# taz.de -- Bundesverwaltungsgericht urteilt: Fingerkuppen müssen heil bleiben | |
> Asylbewerber schleifen sich die Fingerkuppen ab, um nicht nach Italien | |
> zurückgeschickt zu werden. Doch so verlieren sie das Recht auf ein | |
> Asylverfahren. | |
Bild: Jede Manipulation der Fingerkuppen sei zu unterlassen, so das Gericht | |
FREIBURG taz | Wenn Asylbewerber ihre Fingerabdrücke manipulieren, kann das | |
zum Verlust des Asylanspruchs führen. Das entschied nun das | |
Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil. Das Asylverfahren könne | |
im Fall einer solchen Manipulation einfach eingestellt werden. | |
Wer in Europa Asyl beantragt, muss seine Fingerabdrücke überprüfen lassen. | |
In der Datei EURODAC sind die Fingerabdrücke aller Asylbewerber | |
gespeichert, so dass sofort auffällt, wenn jemand bereits in einem anderen | |
EU-Staat einen Asylantrag gestellt hat. Grundsätzlich dürfen Flüchtlinge in | |
der EU nach der sogenannten [1][Dublin-II-Verordnung] nur einen einzigen | |
Asylantrag stellen - und zwar in dem EU-Staat, den sie zunächst betreten | |
haben. | |
Seit einigen Jahren versuchen manche Flüchtlinge diese Prozedur zu | |
unterlaufen, vor allem wenn sie die EU in Italien oder Griechenland | |
erreicht hatten, wo Flüchtlinge kaum oder keine Versorgung erhalten. Sie | |
stellen in Deutschland einen neuen Asylantrag und schmirgeln sich dann mit | |
Schleifpapier oder an rauen Wänden die Fingerkuppen ab, so dass ihre | |
Fingerabdrücke nicht auswertbar sind. Da nun keine Prüfung im | |
Eurodac-Computer möglich ist, können sie auch nicht nach, zum Beispiel, | |
Italien zurückgeschickt werden. | |
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge reagierte brachial auf den | |
Trick. Wenn ein Asylbewerber zwei Mal mit nicht auswertbaren Fingerkuppen | |
erscheint, wird ihm unterstellt, dass er das Verfahren nicht voranbringe | |
und dieses deshalb eingestellt werden kann. Der Flüchtling hat dann kein | |
Aufenthaltsrecht in Deutschland mehr und kann ohne Prüfung des Asylantrags | |
abgeschoben werden. Die Abschiebung findet dann aber nicht nach Italien | |
oder Griechenland statt, sondern gleich in sein Heimatland, jedenfalls, | |
wenn ihm dort nicht Tod oder schwere Verletzungen drohen. | |
## | |
Im konkreten Fall ging es um einen somalischen Flüchtling, dem die | |
Abschiebung nach Somalia angedroht wurde. Sein Anwalt argumentierte, dass | |
der Flüchtling laut Asylverfahrensgesetz nur die Pflicht habe, | |
Fingerabdrücke abzugeben. Es gebe keine Pflicht, „auswertbare“ | |
Fingerabdrücke zu ermöglichen. Bei den bayerischen Verwaltungsgerichten | |
hatte er damit sogar Erfolg, nicht aber in letzter Instanz beim | |
Bundesverwaltungsgericht. | |
Die Leipziger Richter entschieden, dass aus der gesetzlichen Pflicht, die | |
Abnahme der Fingerabdrücke zu dulden, auch die Pflicht folge, jede | |
Manipulation der Fingerkuppen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der | |
Fingerabdrücke beeinträchtigen könnte. | |
Die bayerischen Gerichte müssen im Fall des Somalis nun noch einmal prüfen, | |
ob die Fingerkuppen tatsächlich manipuliert waren. Abgeschliffene | |
Fingerkuppen regenerieren sich nach wenigen Wochen, wenn sie nicht vorher | |
erneut abgeschliffen werden. | |
Der Streit hat sich zuletzt dadurch etwas entschärft, weil das | |
Bundesinnenministerium die Abschiebung von Flüchtlingen nach Griechenland | |
mittlerweile generell ausgesetzt hat. Bei Flüchtlingen, die in Italien | |
ankamen, sagen inzwischen auch viele deutsche Gerichte, dass sie nicht in | |
die unzumutbaren italienischen Zustände zurückgeschickt werden können. | |
Az: 10 C 1.13 | |
6 Sep 2013 | |
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[1] http://europa.eu/legislation_summaries/justice_freedom_security/free_moveme… | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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