| # taz.de -- Pädagoge über Grüne-Pädodebatte: „Das ist Charakterschwäche�… | |
| > Der Pädagoge Manfred Kappeler wirft den Grünen vor, in der | |
| > Pädophilie-Debatte herumzulavieren. Sie sollten jetzt ein Angebot machen. | |
| Bild: Der Umgang von Daniel Cohn-Bendit mit dem Pädophilie-Vorwürfen sei „e… | |
| taz: Herr Kappeler, Sie haben sich in den vergangenen Jahren mit der | |
| Vertuschung sexueller Gewalt in pädagogischen Einrichtungen | |
| auseinandergesetzt. Was halten Sie von der Art, wie die Grünen mit den | |
| Pädophilie-Vorwürfen umgehen? | |
| Manfred Kappeler: Das Herumlavieren von Grünen-Politikern wie Daniel | |
| Cohn-Bendit oder Volker Beck finde ich enttäuschend. Es geht nicht darum, | |
| sich herauszureden, sondern Dinge genau zu benennen, die Fakten und die | |
| zeitgeschichtliche Lage. | |
| Was hätten Sie von den Grünen erwartet? | |
| Die Partei hätte schon vor einigen Jahren offensiv Stellung beziehen | |
| müssen, als man über sexuelle Gewalt am katholischen Canisius-Kolleg in | |
| Berlin oder der reformpädagogischen Odenwaldschule redete. Sie hätte von | |
| sich aus offenlegen sollen, wie es zum Beispiel zu der | |
| Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle kam. | |
| Diese Chance hat die Partei verpasst. Was nun? | |
| Zumindest müssten Cohn-Bendit und Beck ihre Äußerungen von damals in den | |
| zeitgeschichtlichen Kontext stellen und klar sagen: Wir haben sexuelle | |
| Praktiken von Erwachsenen an Kindern damals falsch gesehen und beurteilt. | |
| Im Kampf gegen die Unterdrückung der Sexualität haben wir Grenzen, die uns | |
| heute selbstverständlich sind, nicht gezogen. Damit haben wir die Falschen | |
| ermutigt. | |
| Warum bleiben klare Worte aus? | |
| Man könnte sagen: Das ist Charakterschwäche. Aber die Auseinandersetzung | |
| mit den eigenen Fehlern fällt ja den meisten Menschen schwer. Wir neigen | |
| dazu, eigene Irrwege zu vernebeln. Das gilt auch für eine Partei, die im | |
| Wahlkampf um ihre öffentliche Reputation bangt. | |
| Glauben Sie, dass die Wähler schonungslose Offenheit honorieren? | |
| Die Grünen könnten doch mutig klarmachen: Sie waren immerhin die einzige | |
| Organisation, in der es je eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema | |
| gab. | |
| Und was war daran gut? | |
| Im Rest der Gesellschaft griffen Mechanismen wie Vertuschen, Verschweigen, | |
| Verschieben. Dabei gab es sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen | |
| überall: in kirchlichen, staatlichen und anderen pädagogischen | |
| Einrichtungen. Die Grünen könnten übrigens auch mit Selbstbewusstsein | |
| darauf hinweisen, dass die ersten Projekte zum Schutz von Kindern und | |
| Jugendlichen vor sexueller Gewalt im linksalternativen Milieu entstanden. | |
| Darunter waren wichtige Beratungsstellen wie Wildwasser oder | |
| Beratungsstellen für Stricher. Konservative Gruppen und Organisationen, die | |
| jetzt mit dem Finger auf die Grünen zeigen, haben in dieser Zeit außer | |
| Vertuschen und Verschweigen nichts auf die Reihe gebracht. | |
| Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin lehnt eine Anlaufstelle der | |
| Grünen für Opfer sexueller Gewalt ab – weil bisher nur Einzelfälle bekannt | |
| seien und man die nicht den Parteistrukturen zuordnen könne. Zu Recht? | |
| Nein, ich sehe das anders. Die Grünen haben eine Verantwortung für ihre | |
| Mitglieder und auch für andere Menschen aus ihrem linksalternativen Umfeld. | |
| Sie waren ja damals nicht nur eine Partei, sondern eine Bewegung, die die | |
| verschiedensten Milieus umfasste. Sie sollten deshalb klar sagen: Es ist | |
| wahrscheinlich, dass auch in unseren Zusammenhängen Kinder und Jugendliche | |
| von Erwachsenen sexuelle Gewalt erfahren haben. | |
| Was halten Sie von einer eigenen Anlaufstelle für Opfer? | |
| Eine Telefonhotline wäre die richtige Vorgehensweise, um Betroffene zu | |
