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# taz.de -- Seltene Krankheiten: 15 Jahre bis zur richtigen Diagnose
> Immer Schmerzen und keine Lösung. Politik, Patienten und Gesundheitswesen
> starten eine Offensive, um Menschen mit seltenen Krankheiten zu helfen.
Bild: Josephine leidet am Williams-Beuren-Syndrom, ein Defekt durch den Verlust…
BERLIN taz | Ein junger Mann merkt, dass er Schmerzen in Kopf und Nacken
hat. Er geht er zu seinem Hausarzt, der die Symptome für normale
Muskelverspannungen hält. Nach einigen Wochen kommt ein seltsames Gefühl in
den Armen dazu. Später Schlafstörungen. Der Arzt vermutet psychosomatische
Gründe. Bald kann der Patient seine Arme nicht mehr richtig bewegen.
Bis ein Mediziner herausfindet, dass hinter solchen Beschwerden eine
Syringomyelie, eine gefährliche, aber seltene Rückenmarkserkrankung,
steckt, können schnell Monate vergehen – oder noch länger.
Olaf Rieß vom Universitätsklinikum Tübingen kennt Patienten, die
verzweifelt über fünfzehn Jahre durch Arztpraxen und Kliniken irren, bis
sie endlich eine richtige Diagnose erhalten.
Solchen Patienten soll in Zukunft schneller geholfen werden. Am Mittwoch
präsentierte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den „Nationalen
Aktionsplan“ zur Verbesserung der Versorgung von Menschen, die unter einer
seltenen Erkrankung leiden.
## 8.000 seltene Erkrankungen
Ärzte gehen bei Patienten mit unklaren Beschwerden zunächst von
Erkrankungen aus, die sie kennen – meist auch dann, wenn sie einen
Patienten vor sich haben, der unter einer der 8.000 seltenen Erkrankungen
leidet. Doch diese Krankheiten haben nur die wenigsten Ärzte selbst
gesehen, geschweige denn je behandelt. Patienten müssen oft jahrelange
Untersuchungen ertragen, bis sie wissen, woran sie erkrankt sind.
Christoph Nachtigäller, Vorsitzender der Allianz Chronischer Seltener
Erkrankungen, nannte den jetzt präsentierten Aktionsplan am Mittwoch einen
„Meilenstein“. Er eröffne „eine Perspektive, dass solche Geschichten zur
Ausnahme werden“. Der vom Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen
Erkrankungen (NAMSE) erarbeitete Katalog umfasst 52 Maßnahmenvorschläge.
Sie sollen Patienten künftig eine Odyssee durch das Gesundheitssystem
ersparen, erklärte Minister Bahr bei der Vorstellung des Plans.
Ein zentraler Punkt des Plans ist die Schaffung von Fachzentren und
Patientenregistern. Dort soll das Wissen zu seltenen Erkrankungen gebündelt
und eine wohnortnahe Versorgung ermöglicht werden. Betroffene sollen
schneller an die richtigen Stellen verwiesen, ihre Erkrankung so früh wie
möglich diagnostiziert werden. Nachtigäller sieht die Fachzentren als
„Lotsen“ im Dickicht des Gesundheitssystems. Daran geknüpft ist auch die
Hoffnung, durch die verbesserte Registrierung von Patienten Klinische
Studien für neue Arzneien zu vereinfachen.
Helge Braun, parlamentarischer Staatssekretär im
Bundesforschungsministerium (BMBF), kündigte an, die Erforschung seltener
Erkrankungen in den nächsten fünf Jahren zu fördern. Vorgesehen sind
hierfür bis 2018 allerdings gerade mal 27 Millionen Euro.
## Standardisierte Informationen
Patienten und Ärzte sollen in Zukunft standardisierte Informationen zu
seltenen Erkrankungen erhalten. Dazu soll ein einheitliches, zentral
verwaltetes Internetportal entstehen, das Informationen zu Fachzentren,
Studien, Patientenregistern und Netzwerken bündelt. Zusätzlich soll
ein„Atlas seltene Erkrankungen“ als interaktive Landkarte einen Überblick
über die Versorgung in Deutschland geben.
In zwei Jahren will das BMG den Plan evaluieren. Ein Sprecher nannte es „an
sich schon eine Leistung“, alle Beteiligten im Rahmen des Aktionsplans
zusammengebracht zu haben. „Die Umsetzung liegt nun an den Akteuren
selbst“, sagt Bahr.
Der Patientenvertreter Nachtigäller gibt sich optimistisch: „Wenn wir das
machen, was wir uns vorgenommen haben, sind wir in drei Jahren erheblich
weiter.“
29 Aug 2013
## AUTOREN
Gilda Sahebi
## TAGS
Diagnose
Gesundheitspolitik
Ärzte
Arzt
Zukunft
Lesestück Recherche und Reportage
Therapie
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