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# taz.de -- „Game of Thrones“-Schauspieler: Der das Weite sucht
> Schauspieler Tom Wlaschiha aus Dohna bei Dresden macht international
> Karriere. Nach „Game of Thrones“ erhält er eine der Hauptrollen in
> „Crossing Lines“.
Bild: Nach dem Killer Jaqen H'ghar in „Game of Thrones“ verkörpert Tom Wla…
Seinen französischen Brieffreund verdankt Thomas Wlaschiha dem Gewürzregal
seiner Mutter. 13 ist er damals, Mitte der 80er Jahre, und so vernarrt in
Atlanten, dass sich seine Eltern schon Sorgen machen, als er Ort und
Postleitzahl des Herstellers von einer Packung „Kräuter der Provence“
abschreibt und auf Verdacht einen Brief an die dortige Schule adressiert.
Nach drei, vier Wochen habe er tatsächlich Antwort bekommen, erinnert sich
Wlaschiha. Rund zehn Jahre lang korrespondieren sie regelmäßig – Laurent
aus Montéléger bei Lyon und Thomas aus Dohna bei Dresden.
Das sagt ziemlich viel aus über Wlaschiha: Wie man der engen DDR-Welt
entkommt, wusste er schon, bevor er ihr entkam. „Seit ich denken kann, habe
ich Fernweh“, sagt der heute 40-Jährige, der sich etwas unkompliziert
Jungenhaftes bewahrt hat. Mit ihm möchte man sofort eine Bude bauen oder
irgendeinen Schabernack aushecken.
Als Wlaschiha dann endlich rausdarf, 1989, nach der Wende, geht er als
einer der ersten Ostdeutschen für ein Highschool-Jahr nach Amerika. Zurück
kommt er als Tom. „Bei uns konnte man gar nichts wählen, dort alles“, sagt
er und meint das US-Schulsystem genauso wie die unbegrenzten Möglichkeiten,
die das Leben plötzlich bot.
In Massachusetts ist der sächsische Teenie mit dem dürftigen
DDR-Schulenglisch „der absolute Marsmensch“. Er genießt die Zeit trotzdem …
die Auftritte mit Theatergruppe und Showchor, die Lektionen in
amerikanischer Geschichte, die Ausflüge nach New York. „Das war das beste
Schuljahr meines Lebens.“
## „Crossing Lines“, eine europaweite Krimiserie
Dass dieser Wlaschiha, nach seiner Rückkehr in Leipzig zum Schauspieler
ausgebildet, nun eine Hauptrolle in einer Krimiserie namens „Crossing
Lines“ spielt, klingt wie ausgedacht. Im Zentrum der Handlung steht eine
Polizeispezialeinheit nach Wlaschihas Geschmack: eine, die an Ländergrenzen
nicht haltmacht, sondern in ganz Europa im Einsatz ist.
Europaweit soll auch die Serie über Serienverbrecher funktionieren, wenn
nicht gar darüber hinaus, mit Schauspielern aus den USA, Kanada,
Frankreich, Nordirland, England, Italien. Wlaschiha spielt den Deutschen
Sebastian Berger, den – so viel Klischee muss offenbar sein –
Technikexperten im Team von CSI Europe.
Die Serie selbst überschreitet leider keine Grenzen: „Crossing Lines“ ist
harmlos-konventionelle Krimiunterhaltung – die Männer sind nach Jahren an
der Front vor allem verkorkst, die Frauen jung und schön – und damit das
krasse Gegenteil der Serie, die Tom Wlaschiha bekannt gemacht hat: In der
zweiten Staffel des HBO-Hypes „Game of Thrones“ spielte er den mysteriösen
Killer Jaqen H’ghar, eine Nebenrolle, aber eine wichtige – nicht zuletzt
für Wlaschiha.
„ ’Game of Thrones‘ hat mir definitiv einen Karrierepush gegeben“, sagt…
beim zweiten Treffen im August 2013; beim ersten, knapp ein Jahr zuvor, war
der Push zwar abseh-, aber noch nicht wirklich spürbar. Wlaschiha blieb
gelassen. „Für mich persönlich ist das ein großer Erfolg, aber es ist keine
Garantie für irgendwas“, sagte er. „Erfolg ist von so vielen Faktoren
abhängig – Glück und Zufall sind nicht die kleinsten.“
Wlaschiha macht keinen Hehl daraus, dass er die Rolle in „Crossing Lines“
ohne „Game of Thrones“ wohl kaum bekommen hätte. Die internationale
Koproduktion wurde auf Englisch gedreht, „und da hat es mir sicher
geholfen, dass ich schon einmal bewiesen hatte, dass ich das schaffe“. Der
Erfolg gibt ihm die Freiheit, auch mal bei einer künstlerisch reizvollen
Low-Budget-Produktion mitzumachen oder uninspirierte lukrative Projekte zu
canceln. „Es ist aber nicht so, dass ich jeden Tag Filme absagen müsste“,
stellt Wlaschiha klar, jedoch: „Ich kenne nicht viele Schauspieler, die
sich Projekte aussuchen können.“
## Zwischen London und Berlin
So richtig gern spricht er nicht drüber, aber leugnen wäre zwecklos: „Ich
bin schon sehr … ich will nicht sagen: ehrgeizig, aber schon sehr
zielorientiert, sage ich mal.“ Was spricht gegen Ehrgeiz? „Der Beigeschmack
der Verbissenheit“, sagt Wlaschiha. Und verbissen will er natürlich nicht
wirken. „Man muss sich ab und zu bewusst machen, dass es auch ein Leben
neben der Schauspielerei gibt.“
Wlaschiha pendelt zwischen London und Berlin: In der britischen Hauptstadt
hat er ein 12-Quadratmeter-WG-Zimmer und seine Karriere, in der deutschen
seine Freunde und das Patenkind. „Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht
zwischen den Orten verliere“, sagt er.
