# taz.de -- Kommentar Kurswechsel in Peking: Chinesischer Pragmatismus | |
> Die Reformen der chinesichen KP signalisieren keine Liberalisierung. Sie | |
> reagiert damit vielmehr autoritär auf veränderte Bedingungen. | |
Bild: Bald nicht mehr möglich? Gefangene in einem chinesischen Arbeitslager. | |
„Umerziehung durch Arbeit“: Hinter diesem Slogan verbirgt sich ein | |
grausames Haftsystem, das parallel zu den Gefängnissen Chinas existiert und | |
das Millionen Chinesen im vergangenen halben Jahrhundert durchlitten haben: | |
Kleinkriminelle, Drogensüchtige, Rechts- und Linksabweichler, Christen, | |
Muslime, Falungong-Anhänger, politische Dissidenten, Prostituierte, | |
Petitionäre und andere „Störenfriede“. | |
Seitdem Mao Zedung 1949 die Macht übernahm, können Polizisten jeden auf | |
Jahre in einem der Lager verschwinden lassen – ohne Gerichtsurteil, ohne | |
Verteidiger. Chinesische Bürgerrechtler, Juristen und Medien fordern schon | |
lange, diese Lager dichtzumachen. Jetzt soll es soweit sein – wann genau, | |
ist allerdings noch nicht bekannt. | |
Dürfen wir das als ein Zeichen dafür nehmen, dass die Regierung unter dem | |
seit 2011 amtierenden KP-Parteichef Xi Jinping zu mehr Rechtsstaatlichkeit | |
und Liberalität bereit ist? Entpuppt sich Xi gar doch noch als Reformer? | |
Schön wäre es. Aber noch deutet wenig darauf hin. Vielmehr sind die | |
angekündigten Reformen – das Ende der „Umerziehungs“-Strafe ebenso wie d… | |
leichte Lockerung der Ein-Kind-Politik – zunächst einfach nur nützlich für | |
das Funktionieren des Staates. | |
Sie sind eine überfällige Reaktion auf ein System, das sich überholt hat: | |
Die etwa 350 verbliebenen Umerziehungsarbeitslager sind für viele Distrikte | |
zur Belastung geworden, weil sie sich nicht mehr rechnen. Und die | |
Ein-Kind-Politik hat die Alterspyramide so schnell verkehrt, dass Chinas | |
Demografen längst Alarm schlagen und die Funktionäre ihre Landsleute | |
mancherorts schon auffordern, doch bitte noch ein Kind zu bekommen. | |
## Voraussetzungen noch nicht gegeben | |
Mehr Rechtsstaatlichkeit und ein liberaleres Klima setzen voraus, dass die | |
Chinesen, die jetzt noch in Umerziehungslagern landen, stattdessen Anrecht | |
auf einen fairen Prozess vor einem unabhängigen Gericht bekommen. Aber | |
davon ist bislang nicht die Rede. Im Gegenteil: Derzeit ist der Druck auf | |
die Anwälte in China sehr groß. | |
In einem wichtigen internen Dokument hat die Partei erst in diesem Jahr | |
wieder die Forderung nach rechtstaatlichen Prinzipien wie unabhängigen | |
Gerichten oder Gewaltenteilung als „Angriff“ auf die KP bezeichnet. Wenn | |
sich das ändern sollte – dann gibt es wirklich Hoffnung. | |
15 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
## TAGS | |
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China | |
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