| # taz.de -- Rechtsanspruch Kitaplatz: Wer passt auf die Racker auf? | |
| > Berlin schafft zwar neue Kitaplätze, um dem Rechtsanspruch auf Betreuung | |
| > gerecht zu werden – aber es fehlt an ErzieherInnen für die Kleinen. | |
| Bild: Einen Sack voll Flöhe hüten ist leichter. | |
| 25 neue Kitaplätze für Pankow, 33 für Neukölln – fast wöchentlich meldet | |
| Bildungs- und Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) derzeit den Stand ihrer | |
| Bemühungen um mehr Kinderbetreuung. Denn die Zeit drängt: Ab Anfang August | |
| haben Eltern ein- bis dreijähriger Kinder bundesweit einen Rechtsanspruch | |
| auf Betreuung ihrer Kleinen. Wie viele zusätzliche Kitaplätze in Berlin | |
| dafür tatsächlich nötig sind, weiß zwar keiner genau. Denn zentral erfasst | |
| werden Suchende in Berlin noch nicht. Ein entsprechendes EDV-Verfahren soll | |
| erst zum Jahresende in Berlin umgesetzt werden (siehe Kasten). Die Planung | |
| neuer Plätze bleibt damit ein Stochern im Nebel. | |
| Dabei gibt es natürlich Hinweise auf wachsenden Bedarf – etwa, wenn junge | |
| Familien verstärkt in bestimmte Wohngebiete ziehen. Haselhorst ist so ein | |
| Fall: In dem Bezirksteil von Spandau hat die städtische | |
| Wohnungsbaugesellschaft Gewobag Mietwohnungen saniert, die auch für | |
| einkommensschwächere Familien noch bezahlbar sind. In dem ruhigen | |
| Wohngebiet mit viel Grün lassen sich Familien mit Kindern gern nieder. Im | |
| Bedarfsatlas für Kitaplätze rangiert das Gebiet unter der Klassifizierung | |
| „3 +“. Das bedeutet: Noch reichen die Kitaplätze. Doch der Zuzug von | |
| Familien macht absehbar, dass das nicht mehr lange der Fall sein wird. | |
| Ihre Warteliste platze schon lange „aus allen Nähten“, sagt Sabine Koß | |
| fröhlich. Koß leitet die Evangelische Kita in Haselhorst, 89 Kinder, 16 | |
| ErzieherInnen auf derzeit knapp 320 Quadratmetern „pädagogischer Fläche“ … | |
| Haus. Fröhlich ist Koß, weil ihre Kita zu denen gehört, die im Zuge der | |
| Aufstockung des Berliner Platzangebots erweitert werden. Um 50 Quadratmeter | |
| wird durch Umbauten in dem von Gartenspielplätzen umgebenen Kitahaus die | |
| pädagogisch nutzbare Fläche erweitert – Flure werden dafür verkleinert, | |
| Wirtschafts- und Sporträume in das Souterrain des Gebäudes verlegt. | |
| Für die 31 Plätze, die dadurch neu geschaffen werden, könnte Koß auf der | |
| Stelle Interessenten finden. Genau deshalb wollte sie die Erweiterung: „Es | |
| fällt einem schwer, verzweifelte Eltern immer wieder nach Hause zu | |
| schicken“, sagt die 51-Jährige. Das wird sie allerdings einige Zeit lang | |
| noch tun müssen. Denn vor Oktober 2014 wird der Umbau der Kita kaum fertig | |
| sein. Klappt das, hat der Vergrößerungsprozess insgesamt zweieinhalb Jahre | |
| gedauert: vom Vorbereiten der Anträge bis zur Fertigstellung. Zehn Monate | |
| dauerte allein die Bewilligung des Antrags: Stellungnahmen | |
| unterschiedlicher Behörden mussten eingeholt, Unterlagen nachgereicht | |
| werden. Warum das trotz in Berlin dringend benötigter Plätze so lange | |
| dauerte, könne sie nicht erklären, sagt Sabine Koß: „Das ist für uns nicht | |
| nachvollziehbar.“ | |
| ## Viele Stellen unbesetzt | |
| Dass zwischen Bewilligungsbescheid und Bauende noch fast eineinhalb Jahre | |
| liegen werden, hat für die Kitaleiterin allerdings auch Vorteile. Denn sie | |
| hat nun ein ganz anderes Problem zu bewältigen: „31 neue Plätze, das | |
| bedeutet vier bis fünf zusätzliche Erzieherinnen oder Erzieher“, sagt Koß. | |
| Die genaue Zahl hängt ab von Alter und Betreuungsbedarf der neuen Kinder. | |
| Und diese Erzieher zu finden wird nicht leicht werden: Aktuell seien | |
| bereits etwa 5 Prozent der ErzieherInnenstellen in der Stadt unbesetzt, | |
| schätzt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Hunderte | |
| Kitaplätze“ könnten nicht vergeben, weil das Fachpersonal dafür fehle, sagt | |
| die Berliner GEW-Vorsitzende Doreen Siebernick. Berlin habe „verschlafen“, | |
| die Ausbildungszahlen in dem Beruf angemessen zu steigern. Zudem seien | |
| Arbeitsbedingungen, Bezahlung und gesellschaftliche Anerkennung des Berufs | |
| schlecht. | |
| „Der Beruf muss attraktiver gemacht und dadurch aufgewertet werden“, findet | |
| auch Sabine Koß – ebenso, dass dazu unbedingt eine bessere Bezahlung | |
| gehört. Die Kitaleiterin, selbst mit Anfang 40 als Quereinsteigerin nach | |
| einer Banklehre in den pädagogischen Beruf gekommen, will deshalb in die | |
| Gewerkschaft eintreten, „weil die dabei hilft“. | |
| Immerhin geben die Verzögerungen bei der Antragsbewilligung und der dadurch | |
| späte Baubeginn der Kitaleiterin viel Zeit, ihr Personalproblem zu lösen. | |
| Zwei neue Erzieherinnen bildet die Kita derzeit selbst aus: | |
| Quereinsteigerinnen, die berufsbegleitend ihre Ausbildung absolvieren. Drei | |
| Tage arbeiten die jeweils in der Kita, zwei Tage sind sie in der | |
| Berufsschule. Die übrigen neuen Kräfte hofft Koß über „unsere gute | |
| Zusammenarbeit mit Berufsfachschulen“ decken zu können. Eins stünde für sie | |
| jedenfalls fest, sagt Kitaleiterin Koß. Auch wenn sie sich über die | |
| Möglichkeit, mehr Kinder aufzunehmen, freue: „Vergeben kann und werde ich | |
| die Plätze erst, wenn ich das nötige Personal dafür habe.“ | |
| 17 Jul 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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