Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Semesterstart an der Internetuni: Studieren mit Moocs
> Hunderttausende schreiben sich ein bei Iversity, der ersten deutschen
> digitalen Massenuniversität. Selbst mit Gratiskursen verdient sie Geld.
Bild: Vorbild sind Plattformen wie Coursera und Udacity.
POTSDAM taz | Mit diesem Echo hatte Dekan Winfried Gerling überhaupt nicht
gerechnet. Als sich sein Fachbereich Design der Hochschule Potsdam vor
Jahresfrist für den Wettbewerb „Lehren und Lernen im Web“ bewarb, winkte
die Aussicht auf 25.000 Euro.
Im Gegenzug wollte man eine netzkompatible Vorlesung anbieten, die nach
Einschätzung Gerlings ein paar Tausend Wissenshungrige verfolgen würden.
Doch noch vor Beginn der ersten Vorlesung über die Zukunft des
Storytellings, die am Freitag stattfand, steht die Brandenburger
Fachhochschule im Blick der Weltöffentlichkeit.
„Wir bekommen Anfragen aus Pakistan, Rumänien, Togo und den USA“, berichtet
Gerling. Der Fachbereich hat extra einen Mitarbeiter für die
Communitybetreuung abgestellt. Schon 46.000 Menschen haben sich eingetragen
– minütlich werden es mehr. Ein gigantisches Auditorium für eine Hochschule
mit rund 3.000 Studierenden.
Das Phänomen heißt Mooc, gesprochen „Muuk“, und bedeutet Massive Open
Online Cours. Moocs sind akademische Vorlesungen, an denen jeder teilnehmen
kann, vorausgesetzt man hat Internetanschluss. Die Idee kommt aus Kanada
und wurde in den USA groß, als Stanford-Professor Sebastian Thrun 2011
einen Mooc mit 160.000 Teilnehmern abhielt. Im Jahr darauf machte sich
Thrun mit [1][Udacity] selbstständig, einer Plattform, die in Kooperation
mit amerikanischen Universitäten kostenlose Onlinekurse anbietet.
Mit [2][Iversity] startete im Oktober die erste deutsche digitale
Massenuniversität. Das Unternehmen aus Bernau bei Berlin bietet neben der
Vorlesung über Storytelling mehr als 20 weitere Gratiskurse an. Sie
beginnen jetzt beziehungsweise in einigen Monaten, die Zahl der
Studierenden übersteigt bereits 200.000.
Anders als abgefilmte Vorlesungen sind Moocs in verständliche Lerneinheiten
von fünf bis zehn Minuten portioniert. Man schaut sich einen Film an und
kann nebenbei das Wissensquiz lösen, alles auf hohem Niveau. Das muukige
Element aber ist die Diskussionsplattform. „E-Learning war bisher eine
einsame Angelegenheit. Bei einem Mooc wird der Gruppenfaktor greifbar, wenn
Menschen aus aller Welt über den Inhalt der Vorlesung diskutieren“, erzählt
Christoph Meinel vom Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam.
## „Daten sind die neue Währung“
Die massenhafte Nutzung macht Moocs auch kommerziell interessant. „Auch ein
kostenloser Kurs hat seinen Preis. Daten sind die neue Währung“, erklärt
Meinel. Jeder Onlinestudent hinterlässt während des Kurses eine Datenspur
von der Registrierung bis zum Ausloggen. Jeder Mausklick wird erfasst: Wie
lange braucht man für die Aufgaben, welche löst man richtig, wann steigt
man aus. Für die Betreiber und die Professoren ist das eine wichtige
Rückmeldung, um einzuschätzen, wie gut der Kurs ankommt. Aber auch für
Firmen sind diese Daten interessant.
Udacity verkauft bereits Nutzerdaten an Firmen, die Personal suchen. Auch
für Iversity könnte dies eine mögliche Einnahmequelle sein, meint
Sprecherin Julia Bader. So könnte man Firmen an Nutzer vermitteln, die dem
gesuchten Stellenprofil entsprächen. „Selbstverständlich muss ein Nutzer
zustimmen, im Falle eines Matchings von Iversity kontaktiert zu werden.“
Eine weitere mögliche Einnahmequelle sind kostenpflichtige Kurszertifikate.
Mit diesen hat das amerikanische Pendant [3][Coursera] bereits eine Million
Dollar verdient, wie das Unternehmen im September bekannt gab.
Noch sind das bei Iversity nur Überlegungen. Bisher verdient die
Onlineuniversität kein Geld. Über die Höhe des Einsatzes schweigt man. Die
amerikanischen Investoren scheinen aber davon überzeugt, dass sich die
Onlineuniversitäten richtig rechnen werden. Coursera und Udacity konnten in
wenigen Monaten zweistellige Millionenbeträge einsammeln.
## Tool für Offlineunis
Auch für die Hochschulen lohnen sich Moocs. Die Universität München hat in
diesem Jahr bereits vier Kurse über Coursera angeboten, und Präsident Bernd
Huber ist begeistert von der gigantischen Resonanz. „Das stärkt die
internationale Sichtbarkeit unserer Universität.“
Er glaubt, dass Moocs die gesamte Hochschullandschaft nachhaltig verändern
werden. In den USA könnten sie eine Alternative zum teuren Bezahlstudium
werden. Aber auch hier in Deutschland werde man irgendwann die Diskussion
führen, „ob wirklich alles an jedem Standort als Präsenzlehre angeboten
werden muss oder ob man das sinnvoll mit Moocs kombinieren kann“.
Die RWTH Aachen bietet bereits einen Kurs auf Iversity an, den sich die
Teilnehmer nach einer Prüfung in Aachen als Studienleistung anerkennen
lassen können. „Wir überlegen auch, wie man gute Moocs in das
Studienprogramm integriert“, berichtet der Aachener Professor Ulrik
Schröder. Allerdings glaubt er nicht, dass sich ganze Fächer einsparen
ließen. „Moocs sind nur ein Teil. In den Übungen und Seminaren findet doch
das eigentliche Lernen statt.“
27 Oct 2013
## LINKS
[1] http://www.udacity.com/
[2] http://iversity.org/
[3] http://www.coursera.org/
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
USA
Universität
Sanktionen
Bildung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Massive Open Online Courses in der Krise: „Ernüchterung ist eingekehrt“
Die ersten Unis kehren Moocs den Rücken. Zu Recht, meint der Präsident der
University of Southern California. Dennoch gibt er Moocs eine zweite
Chance.
Professor über Uni-Kurse im Internet: „Der Durchbruch steht noch bevor“
Online-Kurse sollten ein Studium für viele möglich machen. Das hat so nicht
geklappt. Der US-Professor Mohammad Qayoumi glaubt aber weiter an sie.
Bildung im Internet: „Der schiere Chauvinismus“
Studenten aus Kuba, Sudan und Iran werden von Onlinevorlesungen auf
Coursera ausgeschlossen. Schuld sind US-Exportrestriktionen.
Hochschule kooperiert mit Apple: Exklusives Datengeschenk
Um Vorlesungsinhalte extern bereitzustellen, macht die Freie Universität
Berlin einen Deal mit Apple. Nicht nur an der Exklusivität regt sich
Kritik.
Hype ums digitale Lernen: Kinderleicht zu bedienen
LehrerInnen sind von Tablets begeistert. Sie erwarten kreativen Unterricht.
Ob sich das erfüllt, ist offen. Denn Studien, die positive Ergebnisse
liefern könnten, fehlen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.