# taz.de -- 30 Jahre taz-Leibesübungen: Kumpelige Klauer | |
> Vor genau 30 Jahren begannen „Die Leibesübungen“ in der taz diebisch. Ein | |
> gestohlener Text wurde zur ersten großen Geschichte auf der neuen Seite. | |
Bild: Schon Anfang der 80er hat die taz vor einem Bundestrainer Berti Vogts gew… | |
Besonders hübsch war sie nicht, die erste Leibesübungen-Seite in der taz. | |
Ganz viel Text und ein ganz kleines Bild. Im Aufmacher ging es um den | |
Absturz eines ehemaligen Boxeuropameisters, der als Kneipenwirt unliebsame | |
Gäste regelmäßig aus seinem Etablissement prügelte. Eine irre Sozialstudie | |
war das. Aber wer hat sie geschrieben? Das haben die Leser der taz nicht | |
erfahren. Denn der Text war geklaut. Immerhin gab es eine Quellenangabe. | |
„Gekürzt aus Profil 37/83“ stand unter dem Text. | |
„Davon ist mir nichts bekannt“, sagt Paul Yvon auf die Frage, ob er weiß, | |
dass er der Autor des ersten Sportaufmachers in der taz ist. Der | |
Journalist, der die Boxer-Story für das österreichische Nachrichtenmagazin | |
Profil geschrieben hat, kann sich nicht daran erinnern, ob man ihn um | |
Erlaubnis für einen Nachdruck gefragt hat. Kein Wunder. Derartige | |
Nachfragen waren alles andere als üblich in der taz-Praxis jener Jahre. | |
„Wenn ein Text gut war, haben wir ihn gedruckt“, erinnert sich Matti | |
Lieske, einer der Gründungsredakteure des Leibesübungen-Ressorts. | |
Mit Fragen des Urheberrechts ging man eher leger um in jener Zeit, in der | |
auf taz-Papier schon mal für das „Recht auf freien Raubdruck“ geworben | |
worden ist. Dabei hätte man Yvon ruhig fragen können. Der Journalist, der | |
sich selbst als „alten 68er“ bezeichnet, schätzt die taz bis heute wegen | |
ihrer Funktion als „kleines Leuchtfeuer gegen die Durchökonomisierung der | |
Gesellschaft“. Er hätte der taz den Text geschenkt. Viel anders würde er es | |
auch heute nicht machen, wenn ihn man fragen würde, ob er eine seiner | |
Geschichten zum Nachdruck freigeben würde. „Vielleicht würde ich um eine | |
Spende für in Not geratene Migranten bitten“, sagt er. | |
Jedenfalls befindet sich Paul Yvon als Autor, dessen Name in der Zeitung | |
nicht genannt wurde, in bester Gesellschaft. Nur einen Vornamen oder einen | |
Spitznamen unter einen Text zu setzen, war lange durchaus üblich in der | |
taz. Das lag nicht allein daran, dass die Autoren und Redakteure uneitel | |
und bescheiden waren, sondern hatte bisweilen existenzielle Gründe. Ein | |
taz-Sportler wollte unbedingt vermeiden, dass die Behörden von seiner | |
Tätigkeit für die Zeitung Wind bekamen. Sein Arbeitslosengeld wollte er | |
nicht riskieren und so wurde aus Matthias Lieske schlicht Matti. | |
## Lässige Ansprache | |
Im Ergebnis stand eine doch recht lässige Ansprache an die Leserschaft. In | |
dieser beinahe schon ranschmeißerischen Art ging man zunächst auch an die | |
Interviewpartner heran. Im ersten Interview, das auf einer Sportseite | |
stand, wurde die deutsche Gewichtheber-Ikone Rolf Milser gnadenlos geduzt. | |
TV-Presenter Waldemar Hartmann, den die Süddeutsche Zeitung einst als | |
Duzmaschine geadelt hat, hätte nicht kumpeliger an das Gespräch herangehen | |
können. „Anabolika, leistungsfördernde Mittel, Doping, ich nehme an, Du | |
wirst mir jetzt erzählen, dass Du sowas ja gar nicht nimmst?“, fragte die | |
taz den Hantelreißer, worauf Milser, so steht es geschrieben, gekichert | |
haben soll. | |
Heute wäre der starke Rolf auch in der taz Herr Milser. Und die Sportseiten | |
sehen hoffentlich allesamt deutlich besser aus als das Premierenblatt. Nur | |
eines hat sich von Anbeginn der Leibesübungen-Tage nicht geändert. Der | |
aktuelle Fußballkommentar heißt bis heute „Press-Schlag“. Und die großen | |
Bedrohungen für den Fußball wurden dort von Anfang an klar erkannt. Schon | |
im Jahr 1983 hatte die taz Angst vor einem Bundestrainer namens Berti | |
Vogts. Er wurde als die „größte Gefahr bezeichnet, die dem deutschen | |
Fußball droht“. | |
18 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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