDF-Profil an.
Bereth und Umlandt hatten keinen Auftrag, sie gaben sich einfach als der
Fernsehsender aus und sammelten die ersten Fans ein, mit Programmtipps aus
Web und Videotext. Authentizität vorzugaukeln war für die beiden ein
Kinderspiel.
Diese Masche ging einige Monate gut. Das Duo war fast rund um die Uhr für
die Fans des Senders da, im Schichtbetrieb, aber eben ohne Beteiligung der
echten Programmmacher. Die schauten einfach zu, es lief ja. „Auf
[3][@ZDFsport] kam schon einmal die Frage auf, wer hier eigentlich im Namen
des ZDF schreibt“, erinnert sich Umlandt. „Aber damals dachten wir: Klar,
die sind doch bestimmt auch ein Fake. So wie wir.“
Heikel wurde es erst nach einem halben Jahr. Damals machte das Gerücht die
Runde, Jörg Pilawa wolle von der ARD zum Zweiten wechseln. Die Branche
wartete gespannt auf eine Bestätigung. Und was machten die beiden
Fake-Twitterer? Sie meldeten Vollzug.
## Verträge statt Ärger
„Damals wussten wir nicht, dass die Sache tatsächlich schon in trockenen
Tüchern war“, sagt Umlandt, der bloß aus einer Laune heraus pokerte. Im
Sender begann die Suche nach einem Maulwurf, den es nie gab. „Uns wurde das
zu heiß.“ Also schrieben Umlandt und Bereth dem ZDF und erklärten sich.
Ärger gab es keinen – sondern Verträge.
Seit Anfang 2010 sind sie also im offiziellen Auftrag unterwegs. Bereth
nebenbei, Umlandt arbeitet in Vollzeit im ZDF-Sendezentrum auf dem
Lerchenberg. Er hatte da gerade seine Ausbildung zum Medienkaufmann
beendet, bei Radio Ton, einem echten Provinzsender in Heilbronn.
„EXKLUSIV: Pep Guardiola atmet ein. Und aus.“ Es sind Einträge wie diese,
die den Sound von @zdf ausmachen. Das Profil kündigt an, informiert über
die Nachrichtenlage, vor allem aber unterhält es zwischendurch auch auf
süffisante Art. Wäre der Sender selbst darauf gekommen, einen solchen Kanal
anzulegen, er würde nicht zwischendurch ProSieben als TV-Tipp empfehlen
oder herumflachsen à la „Wenn ihr auch mal im #fernsehgarten zu Gast seid:
immer winken, wenn ihr eine Kamera seht. #nicht“.
Vor allem aber darf angenommen werden, dass es mit dem Start viel länger
gedauert hätte. Zum Vergleich: [4][@ARDde] ist erst seit wenigen Wochen
dabei, nachdem an Konzepten gefeilt wurde und Arbeitsgruppen tagten. So ein
Profil repräsentiert eben ein föderales Konstrukt aus neun Programmhäusern.
Das Ergebnis bewegt sich nun zwar erstaunlich sicher auf der Wellenlänge
der Zielgruppe, mit derzeit 2.000 Abonnenten ist aber viel aufzuholen.
## Umlandt-Gen würde dem ZDF guttun
„Gerade im Netz hilft es uns unfassbar, dass wir nur eine Anstalt sind“,
sagt Umlandt. Bei der Facebook-Alternative Google+ war das ZDF von Tag zwei
an dabei. Umlandt fragte nicht, er machte einfach. Dass auf dem Lerchenberg
pures Chaos herrschen würde, wenn alle so handeln würden, weiß er
allerdings auch: „Dem ZDF würde es gewiss nicht guttun, wenn hier alle das
Umlandt-Gen hätten.“
Als das Treffen mit der taz in Berlin stattfindet, ist Umlandt gerade
dabei, einen Monat lang vegan zu leben. Ein Experiment. Er ärgert sich über
die Joghurtsoße, die man ihm über seinen Falafelteller gekippt hat. „Macht
drei Tage extra!“
Im Frühjahr war Umlandt bereits in der Hauptstadt. Er richtete dem
„Morgenmagazin“ einen Twitter-Account ein, schulte Mitarbeiter und
Moderatoren. Seitdem wimmelt es im Frühmagazin vor Hashtags.
Das [5][@morgenmagazin] will damit modern wirken. Vermehrte Berichte über
digitale Phänomene sind Teil dieser Strategie. Hier kommt Umlandt schon
wieder ins Spiel. Das Bezahlen per Handy war sein erster Beitrag als
Koautor im Programm. Wird aus dem Fernsehbegleiter ein Fernsehmacher? „Ich
habe das nicht gelernt“, sagt Umlandt. „Und ich kann mich auch nicht
dauernd damit beschäftigen, wie Fernsehen funktioniert.“
## Marken machen sich rar
Doch bei allem Erfolg – es klappt längst nicht alles beim ZDF im Netz. Wo
etwa bleiben die prominenten Gesichter des Senders? Klar, eine [6][Sarah
Kuttner] ist da und auch ein [7][Jan Böhmermann]. Aber die anderen, die vom
Hauptkanal? Die tun sich nach wie vor schwer mit diesem Internet. Der
stellvertretende Chefredakteur Elmar Theveßen setzt als [8][@ethevessen]
noch immer teils unleserliche Einträge ab. Immerhin, er probiert es, so wie
auch „heute“-Moderator Matthias Fornoff. Allein: [9][@fornoff] steht
lediglich bei 1.300 Followern.
Die, die für sich genommen als Marke funktionieren würden, machen sich
hingegen rar. Claus Kleber etwa hat sich bislang nur am Abend der US-Wahl
mit einer eigenen Präsenz in die 140-Zeichen-Verdichtungsmaschine getraut,
und auch das nur im Sammelprofil [10][@ReporterZDF]. Wartet er nur den
passenden Moment ab, oder hat er keinen Bock?
„Ich bin auch da dran“, sagt Michael Umlandt. „Wir werden in diesem Jahr
das ein oder andere prominente ZDF-Gesicht auf Twitter sehen.“ Einfach
machen, das wird klar: bei den Etablierten geht das nicht. Hier ist ganz
klassische Überzeugungsarbeit angesagt. Neuland für Umlandt.
28 Jun 2013
## LINKS
[1] http://twitter.com/ZDF
[2] http://twitter.com/Dueseberg
[3] http://twitter.com/ZDFsport
[4] http://twitter.com/ARDde
[5] http://twitter.com/morgenmagazin
[6] http://twitter.com/KuttnerSarah
[7] http://twitter.com/janboehm
[8] http://twitter.com/ethevessen
[9] http://twitter.com/fornoff
[10] http://twitter.com/ReporterZDF
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Twitter / X
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