| # taz.de -- Die Wahrheit: Kernkompetentes Poltern | |
| > Das Amt hat Herrn Reithofer wegrationalisiert, jetzt sitzt er den ganzen | |
| > Tag zu Hause und ist brummig. Und dann kommt auch noch der Schwager zu | |
| > Besuch. | |
| Bild: Wenn Landfrauen sich etwas in den Kopf gesetzt haben, sollte man ihnen tu… | |
| Das Amt, in dem Herr Reithofer seit 1975 arbeitet, ist kein Amt mehr, | |
| sondern eine Firma, die beschlossen hat, eine effektive Firma zu werden und | |
| die Abteilung von Herrn Reithofer abzuschaffen. Seitdem sitzt Herr | |
| Reithofer den ganzen Tag zu Hause und ist brummig. | |
| Ein Amt, sagt seine Frau, könne man doch nicht abschaffen, und Herr | |
| Reithofer grummelt etwas von „Kernkompetenzen“ und dass es, weil der Bürger | |
| kein Bürger, sondern bloß noch Kunde sei, keinen Anspruch mehr gebe, | |
| sondern nur noch Dienstleistungen, die man an andere Dienstleister abgeben | |
| könne, notfalls in Indien oder Kentucky. Frau Reithofer versteht kein Wort, | |
| weil das Telefon klingelt. | |
| Ihr Bruder aus Frankfurt komme am Samstag zu Besuch, kündigt sie an. Wieso | |
| das sein müsse, fragt Herr Reithofer, was er besser nicht gefragt hätte, | |
| weil seine Frau jetzt weiß, dass er ihren Geburtstag vergessen hat. Es | |
| könne gar nicht schaden, schreit sie, wenn sein Schwager, der bei einer | |
| Unternehmensberatung tätig sei, ihm Dampf mache. | |
| Er brauche keinen Dampf, brüllt Herr Reithofer, schon gar nicht den, den | |
| dieser aufgeblasene Kerl daherplaudere. Wenn der Hallodri in seinem Haus | |
| das Wort „Roland Berger“ in den Mund nehme, werfe er ihn hochkant zum | |
| Fenster hinaus. Er solle wenigstens endlich aufs Arbeitsamt gehen, jammert | |
| sie. Er sei 52, tobt er, und so weit komme es noch, dass er im Luitpoldpark | |
| den Hundedreck aus den Rosenrabatten klaube. | |
| Um seine Nerven zu beruhigen, teilt er seiner Frau mit, er mache einen | |
| Spaziergang. Dann, sagt sie, könne er für Samstag ein paar Sachen | |
| mitbringen. Als er die Einkaufsliste sieht, gerät er erneut außer sich: | |
| „Lachs! Avocados! Wein! Und mitten im Sommer Sellerie! Sind wir die Familie | |
| Rockefeller?“ Einem Geburtstagsbesuch, schreit sie, müsse man was bieten, | |
| zumal wenn dieser einen gewissen Luxus gewöhnt sei. Dann, brüllt Herr | |
| Reithofer, solle der seinen Luxus selber mitbringen, schließlich bekomme er | |
| zu seinem Gehalt das von Deppen wie ihm noch dazu, nachdem er sie auf die | |
| Straße gepfeffert habe. | |
| Was ihr Bruder mit seinem Amt zu tun habe, fragt Frau Reithofer. Um so was | |
| zu verstehen, sei sie zu blöd, grummelt er und setzt sich vor den | |
| Fernseher, in dem eine junge Leistungssportlerin ihren verblüfften | |
| Mitsportlerinnen erklärt, ihr Molkedrink schmecke ihr lecker. „Mir auch!“, | |
| brüllt Herr Reithofer. Seine Frau geht selber einkaufen. | |
| Um den Lachs tut es ihr hinterher leid, denn es stellt sich heraus, dass | |
| die Unternehmensberatungsfirma beschlossen hat, sich auf ihre | |
| Kernkompetenzen zu konzentrieren und die Abteilung ihres Bruders | |
| abzuschaffen, der daher seit acht Wochen in der Imbissbude „Weck & Worst“ | |
| im Frankfurter Bahnhof jobbt. | |
| Als ihr Mann das erfährt, ist er so begeistert, dass er den Bruder spontan | |
| auf ein Bier einlädt. Als die beiden Männer nach Mitternacht lauthals die | |
| Treppe heraufpoltern, steht der Lachs noch immer auf dem Tisch, ist | |
| ziemlich vertrocknet, und Frau Reithofer erwacht vor dem Fernseher, in dem | |
| jemand sagt, wenn sie es hart brauche, müsse sie bloß anrufen. | |
| 20 Jun 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Sailer | |
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