# taz.de -- Queere Compilation: Frech, wütend und explizit | |
> Der Sampler des queeren Magazins „Hugs and Kisses“ feiert die | |
> Unterschiede der Interpreten. Er eignet sich für die Party wie für den | |
> Ohrensessel. | |
Bild: Durchgehend tanzbar: Hugs and Kisses. | |
Das queere Lifestyle-MagazinHugs and Kisses veröffentlicht seine erste | |
eigene Compilation. Nach dem Motto „Tender to all gender“ sammelte die | |
Redaktion 16 Interpreten, die allesamt schon mal auf den Magazinseiten | |
porträtiert wurden. Herausgekommen ist eine bunte Palette an Stilen und | |
Sounds. Ob schwul, lesbisch oder transgender, ausgeschlossen wird hier | |
niemand. | |
Vertreten sind neben Newcomern wie dem Duo Tubbe (Audiolith Records) auch | |
über die Szene hinaus etablierte Acts wie die Berliner Rapperin Sookee und | |
der kanadische Star Peaches. Das US-Techno-Duo Scream Club verkörpert zum | |
Beispiel eine Genre-übergreifende Mischung aus Punk, HipHop und | |
elektronischem Pop und lässt den Wind der Do-it-yourself-Mentalität stark | |
durch ihre Optik wehen. | |
Momentan arbeiten die Musikerinnen in Berlin an ihrem vierten Album. Ihre | |
Pseudonyme Cindy Wonderful und Sarah Adorable sowie ihre optische | |
Inszenierung als Fashionista vs. Tomboy lassen erahnen, dass sie sich nicht | |
an Konventionen halten. Laut Homepage lernten sich die beiden 2002 in einem | |
Sexshop in Olympia, Washington, Ursprung der Riot-Grrrl-Bewegung, kennen | |
und wurden Freundinnen. | |
Auf dem Sampler gibt es einen Remix ihres Dance-Hits „Partytime“. Im Video | |
zur Albumversion quillt die Mischung aus Glitter, Trash und Selbstironie so | |
stark über, dass der Griff nach dem Metallic-Eyeliner zum automatischen | |
Reflex wird. „In Your Face“ beschreibt den frechen Umgang mit der eigenen | |
Sexualität. Der Dancefloor-Hit des norwegischen Sextetts The Hungry Hearts | |
wird nicht umsonst als „International Lesbian Anthem“ betitelt. | |
## Explizit wie sexistischer Rap | |
Ihr Text ist so explizit, wie es sonst nur in sexistischem Rap zum Tragen | |
kommt. Im Refrain heißt es „I want your pussy in my face / Your fingers up | |
my arse / Your lips around my clit / Your hands and my tits“ und „I want to | |
fuck you on the floor“. | |
Die selbsternannte Pin-up-Performance-Band ist ein transmediales Projekt, | |
das auch im Bereich der Fotografie, der Film- und der Installationskunst | |
mitmischt. Mittlerweile haben sie mit ihren Kurzfilmen an zahlreichen | |
Festivals teilgenommen. | |
Inspirieren lassen sie sich von Künstlern wie dem spanischen Filmregisseur | |
Pedro Almodóvar, der mexikanischen Malerin Frida Kahlo und dem japanischen | |
Autor Haruki Murakami. | |
Neben den größtenteils elektronischen Titeln gibt es auch akustische Klänge | |
zu hören. Etwa vom Singer-Songwriter Scott Matthew, bekannt unter anderem | |
durch seinen Soundtrack zu John Cameron Mitchells Spielfilm „Shortbus“. | |
Matthew selbst bezeichnet sich als „Quiet Noise Maker“, tatsächlich schafft | |
er mit seinem sparsamen Einsatz von Instrumenten wie Ukulele, Percussion | |
und Bass eine fragile Soundkulisse. | |
## Vintage-Ästhetik und Detailverliebtheit | |
Das Video zu seiner auf der Compilation erschienen Single „No Place Called | |
Hell“ zeichnet sich durch Vintage-Ästhetik und Detailverliebtheit aus. | |
Musikalisch wie visuell schafft Matthew ein Pingpong zwischen Intimität und | |
Verfremdung. | |
Wütend und politisch hingegen wird es zum Abschluss mit Peaches und „Free | |
Pussy Riot!“ Ihr Song flankiert die internationalen Proteste gegen das | |
Verfahren um das russische Konzeptkunst- und Punkprojekt. Im August | |
vergangenen Jahres veröffentlichte sie nicht nur den Song, sondern sammelte | |
dazu 85.000 Solidaritätserklärungen für „Free Pussy Riot“. Und weil alle | |
guten Dinge drei sind, drehte sie zu diesem Thema auch noch ein | |
Guerilla-Musikvideo in Berlin. | |
Durchgehend tanzbar und stets die Unterschiede der Interpreten feiernd, | |
eignet sich der „Hugs and Kisses“-Sampler sowohl als Partymusik als auch | |
zum Konsum im Ohrensessel. Es wirkt nicht als PC-Pflichtprogramm, wie die | |
Musik die Freude an Kostümierung musikalisch und optisch herauskitzelt. | |
Passend zum Redaktionsstandort Hamburg ziert eine maritime Figur mit einem | |
Anker auf dem Oberarm das Cover des Albums. Stolz und Selbstliebe evoziert | |
die Compilation daher definitiv – auch für Heten. | |
26 Jul 2013 | |
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