# taz.de -- Regierender Bürgermeister: Aufgetankt statt abgedankt | |
> Klaus Wowereit kommt tiefenentspannt aus der Sommerpause - und trotzt | |
> allen Rücktrittsgerüchten. Wird er gar wieder Chef des | |
> BER-Aufsichtsrates? | |
Bild: Munter: Der Regierende Bürgermeister Wowereit (Archivbild). | |
Er dürfte eigentlich gar nicht mehr da sein sein, so oft war er schon | |
abgeschrieben. Angeblich stand der Rücktritt im Januar im Raum. Dann sollte | |
es im September sein, unmittelbar vor der Bundestagwahl, sonst direkt | |
danach. Im Juni hatte Klaus Wowereit (SPD) im taz-Interview zu einer | |
erneuten Kandidatur 2016 gesagt: „Wer weiß?“ Zum Ende der parlamentarischen | |
Sommerpause wirkt Wowereits Auftreten wie ein Comeback. | |
Dafür, dass der Mann zu Jahresbeginn schwer angeschlagen war, sitzt | |
Wowereit an diesem sonnigen Morgen Mitte August ziemlich munter im Café am | |
Neuen See im Tiergarten. Es ist eines jener Hintergrundfrühstücke mit | |
Journalisten, aus denen dann keiner zitieren darf, die bloß den | |
Journalisten das Gefühl vermitteln sollen, dabei und informiert zu sein. | |
Doch weil das nicht in einem Hinterzimmer, sondern ganz offen im großen | |
Schankraum stattfindet, können auch andere Frühstückenden leicht sehen, | |
dass da ein ziemlich munterer und ganz und gar nicht amtsmüder Wowereit am | |
Nachbartisch sitzt. | |
## Flughafen? Der Sprecher druckst herum | |
Warum sollte der bald 60-Jährige denn auch angeschlagen daherkommen? Hertha | |
hat am Wochenende zum Bundesligastart grandios gewonnen, mit dem | |
Regierenden auf der Tribüne. In der Koalition läuft zwar nicht alles glatt, | |
aber es sind derzeit eher die Fraktionen von SPD und CDU, die miteinander | |
streiten. | |
Der Regierende hingegen kommt im Senat mit seinem christdemokratischen | |
Gegenüber Frank Henkel ausnehmend gut aus. Und in Sachen Flughafen, wo | |
Wowereit im Januar wegen der erneut verschobenen Eröffnung den | |
Aufsichtsratsvorsitz abgab, steht er vor der Rückkehr. Schon vergangene | |
Woche druckste sein Sprecher bei der Frage danach herum, sagte viel, aber | |
eines nicht: dass die Rückkehr auf den Chefposten ausgeschlossen sei. | |
Ende August legt sein Nachfolger, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias | |
Platzeck (SPD), aus gesundheitlichen Gründen all seine Ämter nieder – auch | |
das des Aufsichtsratschefs. Zumindest vorübergehend ist Wowereit dann | |
wieder der starke Mann. Inzwischen wird gar geunkt, die Luftfahrtbranche | |
sähe es gerne, wenn Wowereit das Gremium wieder dauerhaft leiten würde. | |
Vertreter von in Berlin tätigen Airlines weisen diesen Eindruck auf | |
Nachfrage zwar durchweg zurück – die Gerüchte dürften Wowereit aber | |
gefallen. | |
Möglichen Versuchen, ihm ein desaströses SPD-Ergebnis bei der | |
Bundestagswahl Ende September anzulasten, hatte Wowereit schon im | |
taz-Interview vorgebeugt: Es gebe eine gemeinsame Verantwortung, sagte er | |
da. „Wer glaubt, einem anderen etwas in die Schuhe schieben zu können, wird | |
keinen Erfolg haben.“ Magere 21 Prozent sieht die jüngste Umfrage bei der | |
Wahl für die SPD in Berlin, weit weniger als für die CDU mit 30 Prozent. | |
Das ist nur unwesentlich mehr als jene 20,2 Prozent von 2009, dem | |
schlechtesten hiesigen SPD-Ergebnis überhaupt. Auf Landesebene, Wowereits | |
Spielfläche, sieht die Lage etwas besser aus: Wäre jetzt | |
Abgeordnetenhauswahl, würden immerhin 26 Prozent für die Sozis stimmen, 28 | |
für die CDU. | |
Während Wowereit also sichtlich entspannt aus der Sommerpause kommt, wirkt | |
die Opposition im Abgeordnetenhaus genauso blass, wie sie in die Ferien | |
hineingegangen ist. Grüne, Linke und Piraten – sie alle leiden darunter, | |
bei den großen Themen nicht durchzudringen. Beim Mieterschutz und im Kampf | |
gegen Verdrängung können sie oft nur noch sagen: Gut, aber es müsste mehr | |
sein. Beim Thema Rekommunalisierung, vor Jahren von ihr selbst angestoßen, | |
warnt die Linkspartei nun, die Kaufbegeisterung der SPD bei den | |
Wasserbetrieben könne zu hohem Kostendruck und schlechterem Service führen. | |
Und wenn es Streit gibt, wie beim dominierenden Thema der vergangenen zwei | |
Monate, dem Energie-Volksbegehren, braucht es keine Opposition als | |
Antreiber – innerhalb der Koalition gibt es ausreichend Fronten. Da finden | |
SPD-Fraktion und Landesverband die Forderung des Volksbegehrens toll und | |
meinen, das Abgeordnetenhaus solle sie leicht verändert übernehmen. Die | |
CDU-Fraktion hält davon aber gar nichts. Man werde definitiv im | |
Abgeordnetenhaus nicht zustimmen. Bleibt es dabei, kommt es am 3. November | |
zum Volksentscheid. | |
Nun gibt es Leute, die sagen, es liege ja gar nicht in der Hand des an | |
diesem Morgen so entspannt frühstückenden Wowereit, ob er nach dieser | |
Legislatur noch mal kandidieren wird. Sowohl der Landesparteichef Jan Stöß | |
als auch Fraktionschef Raed Saleh würden doch auch wollen. Tatsächlich | |
mühen sich beide zu punkten, sich die Meinungsführerschaft bei wichtigen | |
Themen zu sichern – Stöß bei der Stadtentwicklung, Saleh etwa im Feld | |
Schulen und Sicherheit. Und doch kann, bislang zumindest, keiner der beiden | |
bei öffentlichen Auftritten so begeistern wie ein gut aufgelegter Wowereit. | |
Das ist also die Gemengelage, kurz bevor ab Montag wieder die | |
Parlamentsausschüsse tagen. Die Diskussion über Wowereit und mögliche | |
Nachfolger wird weitergehen, bis der Regierende Klartext redet. Bisher | |
bleibt sein Mantra: Er ist bis 2016 gewählt. Dann endet die Wahlperiode. | |
Hat Wowereit recht, sich darauf zu beschränken? Wer weiß denn schon, was in | |
drei Jahren ist? Oder müsste er nicht einen Nachfolger in die Spur | |
schicken, sollte er 2016 nicht selbst wieder antreten wollen? Vielleicht | |
hält es der Regierende in dieser Frage wie die Kanzlerin. Am Vorabend des | |
Journalistenfrühstücks sagte Angela Merkel (CDU) zum Geraune um ihre eigene | |
Nachfolge: „Ich würde mal sagen, es hat sich noch immer jemand gefunden.“ | |
15 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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