# taz.de -- Kommentar Suchmaschinen: Niemand wird vergessen | |
> EuGH-Generalanwalt Niilo Jääskinen ist gegen ein „Recht auf | |
> Vergessenwerden“ und entlastet damit Google. Wenn ihm der Europäische | |
> Gerichtshof (EuGH) folgt. | |
Niilo Jääskinen ist ein belesener Mann. Er kennt nicht nur Shakespeare, | |
sondern auch Thomas Bowdler, der im 19. Jahrhundert eine entschärfte, | |
weniger anstößige Version von Shakespeares Werken herausgegeben hat. Was | |
Jääskinen nun verhindern will, ist eine Bowdler-Version des Internets, also | |
ein entschärftes Internet. | |
Der Generalanwalt musste mit seinem am Dienstag veröffentlichten Gutachten | |
(„Schlussantrag“) eine EuGH-Entscheidung von großer Tragweite vorbereiten. | |
Es geht um die Frage, ob Einzelpersonen von Google verlangen können, alte | |
Informationen, die sie in schlechtes Licht rücken, nicht mehr zu verlinken. | |
Im konkreten Fall ging es um die Zwangsversteigerung eines Hauses in | |
Spanien vor 15 Jahren. Der Betroffene hält sie heute für irrelevant und | |
rufschädigend. Zurecht hält Jääskinen das europäische Recht für anwendbar, | |
auch wenn Googles Suchmaschinen in Kalifornien stehen. | |
Google verdient sein Geld mit dem Verkauf von Werbung, die auf die | |
jeweiligen Märkte – also auch den spanischen – zugeschnitten ist. Deshalb | |
ist es gerechtfertigt, den Dienst am EU-Datenschutzrecht zu messen. Nicht | |
überzeugend ist es, wenn Jääskinen Ansprüche gegen Google schon deshalb | |
verneint, weil die Suchmaschine nicht für die Daten verantwortlich sei – | |
das seien nur die Inhaber der verlinkten Webseiten. | |
Allerdings verarbeitet Google die Daten durchaus selbst, indem | |
Google-Suchspinnen die Seiten auffinden, Google den Inhalt auf eigene | |
Server kopiert und ihn später dann in kleinen Auschnitten (Snippets) unter | |
den Suchtreffern anzeigt. Auch bei der Bewertung der Webseiten verarbeitet | |
Google Daten und entscheidet so, ob eine Seite in den Suchergebnissen vorn | |
oder hinten steht. | |
Google ist also nicht nur ein Transporteur von Daten, an den keine | |
Ansprüche gestellt werden könnten. Dass Jääskinen mit seiner Ansicht beim | |
EuGH nicht durchkommt, weiß er wohl selbst. Deshalb hat er „hilfsweise“ | |
auch noch geprüft, ob Google ein „Recht auf Vergessenwerden“ beachten muss. | |
Zurecht stellt Jääskinen fest, dass die aktuelle EU-Datenschutzrichtlinie | |
von 1995 kein derartiges Recht kennt. | |
Das ist schon daran zu sehen, dass die EU-Kommission für die geplante neue | |
EU-Datenschutz-Verordnung, über die derzeit verhandelt wird, ein solches | |
„Recht auf Vergessenwerden“ einführen will und als große Innovation | |
präsentierte. Zum Schluss prüft Jääskinen, ob die EU-Grundrechte dazu | |
zwingen, ein „Recht auf Vergessenwerden“ anzunehmen oder einzuführen. Auch | |
das verneint er richtigerweise. | |
Die Informationsfreiheit und die Meinungs- und Pressefreiheit sind für | |
demokratische Gesellschaften so wichtig, dass es Privaten – zumindest in | |
der Regel – nicht erlaubt werden muss, den Zugang der Öffentlichkeit zu | |
persönlich unangenehmen Informationen zu verhindern. Denn das würde in der | |
Tat zu einem Internet führen, in dem sich jeder der Welt so präsentieren | |
könnte, wie es ihm persönlich gefällt. | |
Dies könnte zwar das Wohlgefühl vieler Menschen verbessern, aber das | |
Internet als Ort kritischer Informationsmöglichkeit wäre stark entwertet. | |
Es ist also zu hoffen und eher wahrscheinlich, dass der EuGH in einigen | |
Wochen für ein freies Internet und gegen eine entschärfte Bowdler-Version | |
entscheiden wird. | |
26 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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