# taz.de -- Qualität und Betreuung: Meiner kommt nicht in die Kita | |
> Die Zahl der Krippenplätze wächst, aber Erzieher fehlen. Studien geben | |
> den Einrichtungen nur befriedigende Noten. Ein missachteter Skandal? | |
Bild: Er hat gut lächeln: Wird zu wenig über Qualität in Kitas geredet? | |
Die Zahlen sind eindrucksvoll. Eindrucksvoll schlecht. Ganze drei Prozent | |
der deutschen Krippen kann man als gut bezeichnen, hat die Nationale | |
Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit | |
gerade herausgefunden. Was in dieser Woche als Ergebnisse der Nubbek-Studie | |
Schlagzeilen machte, wirkte wie ein Kommentar zu den positiven Nachrichten, | |
die Familienministerin Kristina Schröder in der vergangenen Woche hatte | |
präsentieren wollen. Es gebe genug Krippenplätze. | |
Selbst, wenn das so wäre – denn auch daran zweifeln etwa Vertreter der | |
Städte – 85 Prozent der bisherigen Plätze sind bestenfalls mittelmäßig. | |
Zwölf gelten laut der Nubbek-Untersuchung als schlecht. | |
Je näher der 1. August rückt, jener Termin, an dem die neue | |
Kitaplatz-Garantie zu greifen beginnt, desto klarer zeigt sich, dass es | |
neben dem einen Problem, über das seit Monaten diskutiert wird, ein | |
wesentlich größeres zweites existiert: Es geht nicht nur darum, für alle | |
Eltern, die das möchten, eine Kinderbetreuung zu finden. Es geht auch | |
darum, zu welchen Konditionen diese Betreuung stattfindet. | |
## Riesengedöns, aber Verwahranstalten? | |
Darüber allerdings ist bisher kaum gesprochen worden. Zumindest nicht in | |
der Öffentlichkeit. Wissenschaftlerinnen diskutieren solche Fragen | |
spätestens seit den Neunzigern. Wann ist der richtige Zeitpunkt, sich von | |
seinem Kind zu trennen? Wie viele Erzieher sollten darauf aufpassen? Was | |
genau müsste in einer guten Kita passieren? | |
Der Spiegel hat es Anfang der Woche so behauptet: „Obwohl die Politik ein | |
Riesengedöns um das Thema macht, sind viele Kitas Verwahranstalten.“ | |
Wie schwierig es ist, offen über das Thema zu diskutieren, hat auch | |
sonntaz-Autorin Jana Petersen gemerkt, als sie beschloss, ihren Sohn doch | |
nicht in die Kita zu geben – anders als ursprünglich geplant. | |
## Ost gegen West. Herman gegen Schwarzer | |
## | |
Sie hat sich durch die Forschung zu dem Thema gelesen, hat mit der | |
Bindungsforscherin Karin Grossmann gesprochen, die mit ihrem Mann eine | |
außergewöhnliche Langzeitstudie auswerten konnte, hat die Meinung von | |
Neurologen und Hirnforschern gehört und beschloss schließlich: Ich möchte | |
das nicht. Obwohl sie eigentlich gerne wieder arbeiten würde. | |
Als sie dann ihren Verwandten und ihren Freunden von ihrer Entscheidung | |
erzählte, wurden die Gespräche schnell sehr emotional. Wenn Mütter darüber | |
reden, wie ihre Kinder betreut werden, schwingt oft ein Vorwurf mit. Ach, | |
so machst du das? Was verstanden werden kann als: Ich mache das aber ganz | |
anders. Viel sinnvoller. Der Graben vertieft sich dann schnell, auch wenn | |
die Diskussion über Generationen hinweg verläuft. Wenn die Großmütter | |
berichten, wie sie das immer gemacht haben und warum es unverantwortlich | |
ist, das so oder eben anders zu handhaben. Und plötzlich geht es Ost gegen | |
West, Eva Herman gegen Alice Schwarzer. | |
Wie entkommt man diesem Ideologiestreit? | |
Es sei doch völlig egal, auf welcher Seite man steht, schreibt Petersen in | |
der aktuellen Titelgeschichte der taz.am wochenende. „Weil weder das eine | |
noch das andere stimmt. Weil zu allen Zeiten Frauen gearbeitet haben. Und | |
weil sie den Großteil der Zeit eine gute Betreuung hatten: den Stamm, das | |
Dorf, die Großfamilie. Bis zur Industrialisierung.“ | |
