Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Navis machen hungrig
> Tagebuch einer Hundehalterin: Hundehalter gleichen sich ihren Tölen nicht
> nur charakterlich, sondern auch äußerlich an.
Bild: In Bremen durfte schon 2011 ab 16 gewählt werden. Jetzt ist dies auch in…
Neulich unterwegs im Auto mit zwei Freunden zum Spiel Union Berlin gegen
Sankt Pauli. Die Männer klagen über ihre Navis. „BMW verkauft dir für’n
Heidengeld so’n total beschissenes Ding, das führt dich grundsätzlich in
statt um den Stau herum! Echt das Letzte!“ – „Das is doch gar nix! Bei VW
leitet er dich einmal um den Erdball, und am Ende sagt er: ’Noch
dreitausend Kilometer bis zum Ziel!‘ “ – „Ja, und wenn du dann im Stau
stehst und mal musst, gibt’s bei BMW ’ne ausfahrbare Ente unterm Sitz.“ �…
„Ha! VW legt dir gleich ’n Katheter!“ Bitteres Lachen.
Wir halten an einer Ampel. Während die Herren noch damit beschäftigt sind,
die Notdurfttauglichkeit ihrer Versagernavis zu vergleichen, wässert zwei
Meter entfernt ein Stadtnomade ausgiebig einen Straßenbaum. „He, das ist
mein Job!“, sagt der Blick seines vierbeinigen Begleitnavis, aber Herrchens
beeindruckender Blaseninhalt reicht für eine ganze Rotphase, was auch den
Mitfahrern nicht entgeht. Anerkennendes Pfeifen vom Rücksitz. Das
Vierbeinernavi spitzt verwirrt die Ohren und trabt schon mal ohne seinen
Boss los. Gekränkte Ehre? Penisneid? Vielleicht hat es auch nur die Zeit
genutzt und den Weg zur nächsten Würstchenbude berechnet. Die Ampel
schaltet auf grün. Nach der nächsten Kurve stehen wir dann dank BMW-Navi
erst mal im Stau.
Im Stadion leitet mich mein inneres Navi zu den Nahrungsmitteln, ausgelöst
durch jene Fressgier, die mich zu seinen Lebzeiten eng mit Sammy, meinem
Cairn Terrier, verband. Er wurde fast 18, war am Ende blind und taub, aber
Helen Keller, wie unser New Yorker Nachbar ihn liebevoll nannte,
navigierte, dem Geruch von Essbarem folgend, bis zuletzt nahezu unfallfrei
durch die Wohnung. Sein Leben lang fraß er alles, was nicht an die Wand
genagelt war.
An dieser Stelle muss ich – wenn auch zögernd – die Behauptung bestätigen,
dass Hundehalter sich mit der Zeit nicht nur charakterlich, sondern auch
äußerlich ihren Tölen angleichen. Unvergessen das Kind, das erst auf mich
und dann auf meinen struppigen Hund zeigte, um mich brutal wissen zu
lassen: „You look just like your dog.“
Während ich kauend mitfiebere, besiegt Union Pauli nach fulminanter
Aufholjagd mit 3:2. In meiner Geldbörse herrscht Ebbe. Auf dem Heimweg, vor
der Sparkasse, hält eine junge Frau ihre Hand für Spenden und mir die Tür
auf. Daneben lagern, beide angeleint, ein Labrador und sein Sub-Navi, ein
Kaninchen, welches sich nach einem langen Tag im Großstadtdschungel
possierlich putzt.
Am Abend ein letzter Blick in die Online-Nachrichten. Ein Wahl-O-Mat
verlockt die ratlose Bürgerin, sich die näherrückende Entscheidung zu
erleichtern. Also los: Antworten ankreuzen, unter den aufgeführten
Vergleichsparteien die üblichen fünf Verdächtigen auswählen und ohne
hinzugucken den Rest, bis acht zusammen sind. Und siehe, es bestätigt sich,
was ich schon immer ahnte, meine politische Heimat liegt bei der Partei
„Mensch Umwelt Tierschutz“. Meine Rede seit Langem: Köter for Kanzler! Aber
was wird dann aus dem Veggie Day?
11 Sep 2013
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Hunde
Politische Bildung
Berlin
Uckermark
Brasilienwoche
Fußball-Bundesliga
Baby
Toskana
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hamburger Bürgerschaftswahl: Irritation um Wahlomat
Online-Test zur Parteien-Findung enthält auffallend viele rechte Thesen.
Landeszentrale für politische Bildung verteidigt die Konzeption.
Die Wahrheit: Godard auf den Straßen von Berlin
Ein Tag aus der Serie „Die Straßen von Berlin“, ohne Großschauspieler, ab…
mit Laiendarstellern in unbegrenzter Zahl.
Die Wahrheit: Hering im Kürbismantel
Unser Leben gehorcht unabänderlichen Ritualen. Täglich Arbeit, Termine,
Zähneputzen, am Wochenende dann Auto- oder Gartenpflege.
Die Wahrheit: Die Trauer nach dem bösen Brechen
Ja, lieber Rilke, du hast recht, der Sommer war sehr groß. Aber jetzt
herrscht in meiner Seele Herbst. Saudade nennt es der Brasilianer.
Die Wahrheit: Gurkenspiel ohne Zeitlupe
Tagebuch einer Stadionbesucherin: Die laufende Saison beschert dem
Hauptstadtklub eine neue Erfahrung und Hertha-Fans ein anhaltendes
Delirium.
Die Wahrheit: Nachts im Bauch
Tagebuch einer Sommerfestbesucherin: Mit Staubsaugen und Waschmaschine
wollen Mütter ihre Babys zum Einschlafen bringen.
Die Wahrheit: Gastkatastrophen zum Geburtstag
Tagebuch einer Sommerfrischlerin: Zu Besuch in der Toskana bei einer
Freundin, die sich einen Monat lang auf ihren Geburtstag vorbereitet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.