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# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in der Mongolei: Die Energie der Steppe
> Viele Mongolen leben als Nomaden. Doch die Wüste wächst, das Vieh stirbt.
> Die Präsidentschaftsanwärter wollen das Land zur Ökonation entwickeln.
Bild: Dieser Nomade hat seine Ziegen, doch ein Drittel der Mongolen lebt in Arm…
ULAAN BAATAR taz | Das weiche Gras liegt wie ein Flaum über der weiten
Steppenlandschaft von Hustai. Das Gebiet gehört zu einem von 48
Nationalparks in der Mongolei, 150 Kilometer südwestlich der Hauptstadt
Ulaan Baatar. Gelbe Steppenblumen blühen, Schafe grasen, es duftet nach
Lavendel.
Doch nur einige hundert Meter entfernt erstreckt sich eine mächtige
Sanddüne. „Noch vor fünf Jahren war die Wüste Hunderte von Kilometern
entfernt“, erzählt der Hirte Tsenddmor Sharavorji. Nun drohe sie den
Nationalpark zu verschlingen.
Die Mongolei ist einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. Der
Blick über das scheinbar endlose Grasland erweckt den Eindruck der
unberührten Natur. Der Schein trügt. Permafrostböden tauen, Quellen
versiegen. Kaum ein Land der Welt ist so vom Klimawandel betroffen wie die
Mongolei.
## Die Wälder versteppen
Der mittlere Temperaturanstieg in dem Steppenland liegt dreimal so hoch wie
im weltweiten Durchschnitt. Im Süden der Mongolei dehnt sich die Wüste Gobi
aus. Im Norden lichten sich die einst dichten Taigawälder und versteppen.
Dazwischen liegt das weite Grasland, eines der empfindlichsten Ökosysteme
der Welt.
Kleine Veränderungen haben weitreichende Folgen. Bleibt im Frühjahr der
Niederschlag aus, ist der Lebensraum der nomadisch geprägten Mongolen und
ihrer Herden bereits im Frühsommer versteppt. Knallt die Sonne noch im
September auf die Ebenen, zerbröselt die feine Schicht des Lösbodens und
der Wind weht ihn weg.
Übrig bleibt karstiges Gestein, auf dem im nächsten Frühjahr gar nichts
wächst. Und sind die wenigen Wasserquellen im Herbst versiegt, gibt es
keine Reserven mehr für den langen Winter. Die Vegetation vertrocknet und
hinterlässt ebenfalls Wüsten.
Die vergangenen beiden Winter mit Temperaturen von minus 50 Grad haben den
Nomaden hart zugesetzt. Allein in diesem Jahr erfror rund ein Viertel des
mongolischen Viehbestands. Dabei waren die mongolischen Hirten einst
bekannt für ihre präzisen Wetterprognosen. Dies sei nun nicht mehr möglich,
sagt der Hirte Sharavorji. „Das Wetter ist nicht mehr berechenbar.“
## Extreme Wetterschwankungen
Das Klima in der Mongolei ändert sich seit Jahrhunderten. Alte Schriften
berichten von einst blühenden und fruchtbaren Landschaften. Legendär war
die einstige Hauptstadt Karakorum, von der aus Dschingis Khan einst ein
Territorium von der Südspitze Vietnams bis Polen regierte.
Heute erstreckt sich die Wüste über die Stadt aus dem 13. Jahrhundert und
es sind nur Ruinen übrig. Wetteraufzeichnungen aber zeigen: So extrem wie
in den vergangenen Jahren hat das Wetter noch nie geschwankt.
Das extreme Klima hatte die Mongolen einst zum Nomadentum gezwungen. Wenn
bereits im September im Norden der Winter ausbricht, packen die Menschen
ihre Jurten und ziehen mit dem Vieh gen Süden. Und wenn es ab Mai wärmer
wird, kehren sie für die wenigen Sommermonate in den viel fruchtbareren
Norden zurück. Das ist seit Jahrhunderten so und die meisten Mongolen
lebten im Einklang mit der Natur.
