# taz.de -- China-Experte über KP-Chef Xi Jinping: „Ein mutiger Wirtschaftsr… | |
> Der amerikanische China-Experte Andrew J. Nathan lobt Chinas jüngst | |
> angekündigte Wirtschaftsreformen. Politische Reformen seien aber nicht zu | |
> sehen. | |
Bild: Ein Straßenverkäufer auf Pekings Tiananmen-Platz hält ein Souvenir hoc… | |
taz: Herr Nathan, Chinas KP-Chef Xi ist gut ein Jahr im Amt. Wie bewerten | |
Sie seine Politik? | |
Andrew J. Nathan: Er hat gezeigt, dass er ein starker Führer ist, vor allem | |
bei der Bekämpfung der Korruption. Innenpolitisch ging er gegen die | |
demokratische Bewegung vor wie gegen ethnische Minderheiten in Tibet und | |
Xinjiang. Seine Außenpolitik würde ich noch nicht als aggressiv bezeichnen, | |
aber als bestimmt. Zunächst musste er seine Macht konsolidieren. Erst jetzt | |
beginnen offenbar Reformen. | |
Meint Xi es ernst mit dem Kampf gegen die Korruption? | |
Es sieht danach aus, als wenn gegen mehr und höhere Kader vorgegangen wird, | |
sogar gegen das einst für Sicherheitsfragen zuständige Exmitglied des | |
Ständigen Ausschusses des Politbüros. Aber wir wissen darüber fast nichts, | |
auch nicht, ob das vor allem Angriffe gegen innerparteiliche Gegner sind | |
und damit Manöver zur Machtkonsolidierung. | |
Die KP hat jetzt beim 3. Plenum des Zentralkomitees wirtschafts- und | |
finanzpolitische Reformen wie die Stärkung der Märkte und des Konsums, die | |
Zulassung privater Investitionen in Banken und die Möglichkeit zum Verkauf | |
von Landnutzungsrechten durch die Bauern beschlossen. Was halten Sie davon? | |
Die Schritte sind für mich glaubhaft. Viele Ökonomen von inner- wie | |
außerhalb sehen sie als nötig an. Der heutige Premier Li Keqiang hat diese | |
Reformen schon vor mehr als einem Jahr zusammen mit der Weltbank | |
konzipiert. Deshalb stehen sie eigentlich auch fest. Andererseits sind sie | |
nicht einfach umzusetzen. Widersprüchlich ist etwa, dass die Märkte eine | |
entscheidende Rolle spielen sollen, die Staatsunternehmen weiter eine sehr | |
wichtige. Das lässt viel Spielraum. Es gibt starke Interessen, die dagegen | |
stehen, und große Risiken. Angestrebt wird etwa die volle Konvertibilität | |
des Renminbi und damit sein Aufstieg zur internationalen Reservewährung. | |
Das macht China verwundbar durch Spekulation. Wird die Regierung private | |
Banken noch kontrollieren können? | |
Es gab jetzt auch politische Reformankündigungen wie die Abschaffung der | |
"Umerziehung durch Arbeit" oder eine Lockerung der Einkindpolitik. | |
Zur Einkindpolitik heisst es, wenn ein Elternteil Einzelkind ist, dürfen | |
Eltern künftig zwei Kinder haben. Die Kalkulation an zusätzlichen Kindern | |
scheien mir angesichts der Gesamtbevölkerung von mehr als 1,3 Milliarden | |
gering. Abgesehen davon wollen viele städtische Eltern gar keine zwei | |
Kinder haben. Deshalb kommt mir diese Reform sehr klein vor. Sie macht | |
einige Leute glücklich, aber in der Bevölkerungsstruktur keinen großen | |
Unterschied. Beim System "Umerziehung durch Arbeit" konnte die Polizei | |
einfach eine Person wegschließen, die ihr Probleme gemacht hat. Sollte das | |
nicht mehr möglich sein, müsste künftig dier Person wegen eines Verbrechens | |
angeklagt werden oder die Behörden müssen sich etwas anderes einfallen | |
lassen. Ich bin gespannt. | |
KP-Chef Xi wird jetzt auch Chef der neuen Nationalen Sicherheitskommission. | |
Xi hat seine Macht viel schneller konsolidiert als seine Vorgänger. Das | |
liegt an seinen Erfahrungen, als Sohn eines hohen Kaders, an seinen | |
Kontakten im Militär, an diversen früheren Positionen sowie auch an seiner | |
Persönlichkeit. Das politische System Chinas hat manche Vorteile, wenn es | |
darum geht, etwas zu entscheiden: So gibt es keine Gewaltenteilung zwischen | |
Parlament und Regierung. Andererseits ist Chinas Staatsapparat riesig. Die | |
Regierung kann also trotzdem nicht schnell auf Krisen reagieren. Es fehlte | |
eine Stelle, die alle Infos und die Entscheidungsmacht hat. Deshalb war die | |
Kommission schon lang geplant. Überraschend hat nicht der US-Sicherheitsrat | |
als Vorbild gedient, der kümmert sich nur um externe Bedrohungen. Chinas | |
Kommission ist aber auch für innenpolitische Fragen zuständig. Aber viele | |
innere Sicherheitsfragen wie Tibet oder Xinjiang hängen auch mit Fragen der | |
äußeren Sicherheit zusammen. | |
Die von Ihnen herausgegebene „Tiananmen-Akte“ zeigte, wie 1989 eine | |
informelle Gruppe von Parteiveteranen den Befehl zum Militäreinsatz gab. | |
Wie wird die neue Sicherheitskommission agieren? | |
Die Kommission wird effektiver sein. Sie ist übrigens nicht in der | |
Regierung angesiedelt, sondern in der Partei, dem wirklichen Machtzentrum. | |
Ist Xi Jinping nun ein Reformer und wenn ja, was für einer ist er? | |
Beim Blick auf den jetzt vorliegenden Bericht des 3. Plenums würde ich | |
sagen, ja, er ist ein mutiger Wirtschaftsreformer, bis dahin hätte ich eher | |
Nein gesagt. Politische Reformen sehe ich nicht. Die gesamte Führung heute | |
sieht die Wirtschaft als Schlüssel für das Überleben ihres Regimes an wie | |
auch von China als Land. Alle sehen deshalb, anders als früher Mao Zedong, | |
die Wirtschaft als ihren Hauptjob. Dem muss sich alles unterordnen. Wenn | |
sie von Sozialismus sprechen, meinen sie keine Wirtschaftsform, sondern die | |
fortgesetzte Macht der KP. | |
29 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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