| # taz.de -- Kritik beim MDR unerwünscht: In Deckung | |
| > „Der Freitag“ hat ein Interview mit einer MDR-Redakteurin über den | |
| > „Tatort“ geführt. Der Sender fand die Fragen tendenziös – und verweig… | |
| > die Freigabe. | |
| Bild: Die Rasselbande vom neuen Erfurter „Tatort“". | |
| BERLIN taz | Offenbar kam die Kritik am neuen Erfurter „Tatort“ für | |
| MDR-Redakteurin Meike Götz völlig überraschend. Dabei gehört Kritik zum | |
| Berufsalltag der Verwalter öffentlich-rechtlicher Gebührenmilliarden – | |
| Kritik an anderen. Aber wer wagt es schon sie zu kritisieren? Produzenten? | |
| Regisseure? Drehbuchautoren? Schauspieler? | |
| Nein, das wagen nur richtige Stars oder solche mit suizidalen Tendenzen. | |
| Freiberufliche Fernsehmacher fressen in der Regel lieber Kreide, um nicht | |
| die Gunst ihrer quasiverbeamteten Auftraggeber zu verlieren. Individuell | |
| verständlich, aber im Sinne einer Fernsehqualitätsdebatte nicht gerade | |
| förderlich. | |
| Gefahr droht höchstens von Journalisten, doch die werfen in der Regel nur | |
| in Rezensionen mit Dreck. Davor kann man in seinem Anstaltsbüro locker in | |
| Deckung gehen. Insofern hat der Freitag-Journalist Matthias Dell beinahe | |
| ein Tabu gebrochen, als er „Tatort“-Redakteurin Götz von Angesicht zu | |
| Angesicht mit seiner [1][berechtigten, drastischen Kritik] am Auftaktfall | |
| „Kalter Engel“ konfrontierte. | |
| Götz hat ihm geantwortet, 75 Minuten auf Band und noch eine halbe Stunde | |
| off the record, dann aber zunächst die in solchen Fällen übliche | |
| Autorisierung des Gesprächs bis Redaktionsschluss des Freitag | |
| herausgezögert, um es schließlich komplett zurückzuziehen. Begründung: Es | |
| sei „tendenziös“. | |
| ## „Sie können die Kuh nicht vom Pferd unterscheiden“ | |
| Dell wehrte sich gegen diese zulässige, aber unsouveräne Reaktion mit einem | |
| [2][langen Text], in dem er die Verweigerung „symptomatisch“ dafür nennt, | |
| „was falsch läuft im deutschen Fernsehfilmfördersystem, einem der reichsten | |
| der Welt.“ Dell kritisiert die Vergabe von Buch und Regie an den Routinier | |
| Thomas Bohn, der sich in einer offenen Ausschreibung gegen 100 andere | |
| Vorschläge durchgesetzt hat, als „Armutszeugnis“. | |
| Diese Entscheidung setze das verheerende Signal, „dass am Ende doch die | |
| Altbekannten gewinnen, also das Gemauschel, nicht die Offenheit. Bohn passt | |
| zum zweiten nicht zur Idee, etwas Neues oder gar Freches zu machen, was | |
| gelegentlich auch als Ziel verlautbart wurde.“ | |
| Und Dell wird noch grundsätzlicher, spricht den MDR-Redakteuren die | |
| Befähigung ab, einen guten Film zu erkennen: „Sie können die Kuh nicht vom | |
| Pferd unterscheiden. Sie sagen schon Konzept zu der Idee, in Erfurt 'das | |
| jüngste Ermittlerteam' seit Menschengedenken zu präsentieren.“ | |
| ## Mehr oder weniger peinlich | |
| Gern hätte man erfahren, wie Götz diese Kritik pariert, doch offenbar hatte | |
| sie dem Furor Dells wenig entgegenzusetzen. [3][Andere Interviews], in | |
| denen sie den Schnitt erklärt („ein wichtiger Schritt im Filmprozess“) und | |
| den Drehort Erfurt „total süß“ findet, scheinen ihr jedenfalls mehr | |
| entgegenzukommen. Trotzdem war es auch aus ihrer Perspektive ein großer | |
| Fehler, das Interview zurückzuziehen: Sie hätte ja die Möglichkeit gehabt, | |
| an ihren Antworten zu feilen, peinlich wäre es vielleicht trotzdem | |
| geworden, aber garantiert nicht so peinlich. | |
| Durch ihre Verweigerung hat sie Dell erst die Steilvorlage dafür geliefert, | |
| die ganz große Keule zu schwingen, ihre individuelle Angst zu einem Problem | |
| „hochkonformistischer Systeme“ zu erklären: „Die eigene Meinung ist etwa… | |
| das man sich für 'off the record' aufhebt.“ Meike Götz hat dem MDR und dem | |
| gesamten öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland durch ihre | |
| überzogene Reaktion auf ein grundjournalistisches Ansinnen einen | |
| Bärendienst erwiesen. | |
| In diese Situation hat sie sich selbst manövriert. Schuld daran ist nicht | |
| etwa Dell, der nur seinen Job gemacht hat – was nicht immer leicht fällt. | |
| „Es macht (auch) keinen Spaß, zu freundlichen Leuten konfrontativ zu sein“, | |
| schreibt er. Wer selbst schon in dieser Lage war, kann das nur | |
| unterschreiben. | |
| 1 Nov 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Alina-Levshin-im-neuen-Tatort/!126646/ | |
| [2] http://www.freitag.de/autoren/mdell/total-demokratisch | |
| [3] http://mdr.de/blog/tatort/?p=293 | |
| ## AUTOREN | |
| David Denk | |
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