# taz.de -- Urteil gegen Mörder von Roma in Ungarn: Rechte bekommen lebenslän… | |
> Ihr beharrliches Leugnen half nichts: Ein Gericht in Budapest verurteilt | |
> vier Rechtsradikale. Sie hatten 2008 und 2009 sechs Roma erschossen. | |
Bild: Trauer am Haus der Opfer im Februar 2009. | |
WIEN taz | „Lebenslang“ lautet das Urteil für die Gebrüder Árpád und Is… | |
Csontos sowie Zsolt Petö. Richter László Miszori in Budapest folgte damit | |
dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Er sah es als erwiesen an, dass die | |
Männer 2008 und 2009 sechs Angehörige der Roma-Minderheit „aus niedrigen | |
Motiven“ ermordet haben. Die im August 2009 verhaftete rechtsextreme Bande | |
hatte Roma im Osten und Zentrum Ungarns monatelang in Todesangst versetzt. | |
Die Verteidigungsstrategie der mutmaßlichen Haupttäter machte sich nicht | |
bezahlt: beharrliches Leugnen trotz erdrückender Indizien. Laut | |
Anklageschrift feuerten die Männer insgesamt 80 Schüsse ab und warfen | |
Dutzende Molotowcocktails auf Roma-Häuser. Zwei Häuser brannten aus. | |
Vergeblich forderten die Verteidiger die Freilassung ihrer Mandanten und | |
ihre Verurteilung wegen geringerer Delikte, wie Waffenbesitz. Dass sie sich | |
zur Tatzeit an den Tatorten aufgehalten hatten und schwer bewaffnet waren, | |
konnten sie nicht abstreiten. | |
Geständig war nur István Csontos, der Fahrer der Gruppe, der sich selbst | |
als nicht tatbeteiligten Mitläufer darstellte. Er wurde zu 13 Jahren Haft | |
verurteilt. Die vier Männer, die sich schon durch ihre Glatzen und ihre | |
Sprache als Anhänger einer rechtsextremen Ideologie zu erkennen gaben, | |
wollen gegen den Richterspruch Berufung einlegen. | |
Höhepunkt der Mordserie war 2009 der Anschlag auf das Haus der Familie | |
Csorba in Tatárszentgyörgy, rund 55 Kilometer von Budapest. Die Bande | |
steckte das Haus in Brand und empfing dann die flüchtende Familie mit einem | |
Kugelhagel aus Schrotflinten. Róbert Csorba und sein fünfjähriger Sohn Róbi | |
starben. Frau Csorba und eine Tochter wurden verletzt. | |
Bei einem weiteren Anschlag wurde eine Frau im Schlaf erschossen. Lange | |
wurde spekuliert, die faschistische Jobbik-Partei stecke hinter den | |
Anschlägen. Sie hatte mit der „Ungarischen Garde“ eine paramilitärische | |
Formation gegründet, die sich auf die Notwendigkeit des Widerstandes gegen | |
„Zigeunerkriminalität“ berief. | |
## Behördliche Schikanen an der Tagesordnung | |
Am 21. August wurde in der nordostungarischen Stadt Debrecen die | |
„Todesbrigade“ festgenommen, die keine organische Verbindung zur Jobbik | |
pflegt, aber deren faschistische Ideologie teilt. Alle sind Anhänger des | |
lokalen Fußballklubs, der rechtsextreme Fans anzieht. Es heißt, sie hätten | |
sich nach einem Match in einem Wirtshaus kennengelernt und ihre Attacken | |
geplant. Die Erschütterung der ungarischen Gesellschaft hielt sich in | |
Grenzen. Die Roma stellen mit fast acht Prozent der Bevölkerung die größte | |
Minderheit und werden von der Mehrheit abgelehnt. | |
Behördliche Schikanen gegen Roma sind an der Tagesordnung. Zuletzt in der | |
Ortschaft Ózd, wo der Bürgermeister der regierenden Fidesz am 1. August aus | |
Kostengründen öffentliche Wasserpumpen abstellen oder den Wasserdruck | |
reduzieren ließ, „um Wasserverschwendung und Wasserdiebstahl zu | |
verhindern“. Nur die Roma sind auf öffentliche Wasserstellen angewiesen. | |
Mitten im Hochsommer müssen jetzt manche Familien einen einstündigen Weg in | |
Kauf nehmen, um einen Kübel mit 20 Liter Wasser zu füllen. | |
Beim Prozess wurden politische Aspekte weitgehend ausgespart. Beobachter | |
warfen dem Richter „technizistische“ Prozessführung vor. Nach möglichen | |
Hintermännern und weiteren Komplizen wurde nicht geforscht, obwohl vieles | |
darauf hindeutet, dass zumindest ein Mittäter sich noch auf freiem Fuß | |
befindet. Dass die Polizei sich Ermittlungspannen leistete und an manchen | |
Tatorten die Spuren vernichtete, griffen nur einige Medien auf. | |
6 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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