# taz.de -- ARD-Familienfilm: Wer schrubbt das Bad? | |
> Wenn die Ehefrau erfolgreicher ist als der Partner: Lars Eidinger | |
> überzeugt in „Du bist dran“ als unglücklicher Hausmann. | |
Bild: Szenen einer Ehe: Peter (Lars Eidinger) ist unglücklich. | |
Dieses Kind geht einem auf die Nerven. Laura (Johanna Scharf) ist vorlaut, | |
unhöflich und renitent. Sie hat nicht mal ein Bild gemalt zum Geburtstag | |
ihres Opas. Weil sie keinen Bock hatte. Und die ganze Zeit turnt sie mit | |
Straßenschuhen auf Oma Hedis Möbeln rum. Und die stirbt kurz darauf an | |
einem Herzinfarkt. | |
Das ist der Ausgangspunkt des neuen Films von Sylke Enders, „Du bist dran“. | |
Der plötzliche Tod der Mutter/ Oma/ Ehefrau/ Schwiegermutter reißt eine | |
Lücke auf, deren Tilgung den hinterbliebenen Familienmitgliedern | |
abverlangt, sich selbst zu verändern. | |
Die einen empfinden diese Lücke als Freiraum, wie Herbert, der Witwer | |
(Horst Westphal). „Manchmal hält man die Unzufriedenheit des anderen nicht | |
so gut aus“, erklärt er seinem Sohn Peter, gespielt von Lars Eidinger, der | |
sich wiederum der Mutter verpflichtet fühlt und nun versucht, ihre Rolle | |
mit zu übernehmen. Peter ist der Mittelpunkt dieses Familienkarussells, das | |
sich um ihn herum zu drehen beginnt, während er will, dass alles so bleibt, | |
wie es ist. Wie es war. | |
Apropos Rollenverteilung, Peter ist Hausmann. „Meine Frau kümmert sich um | |
die dritte Welt und ich kümmere mich um die Kinder“, erklärt er. Es habe | |
sich einfach so ergeben. In diesem psychologisch stimmigen, motivisch | |
verdichteten und grandios besetzten Familienfilm wird nicht mehr und nicht | |
weniger verhandelt als die Frage nach der Funktion von Familie in der | |
heutigen Gesellschaft. | |
## Ein echtes bürgerliches Trauerspiel | |
Peter, Möbelrestaurator mit abgebrochenem Studium, hat sich selbst ein | |
Puppenheim gebaut, hat sich hinter die anderen gestellt, sich | |
zurückgenommen. Auch um keine eigenen Entscheidungen treffen zu müssen. Bis | |
jetzt. | |
In „Du bist dran“ geht es nicht um Werte, nicht um die Frage, wer das Geld | |
verdient und wer das Klo schrubbt, sondern darum, wie man persönliche | |
Bedürfnisse und soziale Verpflichtungen in einem Alltag vereinen kann, der | |
ständige Flexibilität verlangt. | |
Der Tod der Mutter ist nämlich nur der Anfang. Peters Frau Elisabeth | |
(Ursina Lardi) hat die berufliche Chance, für zwei Jahre mit der ganzen | |
Familie nach Afrika zu gehen, schon halb ergriffen, als Peter davon | |
erfährt. Nun rebelliert er. Trägt plötzlich T-Shirts mit albernen | |
Aufdrucken, zickt seine Frau an, verkracht sich mit dem Vater. | |
Es nervt, das mit anzusehen, es geht an die Nieren und es ist saukomisch, | |
bisweilen. Sylke Enders hat es geschafft, ein Stück Realität abzubilden, | |
bemerkenswert unspektakulär und dabei so dermaßen durchinszeniert, dass man | |
den Film zwei- oder dreimal gucken sollte, um die fast literarische | |
Motivdichte voll erfassen zu können. | |
## Mitten in der Quarterlifecrisis | |
Zum Beispiel das nervige Kind. Laura ist sieben und irgendwie antiautoritär | |
erzogen, hat einen coolen älteren Bruder, den 15-jährigen Robby, und | |
bekommt alles, was sie haben will. | |
In der ersten Szene des Films kloppt sie sich aus Spaß mit ihrem Bruder – | |
das Sinnbild einer liebevollen Geschwisterbeziehung. Als die Konflikte sich | |
zuspitzen, kotzt das Kind. Später verweigert sie sich der ruppigen | |
Betreuung durch die überforderte Mutter, die für den Vater einspringen | |
muss, weil der mit seiner Quarterlifecrisis beschäftigt ist. | |
Die Mutter wird übergriffig. Und schließlich vergreift sich auch der Vater | |
an der Jüngsten, indem er sie gegen ihren Willen ins Wasser zerrt. Dabei | |
ist der Film nie plump. Von Kindesmissbrauch ist hier keine Rede, nur von | |
ganz alltäglichen Aggressionen, die zum schwächsten Glied der Kette | |
durchgereicht werden. | |
28 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Lea Streisand | |
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