# taz.de -- Kommentar Ägypten: Die anderen sind auch nicht besser | |
> Machtwechsel bedeutet nicht, dass alles besser wird. Auch jetzt hängt in | |
> Ägypten alles daran, wie sich das Militär verhalten wird. | |
Bild: Blut und Blumen in Kairo | |
Freie Wahlen allein sind noch längst keine Demokratie. Diese Binsenweisheit | |
sollte all denen ins Gedächtnis gerufen werden, die mahnen, der abgesetzte | |
Präsident Mohammed Mursi sei doch durch demokratische Wahlen ins Amt | |
gekommen. Ägypten ist noch weit entfernt davon, und mit jedem weiteren Tag | |
des Blutvergießens dürfte diese Entfernung wachsen. Die Gründe dafür sind | |
vielschichtig. | |
Bisher hat noch kein arabischer Staat ein totalitäres durch ein | |
freiheitlich-demokratisches System ersetzt. Weder Ägypten vor zwei Jahren | |
noch zuvor Tunesien oder später dann der Jemen. Und ein Ende der | |
Assad-Herrschaft wird auch Syrien nicht Freiheit und Demokratie bringen. | |
Machtwechsel bedeutet, dass andere an die Macht kommen, die am Ende | |
vielleicht noch korrupter und gewalttätiger sind als ihre Vorgänger. Und | |
wer den Umsturz betrieben hat, gerät am Ende vom Regen in die Traufe. | |
Nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ schlug das Pendel | |
in Ägypten zunächst in Richtung der Islamisten aus. Als diese zeigten, dass | |
es ihnen auch nur um Macht und Einfluss geht und dass sie die Probleme des | |
Landes nicht lösen, wuchsen Unzufriedenheit und die Zustimmung zur | |
Absetzung des Präsidenten Mursi. Außerdem hatten die Islamisten die Rolle | |
des Militärs falsch eingeschätzt. Denn dieses hält seit der Revolution von | |
1952 die Fäden in der Hand. | |
Bis auf Mubarak stammten alle Präsidenten aus dem Militär, und die | |
Streitkräfte genießen weite Privilegien, auf die sie nicht so einfach | |
verzichten, wie es zunächst unter Mursi schien. Innenpolitisch hatte sich | |
das Militär über die Jahrzehnte daran gewöhnt, die Islamisten als Gegner | |
und Staatsfeind zu behandeln, und es hat sich nun erwiesen, dass dies nicht | |
einfach durch ein paar Neubesetzungen an der Spitze der Organisation | |
geändert werden kann. | |
Das Militär hatte sich in den Wochen vor dem Sturz Mubaraks durch | |
Zurückhaltung hervorgetan. Dieses Mal ist es treibende Kraft, auch beim | |
gewaltsamen Vorgehen gegen die Islamisten. Natürlich ist auch das Militär | |
kein Hort demokratischen Gedankenguts, und es wäre fatal, sollte Armeechef | |
al-Sisi Gefallen an der Macht finden. | |
Es ist zu hoffen, dass er jene weltlich-liberalen Gruppen schützt und | |
fördert, von denen allein eine Wende zu Demokratie und Freiheit zu erhoffen | |
ist. Nicht nur in Ägypten haben sich solche Hoffnungen aber nur zu oft als | |
trügerisch erwiesen. | |
29 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Peter Philipp | |
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