| ermutigen, sich zu melden. Bei den Grünen gibt es ja sehr viele | |
| Pädagoginnen und Pädagogen, auch 35-Jährige, die damals noch nicht geboren | |
| waren. Wenn es aus diesen Reihen eine ausgestreckte Hand für die Opfer | |
| gäbe, das wäre doch mal was! | |
| Bislang haben sich kaum Opfer aus dem linksalternativen Milieu zu Wort | |
| gemeldet. Ist es für sie besonders schwierig, ihre Geschichte öffentlich zu | |
| machen? | |
| Zweifellos. Für Odenwaldschüler war es ungleich schwerer zu reden als etwa | |
| für Heimkinder. Das Paradoxe ist: Dort, wo eine nahe Bindung, eine tiefe | |
| Zuneigung verraten wurde, sind die Traumata tiefer. Diese Opfer können | |
| nicht so einfach sagen: Das Schwein hat mich brutal misshandelt – und sich | |
| mit dieser Distanzierung emotional etwas schützen. | |
| Kann man es Opfern aus dem grün-alternativen Milieu denn erleichtern, ihr | |
| Gewalterlebnis auch zu offenbaren? | |
| Ja, aber nur, in dem man selbst sagt: Wir haben Schuld auf uns geladen und | |
| wollen mit euch reden, sofern ihr wollt und könnt. Man muss ein Angebot | |
| machen, das ist eine Bringschuld. | |
| 12 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Nina Apin | |
| Astrid Geisler | |
| ## TAGS | |
| Menschen | |
| Schwerpunkt Volker Beck | |
| Daniel Cohn-Bendit | |
| Pädophilie | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Missbrauch | |
| Jürgen Trittin | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Pädophilie | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| TV-Duell | |
| Prostitution | |
| Pädophilie | |
| Daniel Cohn-Bendit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Leiter des Canisius-Kolleg über Missbrauch: „Nicht mehr allein mit Kindern“ | |
| Was ist aus der Debatte über sexuelle Gewalt an Kindern geworden? Vor vier | |
| Jahren wurde Missbrauch am Canisius-Kolleg bekannt. Jetzt gibt es dort | |
| Frühwarnsysteme. | |
| Kommentar Pädophilie-Debatte: Die grüne Strategie ist gescheitert | |
| Jürgen Trittin hat zu den pädophilen Verstrickungen der Grünen endlich | |
| deutliche Worte gefunden. Es ist eine Zäsur, die zu spät kommt. | |
| Jürgen Trittin und die Pädophilie-Debatte: Freunde und Feinde | |
| Katrin Göring-Eckard verteidigt ihren Kollegen Jürgen Trittin gegen | |
| Vorwürfe, er sei für die Straffreiheit von Pädophilen eingetreten. Die CDU | |
| fordert dessen Rücktritt. | |
| Modellversuch im alten Westberlin: Päderastensex, amtlich genehmigt | |
| Berlin, Ende der 60er Jahre: Der Senat vertraut Straßenkinder pädophilen | |
| Männern an. Heute will niemand mehr etwas davon wissen. | |
| Diskussion um Pädophilie: Die Grünen und die Opfer | |
| Die Grünen sehen keine Notwendigkeit, eine Anlaufstelle für Opfer sexueller | |
| Gewalt einzurichten. Junge Mitglieder finden die Forderung gar | |
| „lächerlich“. | |
| Umfragewerte der Grünen: Volkspartei ade? | |
| Die Grünen haben so schlechte Umfragewerte wie seit Jahren nicht mehr. | |
| Schuld daran sei die negative Berichterstattung über die | |
| Pädophilie-Debatte. | |
| Debatte Pädophilie und Prostitution: Die Würde der Sexarbeiterinnen | |
| Alice Schwarzer nutzt die gegenwärtige Debatte aus, um Prostitution erneut | |
| zu kriminalisieren. Dabei argumentiert sie mit verkapptem Rassismus. | |
| Pädophilie-Skandal bei den Grünen: Im Nebel der Vergangenheit | |
| Die Debatte über Sex mit Kindern habe vor 30 Jahren kaum eine Rolle in den | |
| Programmdiskussionen gespielt, sagen ehemals führende Grüne | |
| Grüne und Pädophilie: So komisch-seifige Männer | |
| Wie war das damals, beim Gründungsparteitag der Grünen 1980? Warum | |
| beschäftigten die Befürworter von Sex mit Kindern die Fantasien der | |
| Schwulen? | |
| Kommentar Grüne und Pädophilie: Die Kosten der Selbstaufklärung | |
| Die sachliche und historische Darlegung der grünen Vergangenheit mag | |
| teilweise instrumentalisiert werden – ist aber der einzig richtige Weg. |