| # taz.de -- Robert Habeck über Fehler der Grünen: „Es ist okay, in Deutschl… | |
| > Robert Habeck wirft seiner Partei Rechthaberei vor. Die Grünen müssten | |
| > die Leute abholen und ein freudvolles Verhältnis zum Staat entwickeln. | |
| Bild: Grünes Wahlergebnis: Was lief denn da schief? | |
| taz: Herr Habeck, die Grünen sind nach ihrem Wahldebakel tief verunsichert. | |
| Wie haucht man einer am Boden zerstörten Partei Selbstbewusstsein ein? | |
| Robert Habeck: Neues Selbstbewusstsein kann man nicht einfach verordnen. | |
| Bei einer Partei wie den Grünen entsteht es nur durch einen offenen | |
| Diskurs. Der Länderrat, auf dem die wichtigsten Punkte angesprochen wurden, | |
| war der Anfang eines kathartischen Reinigungsprozesses, der notwendig ist. | |
| Wir befinden uns sicher noch im Tunnel, aber wir sehen bereits Licht. | |
| Sie fordern, die Grünen müssten anders auf die Gesellschaft zugehen. Wie | |
| genau? | |
| Die Grünen müssen sich entscheiden, ob sie sich in einer Nische einnisten | |
| oder breit wirken wollen. Die Nischenantwort lautet: Wir bleiben klein, | |
| fein und rein, kämpfen für unsere Wahrheiten und warten dann eben so lange, | |
| bis die Gesellschaft unser Steuerkonzept endlich verstanden hat. Das ist | |
| die „8 bis 10 Prozent“-Strategie. | |
| Verraten Sie uns die Habeck-Strategie. Wir muten der Gesellschaft keine | |
| schmerzhaften Fragen zu und holen 25 Prozent? | |
| Das wäre Merkel-grün und auch falsch. Aber wir haben eben keine Fragen | |
| zugemutet und andere in die Situation gebracht, darauf Antworten geben zu | |
| müssen. Wir haben ausgestrahlt: Wir wissen alles. Und jeder, der was | |
| anderes weiß, liegt nicht nur falsch, sondern ist auch noch böse. | |
| Was schlagen Sie also vor? | |
| Wir müssen den Gestus ändern, mit dem wir der Gesellschaft begegnen. Dieses | |
| „Wir gegen die“ ist nicht mehr zeitgemäß. Und zahlenlastige Rechthaberei | |
| auch nicht. Stattdessen sollten die Grünen die Menschen da abholen, wo sie | |
| stehen, wo ihre Bedürfnisse sind. Nicht die Grüne Partei bestimmt, was die | |
| gesellschaftliche Mitte ist. Die Menschen tun es. | |
| Auf die Mitte zugehen, das war der Job von Katrin Göring-Eckardt im | |
| Wahlkampf. Zielt Ihre Kritik auch auf sie, die ja Fraktionschefin werden | |
| will? | |
| Spitzenkandidaten stehen immer in der symbolischen Verantwortung. Wer | |
| gewinnt, ist der Held. Wer verliert, kriegt auf die Mütze. Das ist bitter | |
| und ungerecht, aber so funktioniert das politische Geschäft. Deswegen | |
| sollten die Realos sich eingestehen, dass gerade sie nicht die Kraft | |
| hatten, genug Ausstrahlung in bürgerliche Milieus zu entwickeln. Dass | |
| Jürgen Trittin wie Jürgen Trittin ist, wussten doch alle vorher. Das | |
| ausgleichende Element fehlte. | |
| Große Frage: Wie müssen die Grünen im Jahr 2017 aussehen? | |
| Die Grünen müssen ihr emotionales Verhältnis zur Gesellschaft klären. „Wir | |
| leben in einem Scheißsystem, und das müssen wir attackieren und ändern.“ | |
| Dieser Satz aus den 80ern stimmt einfach nicht mehr. Es ist okay, in | |
| Deutschland zu leben, ja, es ist sogar schön. Und Merkel ist nicht Helmut | |
| Kohl geschweige denn Franz Josef Strauß. Wir repräsentieren längst selbst | |
| den Staat. Die Frage ist doch nur, welchen Staat, ob das Ganze auch | |
| freudvoll und cool sein kann. | |
| Wirtschaftsverbände kämpften brutal gegen Steuerpläne der Grünen. Ist da | |
| Versöhnlichkeit nicht etwas naiv? | |
| Klar tun sie das. Sie glauben, das ist ihre Daseinsberechtigung. Und die | |
| muss man verändern. Ich musste neulich vor 1.500 Bauern auftreten, die mich | |
| alle auspfiffen. Solchen Menschen muss ich dann aber Brücken bauen, über | |
| die sie zu mir kommen können. Frei nach Max Frisch: Man soll dem anderen | |
| die Wahrheit nicht wie einen nassen Waschlappen um die Ohren schlagen, | |
| sondern sie hinhalten wie einen Mantel, in den man hineinschlüpfen kann. | |
| Aber es geht doch um die Machtfrage. Eine Partei, die etwas will, muss sich | |
| in Konflikten positionieren. | |
| Genau. Und die Machtfrage haben wir nicht für uns entschieden. Wir haben | |
| sie verloren. Und jetzt können wir jammern, dass die anderen böse sind, | |
| Großkapitalisten und Lobbyisten. Oder wir analysieren, wieso unsere | |
| Antworten nicht ausreichend angekommen sind. | |
| 29 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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