# taz.de -- Menschenhandel in Deutschland: Mit falschen Versprechen gelockt | |
> In Deutschland gibt es zahlreiche Opfer von Sklaverei und Menschenhandel. | |
> Die Konvention dagegen ist zwar unterschrieben, aber nicht umgesetzt. | |
Bild: Harte Arbeit, kein Geld: „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ sind oft vo… | |
BERLIN taz | 800 Euro jeden Monat wurden ihr versprochen. Doch als die | |
junge Frau aus Ecuador im November 2008 bei dem Ehepaar in Hamburg, bei dem | |
sie als Haushaltshilfe arbeiten sollte, ankam, sah sie sich getäuscht. | |
Statt des versprochenen Gehalts soll die heute 22-Jährige nur 119,45 Euro | |
erhalten haben – für ein ganzes Jahr. Im Dezember 2009 ist die Frau | |
geflohen. | |
Der Fall wird gerade vor dem Amtsgericht Hamburg verhandelt, das Paar ist | |
unter anderem wegen ausbeuterischen Menschenhandels angeklagt. Ein | |
Einzelfall? | |
Nein, sagt das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM) in Berlin. | |
„Menschenhandel und Arbeitsausbeutung sind hierzulande ein alltägliches | |
Problem“, meint Petra Follmar-Otto, Chefin der Abteilung | |
Menschenrechtspolitik beim DIM. Darauf macht die Lobbyorganisation am | |
heutigen Europäischen Tag gegen Menschenhandel aufmerksam. | |
Im Jahr 2011 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 640 Frauen und | |
Männer Opfer von Menschenhandel mit anschließender Zwangsprostitution. 32 | |
Personen wurden nach Deutschland verschleppt oder gelockt, um hier ihre | |
Arbeitskraft auszubeuten. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein. | |
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) spricht von 880.000 Menschen, | |
die in EU-Ländern eine Art „moderne Sklaven“ sind: Sie arbeiten für viel … | |
wenig Geld, sie leben unter erbärmlichen Bedingungen und ohne jeden Schutz. | |
Manche von ihnen werden gefangen gehalten. | |
Betroffen sind verschiedene Branchen: Pflege, sogenannte haushaltsnahe | |
Dienstleistungen, Gastronomie und Hotelgewerbe. Hier arbeiten vor allem | |
Frauen. In der Landwirtschaft, in der Bau- und in der Schlachtwirtschaft | |
werden insbesondere Männer ausgebeutet. | |
## „Endlich aktiv werden“ | |
Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren verschiedene | |
Gegenmaßnahmen eingeleitet: So hat sie eine Richtlinie sowie eine | |
Konvention gegen Menschenhandel erlassen. Deutschland hat die Konvention im | |
Jahr 2005 unterzeichnet und vor einem Jahr ratifiziert. „Passiert ist aber | |
nichts, Deutschland hat die Konvention nicht erfüllt“, kritisiert Naile | |
Tanis, Geschäftsführerin des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen | |
Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess (KOK). | |
Das trifft auch für die Richtlinie zu, die für alle EU-Länder verbindlich | |
ist. Jetzt fordern das Institut für Menschenrechte und die | |
Frauenorganisation die künftige Bundesregierung auf, „endlich aktiv zu | |
werden“. | |
Was könnte das Parlament konkret tun? Beispielsweise mit einem | |
entsprechenden Gesetz die Opfer stärker in den Fokus rücken, fordert Tanis. | |
Bislang hätten die Behörden vor allem die Jagd nach den Tätern im Blick. | |
Bislang läuft es vielfach so: Frauen werden mit der Aussicht auf einen | |
guten Job und dem Versprechen nach sozialer Sicherheit nach Deutschland | |
gelockt. Plötzlich finden sie sich als Zwangsprostituierte in einem Bordell | |
wieder. | |
## Kaum Hilfe für die Opfer | |
Schaffen sie es zu fliehen und sagen vor Gericht gegen ihre Peiniger aus, | |
werden sie mitunter vollkommen allein gelassen. Manche Verfahren dauern | |
Jahre. „Während dieser Zeit stehen die Frauen stark unter Druck“, sagt | |
Tanis. Manche bekommen kaum psychotherapeutische und finanzielle Hilfe, | |
nicht wenige von ihnen müssen sogar die Dolmetscher selber bezahlen. | |
Ein großes Problem und rechtlich nur schwer zu bekämpfen sei der | |
Menschenhandel unter „legaler Fassade“, sagt Follmar-Otto: Da werde ein | |
Koch für ein Spezialitätenrestaurant mit einem scheinbar korrekten | |
Arbeitsvertrag legal nach Deutschland geholt. In seiner Heimat hat der Koch | |
aber längst einen zweiten Vertrag unterschrieben, zu wesentlich | |
schlechteren Bedinungen. | |
18 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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