# taz.de -- Neue Limonadenmarke „Ände“: Von Limomut und Ferndurst | |
> Der deutsche Markt für Erfrischungsgetränke ist hart umkämpft. Andrea | |
> Stenz und ihre beiden Mitstreiter haben es geschafft und verraten ihre | |
> Tricks. | |
Bild: Andrea Stenz: Ihr Vater nannte sie „Ände“ und gab so einer Limonade … | |
Eines wussten Andrea Stenz und Dominik Seele: „Irgendwann wollen wir was | |
Eigenes machen.“ Was Handfestes, nichts Abgehobenes. Es sollte nachhaltig | |
sein, vielleicht sogar die Welt besser machen. Das Eigene sollte auf sie | |
zukommen, und so sei es dann auch gewesen, sagt Stenz. Als es sich ihnen | |
zeigte, ihr Baby, wussten sie sofort: Das ist es. Ihr Baby sind Limonaden. | |
Limonaden? | |
Die Herausforderung hätte auch ein wenig kleiner sein können. Denn nachdem | |
Bionade Mitte der Nullerjahre [1][den deutschen Limonadenmarkt aufmischte] | |
und vormachte, dass neben Fanta, Cola, Sprite und Schweppes noch Platz für | |
Besseres ist, wird der Markt mit weniger süßen, häufig in Bioqualität | |
hergestellten Limonaden, nun ja: überschwemmt. Und da kommt also im Jahr | |
2014 ein junges Paar, sie Juristin, damals 34, er Politikwissenschaftler, | |
damals 31, und ist der Meinung, Limonade sei genau das, womit auch sie ihr | |
Glück versuchen wollen. | |
Schon bald bekommt das Baby einen Namen: „Ände“. Ände ist der Spitzname v… | |
Andrea Stenz. Ihr Vater hat ihn ihr gegeben. Vor allem habe er „der Ände“ | |
gesagt. Andrea, der Ände. „Wahrscheinlich hat er sich doch einen Sohn | |
gewünscht“, sagt sie. Jetzt hat er zumindest einen Enkel. | |
## Eine Geschäftsidee ohne Glamour | |
Fünf Sorten Ände gibt es inzwischen. Angefangen hat es mit zwei | |
Ingwerlimos, eine soft als „Gentle Ginger“, eine schärfer als „Ginger | |
Root“. Dann gibt es noch die Traubenlimo „Limovasi“, die Minz-Zitronensor… | |
„Limo-Nana“, das „Agua fresca Ananas“ und jede Menge Irritation, dass z… | |
Menschen mit dieser Geschäftsidee, so ganz ohne Glamour, doch reüssieren | |
könnten. | |
Andrea Stenz trägt gelbe Stoffbeutel in ein Hinterhofbüro im Berliner | |
Bezirk Prenzlauer Berg. Gleich wird sie etwas tun, was sie „Umpacken“ | |
nennt. Sie lässt einen Teil ihrer Limonade dort und lädt stattdessen | |
Getränke von anderen nachhaltig produzierenden Start-ups in ihr Auto: | |
Kaffeelimonade, Biere und Spirituosen. Eine weitere Frau tut es Andrea | |
Stenz gleich, beide werden anschließend die Berliner Alnatura-Märkte | |
abklappern. Weil sie aber zwei sind, die die Produkte der anderen | |
dabeihaben, muss jede nur die Hälfte der Märkte aufsuchen. „Ja, das ist | |
eine schöne Kooperation“, sagt Gabriel Grote von Grote Spirits, in dessen | |
Büro das Umpacken passiert. | |
In alles müsse man sich eben reinfummeln, sagt Andrea Stenz. Die Idee ist | |
das eine, die Umsetzung und der ganze Rattenschwanz, der daran hängt, das | |
andere. Rohstoffe finden, Zusammensetzungen ertüfteln, Kalkulationen | |
erstellen, Hersteller aufspüren, ein Produkt daraus machen. Und wenn es das | |
Produkt gibt, muss es unter die Leute. Dafür braucht es Ideen. Kooperation | |
und nicht Konkurrenz ist so eine Herangehensweise, die sie sich ausgedacht | |
haben. „Für Kooperation brenne ich“, sagt Stenz. | |
Jedes Unternehmen braucht eine Story. Die von Ände geht so: Andrea Stenz | |
und Dominik Seele lernen sich im Studium kennen. Später arbeitet sie als | |
Juristin in der Seniorenpflege, er bei [2][Refood], einem Unternehmen, das | |
Speiseabfälle weiterverwertet, daraus etwa Biogas macht. Neben ihrer | |
Fernbeziehung treibt die beiden die Frage um: steile Karriere im | |
Unternehmen oder ausscheren? „Sich ein Träumchen erfüllen“, wie Stenz sag… | |
Auf jeden Fall sparen sie schon mal, auch wenn sie nicht wissen, wovon sie | |
träumen. | |
