# taz.de -- Kommissar über Menschenhandel: „Nur Nebensächlichkeiten geregel… | |
> Die Koalition wollte Zwangsprostituierte besser schützen. Doch die | |
> Gesetzesänderung taugt nichts, meint Kriminalkommissar Helmut Sporer. | |
Bild: Menschenhandel ist kein Verwaltungsunrecht, sondern Sache der Polizei, sa… | |
taz: Herr Sporer, es heißt ja oft, dass das Prostitutionsgesetz von 2002 | |
Menschenhandel begünstigt hätte, weil es Polizeikontrollen erschwert habe. | |
Stimmt das? | |
Helmut Sporer: Das ist etwas unpräzise. Fakt ist, dass vieles, was zuvor | |
als Zuhälterei gegolten hätte und damit einen Anfangsverdacht dargestellt | |
hätte, nun legal ist. Die Ermittlungen wegen Zuhälterei waren aber früher | |
oft der Einstieg in ein Menschenhandelsverfahren. Dieses Werkzeug fehlt | |
nun, deshalb ist die Verfolgung des Menschenhandels schwieriger. | |
Außerdem hat das Gesetz dem Bordellbetreiber ein „eingeschränktes | |
Weisungsrecht“ zugebilligt. Nur ganz gravierende Weisungen sind untersagt, | |
etwa der Befehl, einen bestimmten Freier zu bedienen. Aber es gibt einen | |
großen Graubereich. Und die Frauen aus Südosteuropa, die wenig Deutsch | |
sprechen, können nicht erkennen, wo die legale Anweisung endet und die | |
illegale anfängt. | |
Nun haben wir eine neue Gesetzesänderung: Kann der Entwurf, der Donnerstag | |
im Bundestag verhandelt wurde, diese Probleme lösen? | |
Der Gesetzentwurf ist untauglich. Beim Menschenhandel werden nur | |
Marginalien neu geregelt. Und für völlig falsch halte ich die Verankerung | |
der Prostitution im Gewerberecht. Menschenhandel ist kein | |
Verwaltungsunrecht, das durch die Gewerbeämter geregelt werden kann. Das | |
muss Sache der Polizei bleiben. | |
Es geht nicht darum, zu kontrollieren, ob ein Feuerlöscher da ist oder die | |
Raumtemperatur stimmt. Sondern man muss feststellen, ob die Frauen Opfer | |
von Menschenhandel sind. Oder ob sie unter Druck gesetzt werden. Es werden | |
nur Nebensächlichkeiten geregelt. Es geht aber um etwas ganz anderes. Die | |
Prostitution bleibt weiter dereguliert. | |
Was müsste aus Ihrer Sicht geändert werden? | |
Das Weisungsrecht hat sich als verhängnisvoll erwiesen. Die Frau muss | |
wieder vor Eingriffen der Betreiber geschützt werden. | |
Und wie macht man das? | |
Die Prostitution sollte nur noch als selbstständige Tätigkeit ausgeübt | |
werden können. Die Einflussnahme muss untersagt sein, so wie früher. | |
Aber selbstständige Prostituierte können Sie doch auch schlecht | |
kontrollieren, oder? | |
Deshalb brauchen wir eine Anmeldepflicht für die Frauen. Und der Betrieb | |
eines Bordells muss genehmigungspflichtig werden – nicht nur | |
„überwachungsbedürftig“, wie es jetzt im Gesetzentwurf steht. Und dazu | |
müssen auch Gesundheitsuntersuchungen gemacht werden, die Infektionsraten | |
steigen dramatisch, seit die Gesundheitsprüfung freiwillig geworden ist. | |
Nun wissen aber die jungen Ukrainerinnen dann immer noch nichts von ihren | |
Rechten. | |
Deshalb müssen wir eine höhere Altersgrenze festlegen. Unsere Erfahrung | |
zeigt, dass gerade die 18- bis 21-Jährigen sich sehr viel gefallen lassen | |
und oft zu Opfern von Menschenhandel werden, die älteren Frauen können sich | |
meistens ganz gut wehren. Die Grenze muss mindestens auf 21 Jahre angehoben | |
werden. | |
Warum steht nichts davon in der Gesetzesänderung? | |
Das möchte ich auch wissen. Die Grünen hier in Baden-Württemberg haben zum | |
Beispiel sehr ähnliche Forderungen wie wir. Die haben zwar das | |
Prostitutionsgesetz damals gemacht, aber sie geben zu, dass da Fehler | |
gemacht wurden. Warum die Koalition nur so wenig durchsetzt, da müssen Sie | |
sie selbst fragen. | |
28 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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