| # taz.de -- Leistungsschutzrecht in Kraft: Das Pfui-bäh-Gesetz | |
| > Am Donnerstag geht’s los: Zeitungen können bei Google und Co die Hand | |
| > aufhalten. Was ist nochmal das Leistungsschutzrecht? | |
| Bild: „Leistung muss sich wieder lohnen“, sagte schon Helmut Kohl irgendwan… | |
| Es klingt kurios: Viele Verlage stellen ihre Meldungen, Interviews, | |
| Reportagen und Analysen frei ins Netz, schickt ihnen dann aber jemand Leser | |
| vorbei, können sie sich nicht vorbehaltlos freuen. | |
| Anders lässt sich das Leistungsschutzrecht für Presseverlage nicht deuten, | |
| das heute in Kraft tritt. Es ermöglicht Zeitungs- und | |
| Zeitschriftenverlagen, Dienste zur Kasse zu bitten, die ihre frei | |
| zugänglichen Veröffentlichungen für Internetnutzer sortieren. | |
| ## Was soll das? | |
| Das Leistungsschutzrecht ist auf Druck vieler Verlage entstanden. Besonders | |
| stark gemacht hat sich der Axel-Springer-Konzern, der nun – Ironie! – viele | |
| Zeitungen und Zeitschriften abschüttelt. Letztlich soll das | |
| Leistungsschutzrecht ein Baustein von vielen sein, mit denen Verlage im | |
| Digitalen ihre Kassen füllen wollen, neben Werbung (bringt im Netz wenig | |
| ein) und Abogebühren (will im Netz kaum einer zahlen). Wie viel Geld es den | |
| Häusern aber einbringen kann, ist allerdings noch völlig unklar. | |
| Geht es nach den Verlagen, dann soll das neue Gesetz aber auch als ein | |
| politisches Signal verstanden werden. Erst am Mittwoch sagte etwa der | |
| Vorsitzende des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger, Valdo Lehari, | |
| das Leistungsschutzrecht sei Teil der Strategie „weg von der Unkultur des | |
| Kostenlosen, weg vom Missbrauch des Copyrights“. Dass es die Verlage selbst | |
| waren, die über zwei Jahrzehnte Nutzer daran gewöhnt haben, dass | |
| Journalismus nichts kostet, verschweigen sie indes gern. | |
| ## Warum spielt die Politik da mit? | |
| Erstens: Eine Regierung zieht doch im Wahljahr nicht den Frust der Verlage | |
| auf sich – da wird gehorcht. Zweitens: Oft haben die Entscheidungsträger in | |
| der Regierung keine Ahnung, wie sehr sie mit ihren Entscheidungen das | |
| Internet ins Chaos stürzen. | |
| Dass ein Leistungsschutzrecht gewaltige Probleme mit sich bringen würde, | |
| haben zwar die Netzpolitiker von Schwarz-Gelb früh erkannt. So warnte der | |
| netzpolitische Verein der Union, Cnetz, dem auch Abgeordnete wie Thomas | |
| Jarzobmek und Peter Tauber angehören, vor diesem „Hemmschuh für das | |
| Internet in Deutschland“. Gebracht hat das wenig: Netzpolitiker sehen das | |
| Zentrum der Macht auch 2013 allenfalls auf Postkarten. | |
| ## Wer leidet unter dem LSR? | |
| Der einfache Blogger wird nicht bedroht. Das Gesetz zielt auf „gewerbliche | |
| Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die | |
| Inhalte entsprechend aufbereiten“ ab, sogenannte News-Aggregatoren. Glaubt | |
| man den Verlagslobbyisten, dann geht es erst mal nur um Google. Doch die | |
| Regierung hat das neue Gesetz so nebulös formuliert, dass auch viel | |
| kleinere Angebote zittern. Rivva.de etwa, ein Dienst, der erfasst, welche | |
| Links deutschsprachige Nutzer über soziale Netzwerke verbreiten, hat | |
| angekündigt: etwa 650 Lokalzeitungen, Magazine und deren Blogs werden | |
| „angesichts der aktuellen Rechtsunsicherheit“ nicht mehr aggregiert. | |
| Dabei ist der Dienst nicht gerade eine Gelddruckmaschine: Dahinter steht | |
| ein Einzelkämpfer, der vom Sponsoring lebt. | |
| ## Was macht Google jetzt? | |
| Google hat zu einem klugen Trick gegriffen: Es hat einfach die deutschen | |
| Verlage gefragt, ob sie weiter beim Dienst „Google News“ gelistet werden | |
| wollen, der teils erhebliche Leserströme zu ihnen lenkt. Wer einwilligt, | |
| soll gleich mit erklären, dass die Verwendung von Links samt kleiner | |
| Auszüge, sogenannter Snippets, den US-Konzern nichts kosten. Wer dem nicht | |
| zustimmt, fliegt ab heute aus dem Angebot von Google News raus. | |
| ## Wie konsequent sind die Verlage dabei? | |
| Die meisten Verlage wollen nicht auf die Verlinkung bei Google News | |
| verzichten, das letztlich auch dafür sorgt, dass aktuelle Artikel bei | |
| Googles klassischer Websuche weiter oben gelistet werden. „Ein sogenanntes | |
| ’De-listing‘ hätte für die FAZ erhebliche Reichweitenverluste bedeutet“, | |
| hieß es dazu offiziell aus dem Pressehaus am Main – angesichts der | |
| Marktstärke von Google ein unüberschaubares wirtschaftliches Risiko. Heißt | |
| im Klartext: Die Verlage brauchen Google, Google aber die Verlage nicht. | |
| Google Deutschland jubilierte prompt: „Hunderte Verlage“ hätten sich fürs | |
| „Opt-in“ entschieden. Neben der FAZ haben auch der Springer-Verlag (Bild, | |
| Welt), Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) und die Burda-Gruppe (Focus, Bunte) | |
| ihr Okay gegeben. Allerdings nicht, ohne ein „Aaaaaber“ hinzuzufügen: Ihre | |
| Einwilligung steht unter Vorbehalt – bis die Verlage gemeinsam einen Weg | |
| gefunden haben, das Leistungsschutzrecht auch tatsächlich zu nutzen. So | |
| verhält sich nach Aussage der Geschäftsleitung auch die taz. | |
| ## Wo sind die Mutigen? | |
| Es gibt Zeitungen, die auf ein Listing bei Google News verzichten: eine | |
| Handvoll Lokalzeitungen, für die Laufpublikum nicht so wichtig ist wie für | |
| die Großen, darunter die Koblenzer Rhein-Zeitung. „Unsere Existenz hängt | |
| nicht von Google ab“, so deren Chefredakteur Christian Lindner. | |
| ## Wann fließt nun Geld? | |
| Erst müssten die Verlage eine eigene Verwertungsgesellschaft gründen – eine | |
| Art Gema für Pressetexte. Oder sie müssen sich einer bestehenden | |
| anschließen. Offerten gibt es, von der VG Media etwa, die sonst für | |
| Privatsender bei Hotels und Kneipen kassiert. Dietmar Wolff, Chef des | |
| Verlegerverbandes BDZV, sagt zum Stand der Dinge: „Es zeigt sich, dass die | |
| Umsetzung nicht mal eben in ein paar Wochen geht.“ Heißt: Das kann dauern. | |
| 1 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bouhs | |
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