Diese Bedingungen, glaubt Petersen, müssten wir wieder herstellen: „Wenn | |
ein Kleinkind in der Kopie einer Familie betreut wird, wie es unsere Zeit | |
erfordert, dann sollte diese Kopie nah am Original sein.“ | |
In der Kita-Realität sieht es derzeit aber so aus, dass Eltern sich nicht | |
nur in Großstädten bei dutzenden Einrichtungen anmelden, um am Ende froh zu | |
sein, dass sie überhaupt einen Platz bekommen. Die Frage nach Qualität | |
wirkt da schnell wie ein irrwitziger Luxus. | |
## Einfach nicht so anstellen | |
Zumal es natürlich auch die andere Position gibt: Jene, die sagen, man | |
solle sich doch nicht so anstellen. In Frankreich laufe das doch alles | |
ordentlich, da würden die Kinder schon viel früher aus der Familie gegeben. | |
Und zeigen nicht Studien wie kürzlich eine aus Norwegen, dass gerade die | |
sozial Schwachen profitieren, wenn sie in Kitas aufwachsen? | |
Aber in welchen? Könnte man da wieder entgegnen. | |
Ist diese Qualitätsdiskussion eine von Mittelschichtseltern, die es sich | |
halt einfach leisten können? Was soll so schlecht sein an einer | |
mittelmäßigen Kita? Oder ignorieren viele gerade einen Skandal in der | |
frühkindlichen Erziehung, weil niemand den Kita-Konsens infrage stellen | |
will, den ja nun selbst eine CDU-Ministerin zementiert hat? Weigern sich | |
manche Eltern, allzu genau hinzusehen, weil sie sonst das System | |
hinterfragen müssten, dass es ihnen ermöglicht, zu arbeiten? | |
Was meinen Sie? | |
Die Titelgeschichte „Meiner kommt nicht in die Kita“ lesen Sie in der | |
[1][//:taz.am wochenende vom 20./21. Juli 2013]. | |
19 Jul 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://onlinetaz.hal.taz.de/http | |
## AUTOREN | |
Johannes Gernert | |
## TAGS | |
Kita | |
Kitaausbau | |
Kitaplatz | |
Mütter | |
Alice Schwarzer | |
#Aufschrei | |
Feminismus | |
Familienpolitik | |
Kita-Ausbau | |
Kita-Ausbau | |
Kitaplatz | |
Kitaausbau | |
Pädagogik | |
Kitaausbau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Studie zur Familienpolitik: Eltern wollen mehr Ganztagsschulen | |
Mütter und Väter wollen mehr Kinderbetreuung, zeigt der „Familienmonitor“. | |
Tagesmütter sind sie aber keine Alternative zur Kita | |
Rechtsanspruch auf Kita-Plätze: Der Kampf um den Ortskern | |
„Wir sind nicht gegen Kitas“, sagt Nadja Weippert, die selbst ein Kind hat. | |
Sie ist nur gegen diese Kita, an dieser Stelle. Ein Frontbesuch in Tostedt. | |
Lange Wege in Sachsen: Mega-Kita und Container-Krippen | |
Sachsen steht beim Kitaplatzausbau verhältnismäßig gut da – auf dem Papier. | |
Denn Eltern müssen für einen freien Platz oft lange Wege in Kauf nehmen. | |
Zertifikate für Kitas: „Überstülpen funktioniert nicht“ | |
Wie machen sich deutsche Kitas im Vergleich? So mittel, sagt die Forscherin | |
Katharina Kluczniok. Und: Ein Gütesiegel wäre sinnvoll. | |
Ausbau der Kitas: Auf 48 Plätze 1500 Anmeldungen | |
Zwei Frauen eröffnen in München eine eigene Kinderkrippe. Der Andrang ist | |
enorm. Doch eine Hürde ist besonders hoch. Ein Protokoll. | |
Pädagoge über Grundschulen: Rent a Lehrer (männlich) | |
Das Lehramtsstudium für Grundschulen ist unattraktiv für Männer. Mehrere | |
Projekte an Universitäten bemühen sich, das zu ändern. Christoph Fantini | |
macht in Bremen mit. | |
Rechtsanspruch Kitaplatz: Wer passt auf die Racker auf? | |
Berlin schafft zwar neue Kitaplätze, um dem Rechtsanspruch auf Betreuung | |
gerecht zu werden – aber es fehlt an ErzieherInnen für die Kleinen. | |
Fehlende Kita-Plätze in NRW: Die Tagesmütter sollen es richten | |
Weil es in Nordrhein-Westfalen nicht genug Kita-Plätze gibt, werden die | |
Eltern an teure Tagesmütter verwiesen. Einige lassen ihre Kinder da lieber | |
zu Hause. |