# taz.de -- Prozess gegen NPD-Landeschef: Hetzer auf der Anklagebank | |
> Sebastian Schmidtke muss sich wegen Volksverhetzung und Verbreitung von | |
> Gewaltaufrufen verantworten. Es geht um CDs, auf denen gegen Juden | |
> gehetzt wird. | |
Bild: Sebastian Schmidtke vor dem Amtsgericht Tiergarten. | |
Seit Jahren ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft gegen den „Nationalen | |
Widerstand (NW) Berlin“ – bisher erfolglos. Nun gibt es einen ersten | |
Durchbruch: Am Mittwoch wurde bekannt, dass bereits im März Anklage gegen | |
den Website-Betreiber der rechtsextremen Gruppe erhoben wurde, einen | |
Dortmunder Neonazi. | |
Lange Zeit tappten die Ermittler im Dunkeln, wer sich hinter dem „NW | |
Berlin“ verbirgt. Seit 2005 war die Gruppe in der Stadt aktiv, organisierte | |
Aufmärsche, ihr Kürzel tauchte nach Anschlägen auf. Auf ihrer Internetseite | |
wurden NS-Größen gefeiert, Migranten und Homosexuelle als „asozial“ | |
tituliert. Auch eine Art Feindesliste gab es: Mehr als 100 Politiker, | |
Antifa-Aktivisten und Journalisten standen darauf, teils mit Foto und | |
Adresse. Seit einem Jahr ist die Seite offline. | |
Der Betreiber blieb lange unbekannt, der Server stand in den USA. Erst nach | |
einem Rechtshilfeersuchen im letzten Jahr gelangte das LKA an Daten. Die | |
führten zu dem Dortmunder Dennis G. Der Anfang Dreißjährige gehört zu den | |
umtriebigsten Neonazis der Region. Er organisierte Aufmärsche und soll | |
Server für mehrere rechtsextreme Webseiten verwalten. Bis zu deren Verbot | |
führte er die Kameradschaft „NW Dortmund“. Die stand im Austausch mit dem | |
Berliner Namensvetter. | |
Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, bestätigte die | |
Anklage gegen G. Diesem würden Volksverhetzung, öffentliches Auffordern zu | |
Straftaten und Beleidigung vorgeworfen. Als Provider habe G. gewusst, | |
welche Inhalte auf der Seite verbreitet wurden, sagte Steltner. Die | |
Ermittlungen darüber, wer sonst noch hinter der Gruppe steckt, dauerten an. | |
Als NW-Mitglied steht auch NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke unter | |
Verdacht. Sein Name stand vor Jahren im Impressum der Gruppe, eine | |
Telefonnummer führte zu ihm. Schmidtke bestreitet eine Mitgliedschaft. Die | |
Polizei aber durchsuchte wegen des Verdachts im März 2012 die Wohnung und | |
den Schöneweider Outdoor-Laden „Hexogen“ des NPDlers – und stieß dort a… | |
einen Koffer mit verbotenen Rechtsrock-CDs, die unterm Ladentisch verkauft | |
worden sein sollen. | |
## „Über die Texte brauchen wir nicht zu reden“ | |
Wegen der CDs stand Schmidtke am Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten. | |
Volksverhetzung und die Verbreitung von Gewaltaufrufen lautete die Anklage. | |
Über einen Onlineshop soll Schmidtke zudem eine weitere indizierte CD | |
vertrieben haben. Eine halbe Stunde lang zitierte Staatsanwalt Norbert | |
Winkler Liedtexte der CDs, in denen Juden, Schwulen oder Schwarzen der Tod | |
gewünscht, das Abbrennen von „Asylantenheimen“ und der Nationalsozialismus | |
gepriesen wird. „Über die Texte brauchen wir nicht zu reden“, räumte dess… | |
Verteidiger ein. „Das sind strafbare Inhalte.“ | |
Nur: Dass der CD-Koffer ihm gehörte, bestritt Schmidtke. Zwar habe er den | |
Koffer unter dem Ladentisch gesehen, reingeguckt habe er aber nie, | |
beteuerte der NPD-Chef: „Keine Ahnung, wem der gehörte.“ Im Laden hätten … | |
auch seine Verlobte und ein Praktikant gearbeitet. Skeptische Blicke auf | |
der Richterbank, Grinsen bei Schmidtkes Gefolgsleuten im Publikum. | |
Polizisten sagten dagegen aus, Schmidkte habe bei der Razzia eingeräumt, | |
die CDs zu verkaufen. Dessen Verteidiger zog das in Zweifel. Tatsächlich | |
hatte sich Schmidtkes Verlobte Maria Fank, auch sie NPD-Funktionärin, bei | |
der Polizei gemeldet und gesagt, der Koffer gehöre ihr. Das aber war am | |
Sonntag, drei Tage vor dem Prozess – und anderthalb Jahre nach der Razzia. | |
Staatsanwalt Winkler machte keinen Hehl aus seinem Zweifel an Fanks | |
Geständnis, drohte indirekt mit einem Antrag auf Strafvereitelung. Das | |
Gericht will sie dennoch am 4. Dezember befragen. Auch weil die NPD-Frau | |
versucht hatte, bei der Razzia USB-Sticks und eine Festplatte aus dem | |
„Hexogen“ zu schaffen – aber erwischt worden war. | |
Straftaten des „NW Berlin“ kamen bei der Verhandlung nicht zur Sprache. | |
Warum die Ermittlungen so schleppend vorangehen, ließ die Befragung eines | |
Polizisten erahnen, ein Rechtsextremismusexperte. Weshalb die Polizei | |
damals Schmidtkes Wohnung und Laden durchsuchte habe, fragte ihn die | |
Richterin. Das, so der Beamte, könne er gar nicht mehr sagen. Schmidtkes | |
Verteidiger half auf die Sprünge: Ob es um eine Internetseite namens „NW | |
Berlin“ gegangen sei? Richtig, fiel dem Polizisten da ein. | |
13 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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