Seine englische Agentur hat ihm einen nicht nur finanziell interessanten
Markt erschlossen: Neben „Game of Thrones“ und „Crossing Lines“ hat sie…
etwa an einen Agatha-Christie-ITV-Fernsehfilm vermittelt sowie an Mike
Leigh („Another Year“), den großen alten Mann des New British Cinema, der
ihn als Prinz Albert in einem Film über den Maler William Turner besetzte –
eine kleine Rolle, aber eine große Umstellung: Leigh arbeitet ohne Drehbuch
und probt viel, wie am Theater.
„Auf Englisch improvisieren und dann auch noch für einen Film, der 1840
spielt – davor hatte ich schon Bammel“, gibt Wlaschiha zu. „Aber es hat
dann erstaunlich gut funktioniert, weil es am Set überhaupt keinen
Zeitdruck zu geben schien.“
Vor gerade mal vier Jahren habe er noch in einer deutschen Daily
mitgespielt, erinnert sich Wlaschiha. Gemeint ist die schon wieder gnädig
vergessene ARD-Vorabendsoap „Eine für alle – Frauen können’s besser“.…
Spektrum könnte größer kaum sein. Wie er nach der Wende Sehnsuchtsziele
abgeklappert hat, sammelt Wlaschiha nun Genres und Produktionskulturen.
Es gibt wohl keinen anderen Schauspieler in Deutschland, der binnen so
kurzer Zeit so viele verschiedene Arbeitsweisen kennengelernt hat. Er hat
dieses „Geschenk“ in sich aufgesogen wie den Duft von Popcorn damals in
Massachusetts.
Wlaschiha ist zu aufrichtig, um „Crossing Lines“ künstlich abzufeiern, aber
bei den Dreharbeiten in Prag, Paris und Nizza lernte er das amerikanische
Produktionssystem mit allgegenwärtigem „Showrunner“ schätzen: Dessen Appe…
an die Schauspieler, sich bei der Rollengestaltung einzubringen, sah er
anfangs als „das übliche Motivationsgerede“, aber als dieser kreative
Produktionschef dann tatsächlich am Set Texte ändern ließ, weil Darsteller
sie unpassend fanden, war er beeindruckt. „Bei einer deutschen Produktion
wäre das undenkbar. Das von der Redaktion abgesegnete Drehbuch ist da
sakrosankt.“
Auch dass die von Folge zu Folge wechselnden Regisseure einen
„vergleichsweise kleinen kreativen Part“ übernehmen und an ihrer Stelle der
Showrunner im Schneideraum ein stimmiges Ganzes aus dem Material montiert,
widerspricht der Hierarchie bei deutschen von Redaktion und Regie
dominierten Produktionen.
## Wlaschiha will wieder in Deutschland drehen
Trotzdem würde Wlaschiha „wahnsinnig gern“ wieder in Deutschland drehen,
auf Deutsch, das er privat leicht sächselnd spricht. In letzter Zeit habe
er auch ein paar gute Angebote bekommen, „aber auch erst in letzter Zeit“.
Der Umzug nach London hat seinen Marktwert in der Heimat gesteigert.
Mit Soaps müsste ihm heute keiner mehr kommen. Doch bei Castings braucht
Wlaschiha nicht auf einen Promibonus zu hoffen. Während er für die Rolle in
„Crossing Lines“ nur mit Produzentin Rola Bauer einen Kennenlernkaffee
trinken musste, arten Castings in Deutschland in Arbeit aus. Wlaschiha
erzählt von „gern mal drei Runden, in denen man möglichst jede emotionale
Szene aus dem Drehbuch vorspielen soll, weil die Redaktion sich das sonst
nicht vorstellen kann“. Dieser notorische Hang zur „Risikominimierung“
bringe viel „Mittelmaß“ hervor, „Beamtenfernsehen“.
Bevor im September die Dreharbeiten für die zweite „Crossing Lines“-Staffel
beginnen, in der, so hofft Wlaschiha, seine Figur mehr von ihrer dunklen
Seite zeigen kann, fliegt er eine Woche in den Griechenlandurlaub. In
Montéléger war er übrigens natürlich auch schon. Während eines Drehs in
Marseille hat er sich spontan ins Auto gesetzt, mit Blumen für Laurents
Mutter, und ist „ans Ziel meiner damaligen Träume gefahren“. Sie habe ihn
sofort erkannt, als er am Gartenzaun stand, und wie einen verlorenen Sohn
aufgenommen. „Wir haben jetzt regelmäßig Kontakt.“
Nur mit Laurent hat es ewig nicht geklappt. Die früheren Brief- waren
längst Facebookfreunde, als sie sich während des „Crossing Lines“-Drehs
endlich trafen. Sechs Stunden haben sie gegessen und geredet. Sogar den
ersten Brief an die französische Schule habe Laurent mitgebracht, erinnert
sich Tom Wlaschiha: „Da war ich echt gerührt, dass ihm das offenbar auch so
viel bedeutet wie mir.“
22 Aug 2013
## AUTOREN
David Denk
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