# taz.de -- Die Wahrheit: Feierabend im Baumarkt | |
> Schwabinger Krawall: Wie man nicht vom Praktikanten zum Theoretikanten | |
> aufsteigt und warum stattdessen der Kittel in einen Papierkorb flog. | |
Bild: Wo Krankheit und Siechtum drohen, da ist Daniel Bahr nicht weit. | |
Die Eltern vom Jackie haben einen Riesenterror gemacht, wie sie ihn | |
nachmittags bei offener Wohnungstür auf dem Teppich schlafend vorgefunden | |
haben. Sein Vater hat gefragt, was er eigentlich arbeitet, und da ist er so | |
erschrocken, dass er statt der Milch ein Bier aus dem Kühlschrank genommen | |
und den Irrtum erst nach dem zweiten Schluck bemerkt hat. Das sei der | |
Gipfel, hat sein Vater getobt, und wenn er nicht am Montag aufs Arbeitsamt | |
gehe, sei der Ofen aus. | |
Also hat der Jackie den Hubsi angerufen, ob er schon mal auf dem Arbeitsamt | |
war. Der Hubsi hat gesagt, Arbeit sei nur was für Wahnsinnige, Geld kriege | |
man dafür keines, und soweit er gehört habe, gebe es ein Arbeitsamt sowieso | |
nicht mehr, sondern nur so einen Servicepoint, also solle der Jackie lieber | |
schauen, dass er nüchtern werde, weil abends die Sause vom Auspuff-Hansi | |
sei, wo es Gratissekt ohne Ende gebe. | |
Der Jackie hat aber so Angst gehabt, dass er im Telefonbuch nachgeschaut | |
und bei einer „Arbeitsagentur“ gefragt hat, wo das Arbeitsamt ist, und da | |
hat er einen Termin am Montag um acht gekriegt. Dann ist er mit dem Hubsi | |
zu der Sause und noch wohin und noch wohin, und am Ende hat er, weil er | |
„Kapuzinerstraße“ nicht mehr sagen hat können, dem Taxifahrer einen | |
zerknitterten Zettel hingehalten, ist um dreiviertel acht in die | |
Arbeitsagentur hineingetorkelt und in ein Zimmer zu einer Dame geschickt | |
worden. | |
Die Dame hat gefragt, ob er einen Abschluss habe, und der Jackie hat | |
erklärt, so alt sei er noch nicht, dass er irgendwas als abgeschlossen | |
betrachten könne. Da hat sie ihm eine Adresse gegeben und gesagt, dort | |
solle er sich melden. Also ist der Jackie zu einem Baumarkt in | |
Milbertshofen geradelt, wo ihm eine hübsche Abteilungsleiterin einen blauen | |
Kittel gegeben und gesagt hat, er solle in der Gartenabteilung gießen. Das | |
ist dem Jackie bald langweilig geworden, und so hat er zu der | |
Abteilungsleiterin gesagt, ihm sei von der Arbeit total heiß und ob er ein | |
Bier haben könne, dass sie eine süße Maus sei und dass er mit ihr seinen | |
Einstand feiern wolle, dass er mit der Arbeit eigentlich fertig sei und ob | |
er sein Geld haben könne. | |
Die Abteilungsleiterin hat gesagt, Feierabend sei um acht, und für | |
Praktikanten gebe es kein Geld, und da wollte der Jackie fragen, wie man | |
vom Praktikant zum Theoretikant wird, aber weil er das Wort noch nie gehört | |
hat, hat er den Kittel in einen Papierkorb geworfen und ist gegangen. | |
Am Chinesischen Turm hat er sich eine Maß gekauft und den Hubsi gefragt, | |
woher er gewusst habe, dass man für Arbeit heutzutage kein Geld mehr | |
kriege, wo er doch noch nie einen Finger gerührt habe. Nach der dritten Maß | |
sind sie nach Milbertshofen geradelt, um die Abteilungsleiterin abzuholen, | |
haben sich aber so verirrt, dass der Jackie den Baumarkt nicht mehr | |
gefunden hat, und wie sie gegen Mitternacht in Feldmoching gelandet sind, | |
sich an einer Tankstelle vier Bier geholt haben und in der Morgendämmerung | |
im S-Bahn-Wartehäuserl aufgewacht sind, hat er sich gedacht, dass das wohl | |
auch besser so war. | |
11 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Sailer | |
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