| # taz.de -- Biotrinker-Vertrieb „Gekko“: Brause von links | |
| > Das Kollektiv „Gekko“ versorgt die Alternativen und Angesagten mit | |
| > Getränken, die zu ihnen passen. Ohne Selbstausbeutung geht das nicht. | |
| Bild: Eine Limonade, die der Mode unterworfene Distinktionsmerkmale aufweist: G… | |
| BERLIN taz | Nach der Wende, als in Westberlin alle in den Osten | |
| verschwanden, war in den Bezirken Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln erst | |
| einmal nichts mehr los. Sogar in der Oranienstraße konnte man nach 22 Uhr | |
| die Bürgersteige hochklappen. Aber spätestens ab 2001 ging es wieder los – | |
| und wie! Ab dieser Zeit fielen die Juveniltouristen und Easyjetter zu | |
| Tausenden in die einstigen Problembezirke ein und fingen an, sie nach und | |
| nach zu gentrifizierten. | |
| Auch die Autonomen und Alternativen wollten spätestens ab da ebenfalls von | |
| dem „Berlin-Hype“ profitieren: Sie gründeten als Kollektiv und meist mit | |
| wenig Geld Kneipen, Clubs oder Cafés und veranstalteten Musikfestivals, von | |
| denen einige inzwischen berühmt wurden – das „Fusion Festival“ in | |
| Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel. | |
| Weniger bekannt sind die Kollektive, die sich an die Herstellung von | |
| Getränken machten, um diese ganzen Locations zu beliefern, und noch weniger | |
| kennt man deren Vertriebsgenossenschaft Gekko. Sie bewirtschaftet zwei | |
| riesige Hallen am Viktoriaspeicher in der Köpenicker Straße – in ebenjener | |
| Straße in den Stadtteilen Mitte und Kreuzberg also, an der oder in deren | |
| Nähe viele über die Berliner Grenzen hinaus bekannte Clubs zu Hause sind | |
| oder waren. | |
| Ebenso das öfter umkämpfte alternative Wohnprojekt „Köpi“. Gekko besitzt | |
| einige Lkws und beschäftigt 25 Mitarbeiter. Viele sind jung, benutzen gerne | |
| das Wort „cool“, haben sich zum Teil tätowiert und zahlen sich einen | |
| Einheitsstundenlohn von 8 Euro und organisieren sich so, dass auch eine | |
| Alleinerziehende mit zwei Kindern nicht übermäßig gestresst wird. | |
| ## Codes für die Szene | |
| Zwischen der Auftragsbearbeitung bleibt in diesem Duz-Betrieb noch Zeit, um | |
| zum Beispiel Büropflanzen umzutopfen. Ihre kleinen Büros hinter den Hallen | |
| mit den riesigen Hochregalen sind noch immer so sparsam eingerichtet wie | |
| die der taz in ihrer Anfangszeit. Auch das Milieu ist sich noch ähnlich: So | |
| spricht man nicht von „vernetzt“, sondern von „verbandelt“, wenn es um | |
| Kunden – darunter viele dem linken und alternativen Milieu zuzurechnende | |
| Clubs und Kneipen, Lieferanten und Hersteller – geht. Wobei Gekko vor allem | |
| solche unterstützt, die biologisch, fair und regional produzieren. Vor den | |
| Hallen parken Selbstabholer. Eine Frau lädt gerade zwei Kisten | |
| Mineralwasser und eine Kiste Bier in ihren VW-Golf. | |
| Die Produkte der „sozialen“ und „ökologischen Unternehmen“, die sich i… | |
| Regalen stapeln, haben Namen, die der Szene, für die sie gemacht sind, | |
| ideologisch mehr oder weniger entgegenkommen – sie sind subkultureller | |
| Code, der Mode unterworfene Distinktionsmerkmale. Vor gar nicht allzu | |
| langer Zeit liefen alle noch mit Becks-Bierflaschen nachts durch den Kiez, | |
| heute immer mehr mit Mate. | |
| Die Gekko-Getränkeliste umfasst den Bio Gin „Berliner Brandstifter“ ebenso | |
| wie das lokale Cidre „OBC“, „Rotkehlchen“, ein Bio-Bier aus dem Stadtte… | |
| Köpenick, Kaffeesorten wie „Las Chonas“, der von einer Frauenkooperative in | |
| Honduras kommt, „Viva con Aqua de Sankt Pauli“ – das Mineralwasser verkau… | |
| ein Hamburger Kollektiv, das Projekte unterstützt, die gegen die | |
| Privatisierung von Wasser kämpfen – und den Pfefferminzlikör „Berliner | |
| Luft“ vom russischen Spirituosenhersteller Schilkin in Berlin-Kaulsdorf. | |
| Gekko vertreibt keine Coca-Cola und keine Pepsi, stattdessen die DDR-Marke | |
| „Club-Cola“, die heute vom Mineralwasserkonzern „Spreequell“ in | |
