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# taz.de -- Die Wahrheit: 100 Jahre sind genug, Danny Boy
> Das irischste aller irischen Lieder ist nur ein typisch irischer Fake,
> feiert aber jetzt einen runden Geburtstag. Hoffentlich den letzten.
Kann ein Lied Geburtstag haben? Doch. Wenn es „Danny Boy“ heißt. Das
irische Fernsehen legte den 100. Geburtstag auf vorigen Montag und zeigte
einen 60-minütigen Dokumentarfilm über die Geschichte des Liedes, in deren
Verlauf es zum irischsten aller Songs wurde. Unterwegs strickten viele an
der Hibernisierung.
Harry Belafonte zum Beispiel erzählte als Intro zu dem Lied, dass nach
irischer Tradition alle Männer Irlands zusammenkamen und zu den Waffen
griffen, wenn die letzte Rose des Sommers verblüht war. Viele zogen in den
Krieg, die anderen mussten zu Hause bleiben, und die ganze Insel war
traurig.
Im Text geht es um einen jungen Mann, der in den Krieg zieht, und am Ende
soll man ein Ave an seinem Grab sagen, damit er in Ruhe verwesen kann. Oder
so ähnlich, der Text lässt Raum für Interpretationen. Er stammt von dem
englischen Rechtsanwalt Frederic Weatherly, der nie in Irland war. Er hatte
ihn 1910 geschrieben, fand aber keine passende Melodie dazu. Zwei Jahre
später bekam er Besuch von seiner Schwägerin Margaret Weatherly aus
Colorado, die ständig den „Londonderry Air“ vor sich hin summte. Diese
Melodie ist 1851 von einer Jane Ross aus dem nordirischen Limavady
aufgeschrieben worden, nachdem ein Straßenmusiker – der natürlich blind
war, weil das rührseliger klingt – sie gespielt hatte. Weatherly klaute die
Melodie und stülpte ihr seinen „Danny Boy“ über.
1913 veröffentlichte er das Lied in einem Musikverlag. Zwei Jahre später
nahm Ernestine Schumann-Heink es als Erste auf Schallplatte auf. Viele
sollten folgen, inzwischen gibt es mehr als hundert Aufnahmen, darunter von
Judy Garland, Bing Crosby, Johnny Cash, Cher, Tom Jones, Roy Orbison, Joan
Baez, Elvis Presley und Eric Clapton. Und selbstverständlich von der Kelly
Family, zu der es passt, weil beide irische Fakes sind.
In den USA ist „Danny Boy“ längst zur Hymne irischer Emigranten geworden,
die ihre alte Heimat durch einen grünen Tränenschleier sehen. In AJ’s Café
in Michigan ließ der Besitzer das Lied am vergangenen St. Patrick’s Day,
dem irischen Nationalfeiertag, tausendmal hintereinander von seinen Gästen
singen. Am selben Tag schickte der kanadische Astronaut Chris Hadfield aus
der internationalen Weltraumstation nicht nur Bilder von Irland zur Erde,
sondern band sich auch einen grünen Schlips um und sang „Danny Boy“. Nicht
mal im All wird man von dem Lied verschont.
Es gibt lediglich drei Arten, „Danny Boy“ zu ertragen: Im Film „Miller’s
Crossing“ von den Coen-Brüdern wird zu einer besonders süßlichen Variante
des Liedes eine Gewaltszene mit Maschinengewehrfeuer und explodierenden
Autos gezeigt, die genauso lange dauert wie das Lied. Sehr schön ist auch
die Punk-Version von Shane McGowan und den Popes oder die Interpretation
der großartigen Band Black 47, in der Danny Boy zum schwulen Bauarbeiter
wird.
Am sichersten ist man aber in Foley’s Pub gegenüber dem Empire State
Building in New York. Shaun Clancy hat verboten, dass „Danny Boy“ jemals in
seiner Kneipe gesungen wird.
17 Nov 2013
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
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Maoisten
Toilette
England
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Halloween
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