# taz.de -- Kein „Brennpunkt“ zu Merkels Handy: War was? | |
> Wenn es schneit, sendet das Erste einen „Brennpunkt“. Zur Ausspähung von | |
> Merkels Mobiltelefon gab es keinen. Angeblich auf Weisung von oben. | |
Bild: Statt „Brennpunkt“ kam am Donnerstag Kai Pflaume. Auch schön. | |
Der Herr über „Tagesschau“ und „Tagesthemen“, Kai Gniffke, wollte von | |
Rudeljournalismus nichts wissen. Alle fallen über die selbe Person her? | |
Keiner hält mehr inne? Pah. „Es gibt schon noch Medien, die selbst | |
bestimmen, was heute wichtig war“, sagte er vor einer Woche auf den | |
Münchener Medientagen – und sah seine Sendungen mit Sicherheit als Teil | |
„dieser Medien“. | |
Wie frei die ARD bei ihrer Festlegung ist, was vom Tage an Nachrichten | |
übrig bleibt und was nicht, zeigte sich am Donnerstagabend. Während viele | |
Journalisten im Lande froh waren, durch die Kanzlerin Angela Merkel und ihr | |
ausgespähtes Mobiltelefon endlich auf griffige Art zeigen zu können, wie | |
tief das Thema Überwachung durch Geheimdienste unsere Gesellschaft | |
durchdringt, hielt es der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, wohl | |
für angebracht, das Thema kleiner zu fahren. | |
Das heißt: ein bisschen Berichten in der „Tagesschau“, ein paar Statements | |
von Oppermann und Co. und später dann ein Talk dazu bei „Beckmann“. Einen | |
„Brennpunkt“ im Anschluss an die „Tagesschau“, der Millionen von Zuscha… | |
erreicht hätte, soll Herres verhindert haben – gegen den Willen der | |
ARD-Chefredakteure. So berichtet es [1][Stefan Niggemeier in seinem Blog]. | |
Das Erste hat in diesem Jahr 24 "Brennpunkte" gesendet, darunter zwei zu | |
Ägypten, zehn zum Hochwasser in Deutschland, einen zum Schneechaos und | |
einen zu fehlendem Personal bei der Bahn. Bei dieser Auswahl soll das | |
Thema, dass die deutsche Regierungschefin von einem ausländischen | |
Geheimdienst überwacht wurde, nicht wichtig genug sein? | |
## Twitter, löschen, facebooken | |
Niggemeier vermutet dahinter Quotengründe. Herres habe wohl gewollt, dass | |
Kai Pflaumes Show „Die deutschen Meister“ rechtzeitig startet. Das Erste | |
nannte diesen Verdacht auf Twitter „frei erfunden“ – [2][und löschte den | |
eigenen Beitrag gleich wieder], um kurz darauf doch zu antworten – [3][auf | |
Facebook]. | |
Es sei kein „Brennpunkt“ gesendet worden, „weil dieser ... zu diesem | |
Zeitpunkt kaum weitere filmische Erkenntnisse liefern hätte können“. Die | |
Entscheidungen „erfolgten ausschließlich aus inhaltlichen Gründen und nicht | |
– wie von Stefan Niggemeier in seinem Blog behauptet und frei erfunden –, | |
um eine Unterhaltungsshow nicht zu verschieben. Diese fand durch die | |
verlängerte Tagesschau-Ausgabe ohnehin später statt.“ | |
Dass die Quote bei der Abwägung für oder gegen einen „Brennpunkt“ keine | |
Rolle spielt, erscheint jedoch kaum glaubwürdig. Die Verantwortlichen des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks plaudern zwar bei öffentlichen | |
Veranstaltungen immer gern darüber, wie frei man sich machen müsste von der | |
Quote, am Ende ist sie aber auch für ARD und ZDF die einzig harte Währung. | |
Fragen Sie mal bei Redakteuren nach, was bei der Nachbetrachtung einer | |
Sendung als Erstes auf den Tisch kommt. Sicher nicht die Qualität der | |
Beiträge. | |
## Die zynische Seite der ARD | |
Sollte Niggemeiers Vorwurf stimmen, hätte Volker Herres mit seiner | |
Entscheidung gegen den „Brennpunkt“ mal wieder die zynische Seite der ARD | |
gezeigt. Sie bekommt mehr als 5,3 Milliarden Euro von den Beitragszahlern – | |
um frei zu sein, um unabhängig zu sein, um mehr bieten zu können als es dem | |
privaten Rundfunk möglich ist. Doch schlussendlich handeln die | |
EntscheiderInnen genauso wie die RTL's und Sat.1's dieser Welt. | |
Welche Begründung für diese „Gnade, öffentlich-rechtlich alimentiert zu | |
werden“, wie Kai Gniffke es nannte, gibt es noch, wenn wichtigste und | |
hochbrisante politische Themen einfach ausgeblendet werden – weil sie ja eh | |
keiner gucken würde? | |
„Ich nenne es bewusst Gnade“, sagte Gniffke in München anschließend, „d… | |
das ist etwas, das man nicht verdient hat.“ Zumindest wenn es so läuft wie | |
am Donnerstagabend. | |
25 Oct 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/ard-programmdirektor-verhindert-brennp… | |
[2] http://twitter.com/niggi/status/393667721193590784/photo/1 | |
[3] http://www.facebook.com/DasErste/posts/10151914629773232 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
## TAGS | |
ARD | |
Brennpunkt | |
Das Erste | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
NSA | |
Volker Herres | |
Stefan Niggemeier | |
Verbraucheraufklärung | |
MDR | |
Drohnen | |
Handygate | |
Abhören | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
NSA-Affäre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Fernsehen: Achtung! Fernsehen! | |
Für alles gibt es Hilfe, nur fürs richtige Glotzen nicht. Das Bundesamt für | |
Fernsehen macht Schluss damit – und gibt praktische Tipps. | |
Kritik beim MDR unerwünscht: In Deckung | |
„Der Freitag“ hat ein Interview mit einer MDR-Redakteurin über den „Tato… | |
geführt. Der Sender fand die Fragen tendenziös – und verweigerte die | |
Freigabe. | |
Kolumne Nullen und Einsen: Moralische Wegfahrsperren | |
Produkte wurden entwickelt, um dem Menschen zu dienen. Wie großartig es | |
wäre, wenn die Drohne in Pakistan sich weigerte, einfach loszufeuern. | |
Kommentar Handygate und Staatsanwalt: Mehr als eine Juristenshow | |
Die Bundesstaatsanwaltschaft hat zur Handyaffäre einen Prüfvorgang | |
eingeleitet. Das ist klug, angemessen und erhöht den Druck auf die Politik. | |
Abhöraffäre und Handytechnik: Sicher ist nicht sicher | |
Nach Beginn der NSA-Affäre rüstete die Bundesregierung ihren Handybestand | |
um. Doch nicht die Technik ist das Problem, sondern der Umgang damit. | |
Abhöraffäre um die Kanzlerin: Merkel spricht Handy Vertrauen aus | |
Krisendiplomatie und ein flüchtender Kanzleramts-Chef: Die NSA-Affäre | |
trifft Berlin mit voller Wucht und blamiert die Kanzlerin. | |
Überwachungsdebatte in den USA: Das Problem der Anderen | |
Dass Politiker und Bürger im Ausland abgehört werden, stört in den | |
Vereinigten Staaten kaum jemanden. Konsequenzen könnte es trotzdem geben. |