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# taz.de -- Harte Zeiten für Ungarns Obdachlose: Kein Nachtschlaf im Freien
> Das Übernachten auf der Straße ist Obdachlosen künftig verboten, so will
> es die Mehrheit im ungarischen Parlament. Menschenrechtler kritisieren
> das Gesetz.
Bild: Am Abend leuchtet Budapest für die Touristen - die Obdachlosen müssen k…
WIEN taz | Ungarns Obdachlosen drohen künftig Strafen und Zwangsarbeit. Mit
der Zweidrittelmehrheit der Regierungsallianz Fidesz/KDNP wurde Montag
abend ein Gesetz verabschiedet, das Schlafen unter freiem Himmel unter
Strafe stellt. Zum Schutz der Obdachlosen, wie Innenminister Sándor Pintér
versicherte.
Anders sieht das die Abgeordnete Ildiko Lendvai von der oppositionellen
Sozialistischen Partei MSZP: „Das Gesetz bekämpft nicht die Obdachlosigkeit
oder Armut, sondern die Obdachlosen und die Armen“. Etwa 300 Aktivisten der
Organisation „Die Stadt ist für alle da“ und anderer Bürgerinitiativen
protestierten während der Abstimmung vor dem Parlament.
Das Gesetz verbietet zunächst das Übernachten auf Plätzen und Straßen, die
zum Weltkulturerbe gehören. Das trifft auf weite Teile von Budapest zu. Den
Lokalregierungen ist es überlassen, weitere Zonen zu benennen, die diesem
Verbot unterliegen.
Ein ähnliches Gesetz war im vergangenen November vom ungarischen
Verfassungsgericht wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden. Auch das
EU-Parlament hat dagegen protestiert. Die rechtsnationale Regierung von
Premier Viktor Orbán reagierte darauf, indem sie im März die Verfassung
ändern ließ. Nach dem reformierten Artikel ist das Kriminalisieren von
Obdachlosigkeit möglich.
Die Regierung beteuert, dass ausreichend Schlafstellen zur Verfügung
stünden. Laut Melderegister seien im Juni 2013 insgesamt 11.102
Schlafstellen in der Provinz und 5975 Betten in der Hauptstadt Budapest
vorhanden gewesen. Davon seien nur 8.813 bzw. 4.606 genutzt worden.
## Viele Kältetote im Winter
„Mag schon sein, dass die Schlafstellen im Sommer nicht voll belegt sind“,
kontert Tessza Udvarhelyi vom Verein A Város Mindenkié Egyesület („Die
Stadt ist für alle da“). Doch im Winter seien alle Betten belegt. In
besonders kalten Nächten zu 120 Prozent. Udvarhelyi beruft sich auf
Polizeiangaben. Allein in Budapest würden 4.000 Obdachlose auf den Straßen
von mobilen Diensten betreut.
Sie bezweifelt auch die nach Verabschiedung des Gesetzes an die Presse
verschickte Angabe, wonach in Budapest zwischen 2006 und 2010 mindestens
131 Obdachlose erforen seien, nach Inkrafttreten des später aufgehobenen
Gesetzes aber nur eine Person. Tessza Udvarhelyi beruft sich wieder auf
Statistiken der Polizei, die für 2010 mindestens 80 und für 2011 72
Kältetote in Budapest registrierte.
Landesweit seien 2011 rund 230 Menschen erfroren – die Hälfte in ihren
ungeheizten Häusern. Das eben verabschiedete Gesetz, das noch von
Staatspräsident Janos Ader unterschrieben werden muss, sieht vor, dass
Zuwiderhandelnde zunächst aufgefordert werden, den öffentlichen Platz zu
verlassen. Weigern sie sich, können sie zu gemeinnützigen Arbeiten
verpflichtet werden. Wenn sie auch das verweigern, drohen Geld- oder
Haftstrafen.
In den acht Monaten der Geltungsdauer des aufgehobenen Gesetzes seien etwa
2.000 Menschen verurteilt und zu Zahlungen von insgesamt 40 Millionen
Forint (130.000 Euro) verpflichtet worden.
1 Oct 2013
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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