| Berlin-Weißensee hergestellt wird. Außerdem die arabische „Haji Cola“ mit | |
| Dattelsirup, und „Fritz-Cola“, die laut der Gekko-Genossenschaftsrätin | |
| Christel Boguslawski „wie eine Bombe eingeschlagen hat“. Sie wird von zwei | |
| Hamburgern hergestellt, die Mitglied in der Gekko-Genossenschaft sind. | |
| ## Astra geht nicht | |
| Daneben „boomen“ wie erwähnt die Mategetränke – „Club-Mate“ von der | |
| fränkischen Brauerei Loscherund, „Gekko Mate“ von zwei mit dem | |
| Gekko-Kollektiv verbandelten Leuten in Berlin-Schöneberg. Und statt | |
| „Bionade“, die „nicht mehr so gut geht“, wie es heißt, verkauft Gekko … | |
| vor allem Limonaden „Biozisch“ vom Safthersteller Voelkel bei Gorleben, | |
| „Kreuzbär“ – eine Fassbrause aus Kreuzberg – sowie „Now“ vom pfäl… | |
| Biobierhersteller „Lammsbräu“. | |
| Und natürlich gibt es bei Gekko auch noch diverse Gesundsäfte – von Elm, | |
| Buchholzer und Bauer zum Beispiel, aber ebenso die gängigen Biere – aus | |
| Polen und Tschechien sowie die zu gewisser jugendkultureller Berühmtheit | |
| gekommenen Billigbiere „Sternburg“ und „Astra“, wobei Letzteres von der | |
| Genossenschaftsrätin wegen seiner „sexistischen Werbung“ abgelehnt wird. | |
| Überhaupt behält sich Gekko vor, so sagt sie, „faire Produkte, die sich als | |
| unfair produziert herausstellen, aus dem Angebot zu streichen. Wir können | |
| uns aber nicht alles erlauben – bei großen Kunden müssen wir schon | |
| Kompromisse machen.“ Und sowieso „können wir nicht mithalten mit den groß… | |
| Getränkehändlern, die billiger liefern können. Wir müssen jedes Mal in | |
| Vorkasse gehen und haben noch Bankkredite zu bedienen.“ | |
| ## Gier nach Kundendaten | |
| Kompensiert wird dies alles durch lange Arbeitstage und Sechstagewoche – | |
| „durch sehr viel Einsatz und Enthusiasmus“. Dazu gehören auch die | |
| „persönlichen Kontakte“ zu den Kunden: Die von „Rock für Links“ bitte… | |
| Beispiel um Unterstützung für ihr Festival, oder ein „Hausprojekt“ fragt | |
| nach Rabatt. Umgekehrt versuchen die Gekko-Genossen ihnen die neuen | |
| Produkte ihrer Lieferanten schmackhaft zu machen und die einen wie die | |
| anderen als Genossenschaftsmitglieder zu werben, was Preisnachlässe | |
| einbringt. | |
| Es geht daneben auch darum, „neue kleine Firmen zu unterstützen“. Ein | |
| Hersteller exotischer Getränke sprang ab, als er eine bestimmte Größe | |
| erreicht hatte, einen anderen Hersteller listete Gekko auf Anraten des | |
| Berliner Datenschutzbeauftragen aus, weil er unbedingt deren Kundenadressen | |
| haben wollte. | |
| Die ersten Anfänge des Gekko-Kollektivs liegen zwölf Jahre zurück, die | |
| Ausweitung des Geschäfts ergibt sich nicht zuletzt über „Verbandelungen“ … | |
| der Szene. Vor sechs Jahren pachtete die Genossenschaft ihre Hallen am | |
| Viktoriaspeicher. Einige Jahre gehörte auch noch ein „Gekko Kiezladen“ im | |
| Bezirk Neukölln dazu, der ehrenamtlich betrieben wurde, den man jedoch nach | |
| einer Mieterhöhung aufgab. | |
| ## Was der Kneipenbetrieb so braucht | |
| Deshalb hat Gekko neben Getränken auch heute noch Toilettenpapier und | |
| Nudeln im Angebot – Dinge, die von den Kneipenkollektiven nachgefragt | |
| werden. | |
| In wenigen Tagen kommt schon die nächste Stufe: Anfang Oktober wird Gekko | |
| sich auf der Internetplattform „Start Next“ mit einer | |
| „Crowd-Invest-Kampagne“ vorstellen. Crowdfunding meint das im Internet | |
| immer häufiger auftretende Finanzieren eines Projektes durch Spenden vieler | |
| Menschen. Damit will Gekko, so die schöne Formulierung der | |
| Genossenschaftsrätin, eine „Verwebung“ zwischen Produzenten, Händlern und | |
| Kunden anstreben. | |
| Es geht auf dieser Handelsplattform um die Finanzierung eines Unternehmens | |
| auf Basis von kollektivem Eigentum – also um die Verwirklichung einer Idee. | |
| 7 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Helmut Höge | |
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