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# taz.de -- Flüchtlingsproteste in Bayern: Anhörung im Landtag geplant
> Bayerische Politiker treffen sich mit den seit Wochen demonstrierenden
> Flüchtlingen. Versprechen wollen sie nichts – außer den Dialog
> fortzusetzten.
Bild: Protestierende Flüchtlinge in München
MÜNCHEN taz | Drei Forderungen hatten die Asylsuchenden und ihre
Unterstützer mit schwarzem Filzstift auf ein Flipchart notiert. Punkt eins:
Residenzpflicht. Punkt zwei: Beiberecht. Punkt drei: Lebensbedingungen. In
Klammern dahinter: Lager, Essen, Arbeit, Gesundheit.
Am Dienstag hatte eine Flüchtlings-Delegation erstmals Gelegenheit,
VertreterInnen von CSU, SPD, Grünen und Freien Wählern zu unterbreiten,
gegen was sie seit Monaten mithilfe von verschiedenen Aktionen in Bayern
protestieren. Die Asylsuchenden waren Anfang September auf zwei Routen von
Würzburg und Bayreuth aus nach München marschiert. Bis vor wenigen Tagen
hatten sie im Münchner DGB-Haus vorübergehend Quartier bezogen. Nun, nach
der bayerischen Landtagswahl, schenkten ihnen einige PolitikInnen erstmals
Gehör.
Die Residenzpflicht, die bayerischen Asylsuchenden verbietet, den
Regierungsbezirk, in dem sie untergebracht sind, ohne Genehmigung zu
verlassen, sei „rassistisch und diskriminierend“, sagte Robert Seko im
Namen der Flüchtlinge. Sie gehöre deshalb abgeschafft. „Für uns ist die
Residenzpflicht beendet“, so der Kongolese.
Immer wieder waren die Flüchtlinge bei ihrem Protestmarsch von Würzburg und
Bayreuth aus von der Polizei aufgehalten, kontrolliert und zum Teil zurück
in ihre Unterkünfte gebracht worden. Die meisten Flüchtlinge hatten sich
dem Protestmarsch aber stets wieder angeschlossen – auch wenn sie damit
gegen die Regelung verstießen.
## Kämpfen für Menschenrechte
Medhi Kazemi plädierte für eine Lockerung des Bleiberechts. „Wir haben
viele Gefahren auf uns genommen, um hier her zu kommen“, sagte der Iraner
an die PolitikerInnen gewandt. „Wenn sie in an unserer Stelle wären, würden
sie auch für ihre Menschenrechte kämpfen.“ Ghlam Vali schließlich trat für
die Abschaffung der Essenspakete ein und bat darum, man möge Flüchtlingen
schneller ermöglichen zu arbeiten. „Wer gezwungen ist, als Flüchtling in
Deutschland zu leben, führt das Leben eines Gefangenen“, sagte der
Pakistani. „Ohne Arbeitserlaubnis sind wir zur Schwarzarbeit gezwungen und
dem Staat entgehen Millionen an Steuergeldern.“
Geplant war die Unterredung eigentlich in der Gaststätte des bayerischen
Landtags. Auf Druck der Münchner Polizei und des Landtagsamtes wurde die
von der SPD angemeldete Veranstaltung jedoch einen Tag vor dem Treffen
abgesagt und ins Eine-Welt-Haus in München verlegt. Offenbar hatte die
Polizei im Vorfeld „Sicherheitsbedenken“ angemeldet. Nach dem
Flüchtlingsstreik am Münchner Rindermarkt Anfang Juli, bei dem
protestierende Asylsuchende zuerst in einen Hunger- und wenige Tage später
in einen Durststreik getreten waren, fürchten die Behörden offenbar eine
Wiederholung dieser Aktion.
Wenn auch am anderen Ort, das Treffen fand nun dennoch statt. Vor allem von
Seiten der Oppositionspolitiker bekamen die Flüchtlinge viel Zuspruch. Die
Residenzpflicht gehöre abgeschafft, beteuerten die VertreterInnen von
Grünen, SPD und Freien Wählern, die Essenspakete und das Verbot zu Arbeiten
ebenso. Nur: Umsetzten können die drei Parteien nichts davon. Dazu fehlt
ihnen im bayerischen Landtag schlicht das Mandat. Seit dem vergangenen
Sonntag regiert die CSU wieder allein in Bayern.
## Anhörung im Landtag
Deshalb war es vor allem das, was Martin Neumeyer zu sagen hatte, was die
Flüchtlinge hören wollte. Der CSU-Mann ist Integrationsbeauftragter der
bayerischen Staatsregierung. Doch von ihm gab es nur eine einzige Zusage:
Eine Anhörung im Landtag, bei dem die Asylsuchenden ihre Situation
schildern und ihre Anliegen vorbringen können, wie von der
Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Margarethe Bause vorgeschlagen, sei wohl
möglich.
Ob daran aber auch die Abgeordneten des Rechts- und Innenausschusses
teilnehmen werden, wie von den Flüchtlingen gewünscht, darauf könne er
hinwirken, versprechen aber könne er es nicht.
Die geplante Anhörung, das fügten die beteiligten Politiker an, sei
frühestens im Frühjahr 2014 möglich. „Ich rate den Flüchtlingen bis dahin,
wieder zurück in ihre Quartiere zu gehen und zu warten“, sagte der
CSU-Integrationsbeauftragte Neumeyer. Dann musste er weg – zum nächsten
Termin.
17 Sep 2013
## AUTOREN
Marlene Halser
## TAGS
Protestmarsch
Flüchtlinge
Bleiberecht
Geflüchtete
Residenzpflicht
Flüchtlinge
Kopftuch
Schwerpunkt Landtagswahlen
München
Sachleistungen
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