## Millionen Pferde, Kamele, Yaks leben von der Steppe
Inzwischen ist das Nomadentum selbst Auslöser für die Umweltprobleme. Die
Bevölkerung ist gewachsen, die Zahl der Nutztiere ebenfalls. 20 Millionen
Schafe, Yaks, Pferde, Kamele ernähren sich von der Steppe. Vor allem die
Übergrasung trägt zur weiteren Versteppung bei. „Wir müssen den Hirten
beibringen, dass Futter für das Vieh nicht kostenlos zur Verfügung steht“,
sagt Umweltministerin Erdenechimeg Tegshjargal.
Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt vom Nomadentum. Das
Haushaltseinkommen der Hirtenfamilien liegt bei unter 200 Euro im Monat.
Viel brauchten sie bislang nicht, versorgten sie sich weitgehend selbst.
Mit der Verstädterung ändert sich das. Für die Kinder gilt die Schulpflicht
– was sie in die Hauptstadt zieht. Das wiederum verursacht Kosten für
Wohnungen und Lebensunterhalt.
Von den rund 3,2 Millionen Mongolen lebt jeder Dritte in Armut. Bei der
Präsidentschaftswahl am heutigen Mittwoch steht jedoch nicht die soziale
Frage im Vordergrund, sondern der Umweltschutz.
Besonders gute Chancen werden dem amtierenden Präsidenten Elbegdorj Tsahia
der Demokratischen Partei zugesprochen. Der 50-Jährige hat sich zum Ziel
gesetzt, die Mongolei zum ersten Ökostaat unter den Entwicklungsländern zu
machen. Bereits in wenigen Jahren soll der zentralasiatische Staat
Exporteur von regenerativ erzeugter Energie werden. Sonne und Wind gebe es
in der Steppe genug, lautet seine Logik. Die Energie müsse nur erschlossen
werden.
## Traum vom Energieerfolg wie in den Golfstaaten
Auch sein aussichtsreichster Gegenkandidat setzt auf das Thema Ökologie.
Badyambuugiin Baterdene von der Volkspartei, ein bekannter ehemaliger
Ringkämpfer, will seinen Kontrahenten sogar toppen. Nicht erst in einigen
Jahren, sondern unverzüglich sollen weitere Windparks entstehen,
Solaranlagen aufgestellt und Stromtrassen gelegt werden.
Baterdenes Vision: Ein Staat, der auf einer Stufe mit den reichen
Golfstaaten steht. Statt Öl soll die Mongolei Wind- und Sonnenstrom
ausführen.
Ein ehrgeiziges Ansinnen. Die meisten Stromleitungen stammen noch aus
Sowjetzeiten. Und auch die Straßen sind in einem miserablen Zustand. 40
Tage hätten seine Mitarbeiter gebraucht, die Rotoren der Windräder aus dem
benachbarten China über die Steppe zu transportieren, berichtet der
deutsche Ingenieur Jöran Blüthe vom Firmenkonsortium Clean Energy, das den
ersten Windpark in der Mongolei errichtet hat.
## Goldabbau mit Quecksilber verseucht die Flüsse
Ein weiteres Problem stellt der Bergbau dar. Der Abbau von Gold, Kupfer und
Steinkohle boomt aufgrund der weltweiten Nachfrage der vergangenen Jahren
und hat sich inzwischen zur wichtigsten Einnahmequelle der Mongolei
entwickelt. Vor allem das Schürfen von Gold mit giftigem Quecksilber hat
Flüsse und Landstriche verseucht.
Inzwischen lebt mehr als zehn Prozent der Bevölkerung vom Goldabbau. Zwar
ist die Regierung dabei, mithilfe des Umweltprogramms der Vereinten
Nationen nur noch Minen zuzulassen, in denen auf Quecksilber verzichtet
wird. Doch viele Minen werden wild betrieben und entziehen sich damit der
staatlichen Kontrolle. Auch hier lässt das Nomadentum grüßen.
Beide Präsidentschaftskandidaten bekennen sich zum Umweltschutz. Wie sie
ihn jedoch in Einklang mit dieser lukrativen Einnahmequelle bringen wollen,
beantworten sie nicht. Das Gold steht dem Aufstieg der Mongolei zur
Ökonation im Weg.
26 Jun 2013
## AUTOREN
Felix Lee
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