# taz.de -- Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss: Am Urknall der Tragödie | |
> Böhnhardt und Zschäpe wollten sich Ende der 90er Jahre stellen. Der | |
> Staatsanwalt verweigerte einen möglichen Deal – ein Jahr später begann | |
> die Mordserie. | |
Bild: Ex-Oberstaatsanwalt Arndt Koeppen am Montag vor dem Thüringer NSU-Unter… | |
ERFURT taz | Sie wollten aufgeben – gut ein Jahr bevor die Mordserie, die | |
ihnen zur Last gelegt wird, begann. Über einen Anwalt versuchten die | |
mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, | |
Hauptangeklagte im laufenden Verfahren gegen die rechtsextreme | |
Terrorgruppe, Ende der 90er Jahre mit der Staatsanwaltschaft Gera | |
Vereinbarungen für ein Aufgeben zu treffen. | |
Zu der Zeit wurde gegen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe allein | |
wegen des Verdachts des Sprengstoffmissbrauchs gefahndet. | |
Er habe damals aber keine Verhandlungen über eine mögliche Einstellung des | |
Verfahrens führen wollen, sagte der damals zuständige Oberstaatsanwalt in | |
Gera, Arndt Koeppen, am Montag vor dem Thüringer | |
NSU-Untersuchungsausschuss. „Ich habe das kategorisch abgelehnt.“ Und er | |
schob nach: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das richtig war.“ | |
Im Raum F 101 des Landtags waren die Mitglieder des | |
Untersuchungsausschusses betroffen. Dirk Adams, Ausschussmitglied der | |
Grünen, fasste nach: Ob man denn keine Möglichkeit hätte finden können? | |
Nein, gab Koeppen zurück, der zuständige Staatsanwalt hätte ihm gesagt, das | |
sie sich bloß bei der Einstellung des Verfahrens stellen würden. „Ein | |
solcher Kredit konnte nicht eingeräumt werden“, sagte Koeppen, „die | |
Rechnung“ müsste bezahlt werden. | |
Die Idee für den Deal kam nicht vom mutmaßlichen NSU-Trio selbst – sondern | |
vom Thüringer Verfassungsschutz (VS). Ende Oktober 1998 hatte sich ein | |
VS-Mitarbeiter an den damaligen Anwalt von Uwe Böhnhardt, Gerd Thaut, | |
gewendet. | |
## Geheimes Treffen | |
Allerdings nicht mit der Idee, das Verfahren einzustellen. Es sei lediglich | |
um eine mögliche Minderung des Strafmaßes gegangen, sagte Martina Renner, | |
Obfrau der Linken im Ausschuss. Die Eltern von Böhnhardt hätten bei einem | |
ersten geheimen Treffen 1999 in Chemnitz dem Trio den Vorschlag | |
unterbreitet. | |
Am Montag betonte Koeppen, nicht gewusst zu haben, dass Thaut vom | |
Verfassungsschutz geschickt wurde. „Ich dachte, es waren die besorgten | |
Eltern“, antworte der 66-jährige Pensionär auf Nachfrage von Renner. Renner | |
hielt Koeppen daraufhin vor, dass der Verfassungsschutz die Kosten des | |
Anwalts gedeckt habe – insgesamt 1.409,48 D-Mark. | |
„Das war mir unbekannt“, erwiderte Koeppen. Er habe gedacht: „Es ist | |
ohnehin eine Frage der Zeit, bis wir die kriegen.“ Ein Irrtum – den er aber | |
nicht im fehlerhaften Arbeiten von Staatsanwaltschaft und Zielfahndung | |
begründet sah. | |
## Ermitttler wurden verraten | |
Koeppen vermutet, dass man das Trio seinerzeit nicht festsetzen konnte, | |
weil die Ermittler „verraten“ wurden: „Die drei wurden gewarnt“, sagte … | |
und berichtete, in einem damaligen Brief an den Verfassungsschutz 20 Fragen | |
gestellt zu haben, inwieweit eine der betroffenen Personen eine Quelle sei | |
oder andere Quellen geschützt würden. | |
Die Fragen seien mit „Nein“ oder „Keine Auskunft“ beantwortet worden. Z… | |
hätte er mündlich beim damaligen Vizepräsidenten des Thüringer | |
Verfassungsschutzes, Peter-Jörg Nocken, nachgefragt und gewarnt: „Wenn wir | |
scheitern, wird das uns allen auf die Füße fallen.“ | |
Am Nachmittag musste sich Nocken zum zweiten Mal dem Ausschuss stellen. Die | |
Vorsitzende, Dorothea Marx (SPD), fragte, inwieweit der VS die Polizei | |
behinderte. Bei Redaktionsschluss war die Vernehmung noch nicht | |
abgeschlossen. | |
9 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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