## Die Erleuchtung kam in Ostafrika | |
Eine gemeinsame Leidenschaft aber haben sie schon: das Reisen. In Ostafrika | |
sei sie einmal sehr durstig gewesen, erzählt Stenz. „Probier doch Ginger | |
Beer“, schlug Dominik Seele vor, als sie im Supermarkt vor den Getränken | |
standen. Sie: „Da ist doch Alkohol drin.“ Er: „Quatsch.“ Sie probiert u… | |
ist begeistert. „Ingwerbier ist in manchen Ländern, was bei uns | |
Apfelschorle ist.“ | |
Auf den Geschmack gekommen, sucht sie auch in Deutschland danach und findet | |
Ingwerbier nicht. Da war es, das Träumchen: „Das ist es!“ | |
Im Jahr 2014 fangen sie an, melden sich beim Fachbereich Brauentwicklung an | |
der Technischen Universität Berlin, sagen, was sie vorhaben, machen einen | |
Forschungs- und Entwicklungsvertrag. Zusammen mit Studierenden wird eine | |
Rezeptur für Ingwerbier ausgetüftelt. „Und immer wieder getestet.“ | |
Nach zwei Jahren scheint ihnen der Geschmack perfekt. Im Jahr 2016 gibt es | |
die erste Abfüllung der Limonade in den zwei Geschmacksrichtungen. Die für | |
Ingwerbier-Einsteiger und die für Fortgeschrittene. Dass auch die Limo für | |
Fortgeschrittene nur moderat ingwerscharf ist, sei der Wirtschaftlichkeit | |
geschuldet. „Es muss viele Menschen erreichen“, sagt Stenz. „Wir überleg… | |
aber hin und wieder eine Special Edition für echte Hardcore-Ingwerfans zu | |
machen.“ Damals ging das noch nicht. Damals machte Dominik Seele das alles | |
noch neben seinem Job. Erst 2018 kündigt er. | |
## Trinken, was ans Anderswo erinnert | |
Eine Studentin findet dann das Wort, das zu den Ände-Limos passt: | |
„Ferndurst“. Trinken, was ans Anderswo erinnert. Das ist nun Konzept. „Ä… | |
hilft bei Ferndurst.“ Man kann nicht immer in das andere Land reisen, aber | |
man kann es schmecken: Die Minz-Zitronenlimo kopiert arabische Vorlieben, | |
die Traubenlimo ist von Schwarzmeerländern inspiriert. „Ich schmecke die | |
Landschaft, die Sonne. In Georgien haben wir Freunde“, sagt Stenz. | |
Richtig ab geht vor allem die neueste Kreation, die Ananaslimo. Jonas | |
Lackmann, der ein Praktikum bei Ände machte und hängen blieb, stieß in | |
Mexiko darauf. Nicht zu süß und prickelnd, erinnert sie im Geschmack und | |
Mundgefühl sogar an einen leichten fruchtigen Sekt. Weitere Kreationen sind | |
geplant. | |
Der Prozess von der Idee zur Limo ist lang. Denn alles muss den | |
Ände-Kriterien entsprechen, Bio, Nachhaltigkeit, Mehrweg. Hergestellt | |
werden die Getränke in einer Familienbrauerei in Niedersachsen, die Minze | |
wird in Bayern geerntet, in Berlin extrahiert. Für jede Zutat muss eine | |
Lösung her. Auch die Lieferketten sollen fair sein. Ihr Büro sei eigentlich | |
das Auto, sagt Stenz. Es mache ihr aber nichts aus. „Ich bin ein | |
Draußenkind.“ | |
Ände ist seit 2018 so weit, dass drei Menschen davon leben können. 450.000 | |
Flaschen Limo verkauften Stenz und ihre Mitstreiter im Jahr 2019. Eine | |
kostet 1,49 Euro. Fünf Prozent vom Erlös wird in soziale Projekte gesteckt. | |
Das soll das Gute dieser Limonade unterstreichen. | |
Es sei nicht nur PR, es sei auch Überzeugung, meint Stenz. Unter anderem | |
fördern sie [3][NFTE], eine Organisation, die LehrerInnen in | |
Entrepreneurship ausbilden. Dann das Projekt [4][Start up your Future], das | |
Geflüchtete unterstützt, die etwas gründen wollen. „Es muss“, meint Sten… | |
„mehr passieren als zu wirtschaften um des Geldes willen.“ So also sind sie | |
rausgekommen in einem umkämpften Markt. „Aber welcher Markt ist nicht | |
umkämpft?“, fragt Stenz zurück. | |
18 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Bionade-Werbung/!5197974 | |
[2] https://www.refood.de/rf/lebensmittelentsorgung/ | |
[3] http://www.nfte.de | |
[4] https://wjd.de/projekte/start-up-your-future | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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