# taz.de -- Krieg im Kongo: Geschändete Leichen | |
> In den Hügeln außerhalb der Metropole Goma feiert die Regierungsarmee | |
> ihren Sieg gegen die M23-Rebellen. Doch die Schlacht ist noch lange nicht | |
> gewonnen. | |
Bild: Regierungssoldaten auf dem Weg zur Front bei Goma. | |
GOMA taz | Es herrscht Siegesstimmung an der Front. Grölend schänden | |
Soldaten der Regierungsarmee die Leiche eines gefallenen Rebellen der M23 | |
(Bewegung des 23.März) am Straßenrand. Seit Sonntag toben einige Kilometer | |
nördlich der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma die heftigsten Kämpfe | |
dieses Jahres zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Es ist der Armee | |
gelungen, die M23 um einige Kilometer zurückzudrängen. | |
Doch die Schlacht ist noch lange nicht gewonnen. Während beide Seiten sich | |
reorganisieren, Munitionsnachschub an die Front liefern und Leichen bergen, | |
schweigen die Bomben und Maschinengewehre am Dienstag für einige Stunden. | |
Armeegeneral Lucien Bauma bespricht unter einem Mangobaum mit seinen | |
Offizieren die Strategie. Armeesprecher Oberst Olivier Hamuli nutzt die | |
Gelegenheit, seine Siegestrophäen der Presse vorzuführen: Achtlos lassen | |
seine Soldaten Leichen toter Rebellen von einem Lastwagen in den Staub | |
fallen. „Das sind Ugander und Ruander“, behauptet Hamuli. | |
Als Beweis führt er an, man habe Armeeausweise dieser Länder in den Taschen | |
der Gefallenen gefunden. Doch er kann die Identitätskarten nicht auf Anhieb | |
vorzeigen. UN-Ermittler sowie Kongos Regierung behaupten, die M23 werde von | |
den Nachbarländern unterstützt. Doch es ist weiterhin schwierig, handfeste | |
Beweise zu finden. | |
## Den Sieg auskosten | |
Hamuli präsentiert Kriegsgefangene. Ein schwer verletzter Rebell liegt auf | |
einer Bahre, seine Beine sind verbunden, eine Infusion steckt in seinem | |
Arm. Nun zwingt der Armeesprecher ihn, den Journalisten seine Geschichte zu | |
erzählen – er krümmt sich vor Schmerzen, während er ein paar belanglose | |
Sätze stammelt. Kein Zweifel, dass die Armee ihren derzeitigen Erfolg, den | |
größten seit Beginn des Krieges gegen die M23 vor über einem Jahr, auch | |
entgegen der Genfer Konvention voll auskosten will. | |
Erst im November 2012 hatte die Armee die Millionenstadt Goma kurzzeitig an | |
die Rebellen verloren. Seitdem wurde die Befehlskette neu geordnet, die | |
Truppe neu aufgestellt und ausgerüstet. „Wir werden die M23-Rebellen | |
erledigen, das ist unser Ziel“, sagt Hamuli jetzt. | |
Das kann sich leicht zu einem Flächenbrand entzünden. Am Montag hat Kongos | |
Regierungsarmee laut Angaben der ruandischen Armee zwei Bomben über die | |
Grenze ins Nachbarland gefeuert. Sie landeten auf Gemüseäckern in der Nähe | |
zweier Dörfer, sagt Ruandas Militärsprecher Joseph Nzabamwita. „Wir haben | |
Kongos Regierung und die Monusco (UN-Mission im Kongo) kontaktiert, um | |
solche Aktionen zu unterlassen.“ | |
## Die UN greift nicht ein | |
Laut verschiedener Quellen hat Ruanda bereits Tausende Soldaten an der | |
Grenze zu Kongo aufgefahren. Die Stationierung tansanischer und | |
südafrikanischer Truppen auf der kongolesischen Seite im Rahmen einer neuen | |
„robusten“ UN-Eingreiftruppe wird von Ruanda als Bedrohung wahrgenommen. | |
Ruandas Regierung beschuldigt Tansanias Armee, mit Ruandas Erzfeinden, der | |
Hutu-Miliz FDLR (Demokratischen Kräften zur Befreiung Ruandas) | |
zusammenzuarbeiten. | |
Obwohl die UN-Eingreiftruppen fast startklar um Goma herum stehen, sind sie | |
noch nicht aktiv in die Kampfhandlungen verwickelt. Sie greifen auch nicht | |
ein. Lediglich drei UN-Panzer sind unterhalb der Frontlinie nördlich von | |
Goma stationiert. UN-Blauhelme beobachten von den Hügeln oberhalb der Front | |
die Lage. Die UN-Straßensperre, die bislang an der Frontlinie im Dorf | |
Kanyarucina nördlich von Goma Regierungstruppen und M23-Rebellen trennte, | |
ist leer. | |
Die UN unterstützt die Armee mit Logistik und | |
Hubschrauberaufklärungsflügen, um die Truppenbewegungen der M23 zu | |
verfolgen, sagt ein UN-Militärsprecher. „Unsere Stellungen wurden von | |
UN-Hubschraubern bombardiert“, beschwert sich hingegen M23-Sprecher Amani | |
Kabasha. UN-Quellen sagen wiederum, die Schüsse kämen aus Hubschraubern der | |
Armee. Alle Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Doch es ist schwer, die | |
Wahrheit in diesem Sumpf aus Propaganda herauszufinden. | |
Gesichert ist eines: Die Bevölkerung leidet. Zwar ist derzeit nichts über | |
zivile Opfer der Kämpfe bekannt, doch Tausende Menschen rennen seit | |
Ausbruch der Kämpfe am Sonntag aus den Dörfern entlang der Frontlinie nach | |
Goma: Kinder, Frauen, Männer, Alte. Behinderte und Greise, die nicht laufen | |
können, bleiben allein in den Siedlungen zurück. | |
16 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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