# taz.de -- Auszeichnung für Whistleblower: Göttingen grüßt Edward Snowden | |
> Edward Snowden droht eine neue Auszeichnung: Er soll Ehrenbürger von | |
> Göttingen werden, fordern zwei Ratsfraktionen. Nur Getöse? Nicht nur. | |
Bild: Hier warten sie auf Edward Snowden: Rathaus Göttingen | |
BERLIN taz | Dass Edward Snowden schon einmal das Wort Göttingen gehört | |
hat, ist wohl eher unwahrscheinlich. Vielleicht hätte er sich den | |
hässlichen Namen der schönen Stadt sogar gemerkt – dieses spitze deutsche ö | |
und dieses scharfe Doppel-t. Falls Snowden das Wort Göttingen einmal hören | |
sollte, dann darf er jedenfalls schmunzeln: Die aus drei Abgeordneten | |
bestehende Linksfraktion im dortigen Stadtrat will den US-amerikanischen | |
Whistleblower zum Ehrenbürger ihrer Stadt machen. Eine Urkunde oder eine | |
Medaille soll er kriegen, irgendwas hübsches. | |
Das zumindest ist der Plan des linken Ratsherrn, Fraktionsvorsitzenden und | |
Bundestagskandidaten Gerd Nier. „Edward Snowden hat sich mit seinem Kampf | |
für Bürgerrechte weltweit verdient gemacht – und damit auch viel für die | |
Bürger Göttingens geleistet“, sagt Nier der taz. | |
Und so wird sich auf seinen Antrag hin der Rat der Stadt in seiner Sitzung | |
am Freitag nicht nur [1][mit der Hundesteuersatzung, der Mietentgeltordnung | |
und der Entwidmung von Teilflächen des Stadtfriedhofes beschäftigen], | |
sondern auch debattieren, ob sie den im russischen Exil lebenden | |
Ex-Geheimdienstler Snowden nicht auszeichnen mag. Hübsche Idee oder | |
billiger Populismus? | |
Im Göttinger Stadtrat jedenfalls beschäftigt der Vorstoß schon die | |
Ratsmitglieder. Aus der Grünenfraktion heißt es, es habe einen „eifrigen | |
Mailwechsel“ zum Thema gegeben: Welche Position haben die Grünen bundesweit | |
vertreten? Und welche Pflicht erwächst daraus für Kommunalpolitiker in | |
Göttingen? | |
## Grundsätzlich sympathisch | |
Der grüne Ratsherr Ernst Gottwald findet die Idee grundsätzlich | |
sympathisch: „Die Stadt hat eine Tradition in Sachen Zivilcourage – warum | |
sollten wir uns also nicht mit dem Thema befassen?“ Formal allerdings sei | |
in der Sache nichts zu machen. Für eine Ehrenbürgerschaft müsse es einen | |
klaren Bezug zu Göttingen geben. | |
Das sagt die zusammengeschlossene CDU/FDP-Fraktion ebenso wie der | |
SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Peter Arndt. Arndt verweist auf die | |
Grundsätze über die Verleihung von Ehrenbürgerrechten aus dem Jahr 1985. | |
„Nicht, weil wir es nicht wollten, sondern weil unsere Statuten das nicht | |
zulassen, können wir Snowden nicht zum Ehrenbürger machen.“ | |
Dabei lohnt sich ein genauer Blick in diese Statuten. Darin steht, „das | |
Ehrenbürgerrecht (...) ist für solche Verdienste um die Stadt Göttingen | |
vorbehalten, die durch ein über die Erfüllung beruflicher Aufgaben | |
hinausgehendes politisches, soziales, kulturelles oder mitmenschliches | |
Engagement erworben werden.“ Dass jemand dazu schon einmal in Göttingen | |
gewesen sein muss, steht dort nicht. Die Linke interpretiert | |
dementsprechend: Edward Snowden habe ja nun zweifelsfrei auch viel für | |
Göttinger getan, die nun wüssten, wo der US-Geheimdienst im Internet so | |
mitlese. | |
Das sehen die Göttinger Piraten ähnlich und wollen dem Antrag zustimmen. | |
„Die langjährige Verbindung von Göttingen zu ihrer Partnerstadt Cheltenham | |
macht das Thema tatsächlich auch zu einem kommunalen Thema“, sagt | |
Fraktionsvorsitzender Martin Rieth. Göttingen unterhält seit 1951 eine | |
Städtepartnerschaft zu der südenglischen Stadt. | |
//de.wikipedia.org/wiki/Government_Communications_Headquarters:Der | |
britische Geheimdenst GCHQ, der seit den Veröffentlichungen von Snowden | |
massiv in der Kritik steht, hat seinen Hauptsitz in Cheltenham. | |
## Ein Zeichen setzen | |
So dürfte es am Freitag ab 16 Uhr zumindest eine unterhaltsame | |
Kommunaldebatte im Ratsaal des Neuen Rathauses am Hiroshimaplatz geben. Aus | |
der Grünen-Fraktion hieß es, man wolle durchaus ein Zeichen setzen. Im | |
Zweifel, ohne dabei gleich die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. | |
Das wäre zumindest kein Novum: Bereits 1999 hatte sich der Rat der Stadt | |
Göttingen in einer Resolution an den damaligen Außenminister Joschka | |
Fischer gewandt und ihn aufgefordert, sich gegenüber den USA für das Leben | |
des US-Aktivisten Mumia Abu-Jamal einzusetzen. Selbst SPD, CDU und FDP im | |
Göttinger Stadtrat stimmten damals zu. Vorausgegangen war dem Beschluss | |
ebenfalls eine Ehrenbürger-Debatte. Damals war es die Rote Hilfe, die die | |
Abstimmung in Gang gebracht hatte. | |
9 Sep 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://ratsinfo.goettingen.de/bi/to010.asp?SILFDNR=2619 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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