# taz.de -- Im Büro mit den Leibesübungen: Unter Sportlern | |
> Über die Unfähigkeit einer Nachbarin des Sportressorts, ihren Kollegen | |
> eine Festschrift zu basteln. Schöne Erinnerungen gibt es dafür zuhauf. | |
Bild: Da zeigt einer, dass er Sport nicht nur beschreiben kann. Norbert Thomma … | |
Wattstraße. Berlin-Wedding. Anfang 1989. Wir saßen sehr bescheiden. Auf | |
engstem Raum. Ich am Katzentisch. Matti und Thömmes, die zwei äußerst | |
sympathischen Sport-Kollegen, waren so freundlich, mich in ihrem Büro | |
aufzunehmen. Ich durfte ihrer trauten Zweisamkeit beiwohnen. Sie, der | |
Sport, und ich, die Reise. Wir waren – und sind – die schönsten Nebensachen | |
der taz. Manchmal roch es streng in dem kleinen Raum, hinter dem Büro der | |
streitbaren Frauenredaktion. Dann hatte meist eine etwas ungeklärte | |
Aushilfe der Sportler unser bescheidenes Büro als noch bescheideneren | |
Schlafplatz missbraucht. | |
Matti und Thömmes waren Kollegen, aber vor allem dicke Freunde, | |
Wohngenossen. Sie verfolgten die schöne Utopie vom gemeinschaftlichen | |
Arbeiten und Leben. Und sie verwirklichten sich beim Aufbau einer | |
Sportredaktion in der taz, unterstützt von anderen sportaffinen | |
taz-Freunden. Denn Sport, das war damals umstritten: politisch nicht | |
wertvoll, banal, populistisch. | |
Sie waren eine feste Clique – der Matti, der Thömmes, der Uli, der Manfred | |
und ihre Autoren drumherum. Sie liebten Sport, die taz und die Möglichkeit, | |
viel auszuprobieren. Es war ein fortschrittlicher Männerbund, ein | |
vielseitiges Netzwerk, das sich gegenseitig motivierte, beflügelte und | |
humorige Texte fabrizierte. Die Sportseiten der taz: kreativ, unterhaltsam, | |
intelligent, überraschend, eigenwillig – Baseball ganz groß, Motorsport | |
nie. Frauen gab es nicht, sie schwebten allenfalls wie Planeten am Rande. | |
Bis Michaela Schießl kam. | |
Ein Prachtweib: mutig, selbstbewusst, schön, klug. Sie passte sich | |
wunderbar ein, wickelte alle um den Finger. Die Quotenfrau als Ereignis. | |
Sie konnte schreiben, recherchieren und liebte fast jede Sportart, außer | |
Fußball. Schießl wurde gefördert, gefordert und geliebt. Sie eroberte den | |
inneren Kern der Männer-Clique. Sie war Teil davon. | |
## Der Bob Dylan des American Pie | |
Matti war der Poet unter den Sportlern, ein Bob Dylan des American Pie, ein | |
Feingeist, ein Leisetreter, ein Analytiker und Essayist. Schon ein | |
Interview schien ihm vulgär, als Verletzung der Intimsphäre des | |
Interviewten. Er kultivierte das Sport-Feuilleton. Thömmes war der Smarte, | |
der Unterhalter, der Frauentyp. | |
Schießl und Thömmes wurden irgendwann abgeworben. Und wieder und zum | |
letzten Mal saß eine Frau in der Sportredaktion: Cornelia Heim blieb ein | |
halbes Jahr, bevor sie –es ist kein Klischee – dem Ruf der Liebe nach | |
Hamburg folgte. Selbstverständlich ein Sportredakteur! Matti blieb. Ein in | |
sich gekehrter Lonely Cowboy, der die anarchisch-verspielte | |
feuilletonistische Tradition des taz-Sports hochhielt und ihn mit Peter | |
Unfried verjüngte. | |
Der war – ganz anders als Matti – dem investigativen Journalismus und dem | |
Interview zugetan. Er beging – im freudschen Sinn – Vatermord am Mythos | |
Matti. Was ihm selbst Flügel verlieh: Er wurde Chefredakteur. Nun zog mit | |
emotionaler Wucht, viel Humor und großer Liebe zum Triathlon Frank Ketterer | |
ein. Eine harmonische Zeit mit zwei fröhlichen Workaholics begann. Doch | |
Matti, dessen ehemalige Mitstreiter inzwischen bei Spiegel, Tagesspiegel | |
und Welt alle gut verdienten, wechselte überraschend zur Berliner Zeitung. | |
Frank litt und ging. | |
Eine neue Generation kam. Markus und Andreas. Statt Wein schlotzende, | |
superb kochende und ewig über die taz diskutierender Wohngenossen sind sie | |
nach Feierabend verantwortungsvolle Väter. Leben und Arbeit sind längst | |
zwei getrennte Welten. Ihren Job machen sie genauso gut, genauso | |
leidenschaftlich, weniger absolut vielleicht. Sie sind eigenwillig, | |
manchmal verschlossen, nicht sonderlich redselig. Geerdete Helden. Dass | |
keine Frau bei ihnen sitzt, liegt auch an der Natur der | |
Sportberichterstattung: Sportjournalistinnen sind rar und gefragt. | |
## Alles hat sich verändert – zum Glück | |
Dass ich seit Jahren die Chefin von – Reise, Sport, aber auch Wahrheit und | |
Wissenschaft – den Kleinressorts bin, liegt auch daran, dass lange Zeit | |
niemand auch nur die geringste Verantwortung übernehmen wollte: weder für | |
Sitzungen noch für Zeitungskritik oder Formales. Mann folgt mit | |
Leidenschaft seinen Interessen und will, dass niemand reinredet. | |
Das Kleinressort ist die taz von gestern: selbstbestimmt, | |
selbstverantwortlich, anarchisch, motiviert. Fast wie in den Anfängen der | |
Wattstraße, wo jeder sich seine Zeitung bastelte. Und das ist auch gut so. | |
Irgendwie. Zum Glück hat sich ja alles andere in der taz verändert: Es gibt | |
Marketing, Abteilungen, Zuständigkeiten, verbindliche Strukturen und Chefs. | |
Zum Geburtstag des Sportteils wünsche ich mir, dass Matti und Thömmes noch | |
einmal als die glorreichen Zwei gemeinsam wirken: im nostalgischen | |
Doppelpack wie Thomas Gottschalk und Günter Jauch – bei der Sonderausgabe | |
„50 Jahre Leibesübungen“. | |
18 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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