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# taz.de -- Berufsgewerkschaften in Bedrängnis: Große Koalition für Ruhe im …
> Union und SPD wollen, dass in einem Betrieb nur noch ein Tarifvertrag
> gelten soll. Experten kritisieren das als Angriff aufs Streikrecht.
Bild: Hier streiken sie noch fröhlich. Piloten, bei Cockpit organisiert.
BERLIN taz | Gegen die von SPD und Union anvisierte gesetzliche Regelung
zur Tarifeinheit regt sich Protest. „Durch solch ein Gesetz würde in
Konsequenz immer das Streikrecht beschnitten, weil es den
Minderheitsgewerkschaften verweigert wird“, sagte der Jurist Wolfgang
Däubler, Professor an der Universität Bremen, der taz. „Ich kann mich nur
wundern, warum auch die meisten DGB-Gewerkschaften so kurzsichtig sind, so
etwas zu fordern“, so Däubler.
Die Koalitionspartner in spe hatten sich vor wenigen Tagen geeinigt,
künftig per Gesetz festzuschreiben, dass in einem Betrieb nur noch der
Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft gelten soll, die die meisten
Mitglieder vorweisen kann.
Das würde bedeuten, dass beispielsweise an Krankenhäusern die
Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) keine Tarifverträge mehr abschließen
könnte und entmachtet würde, weil Ver.di dort – über die Krankenschwestern
und Pfleger – meist mehr Personal organisiert hat. Aber auch die
Berufsgewerkschaft der Lokführer (GdL) oder der Piloten, Vereinigung
Cockpit, wäre von solch einer Regelung betroffen. Ihre Vertreter haben
bereits angekündigt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
Die Debatte über die Tarifeinheit flammte im Jahr 2010 auf. Damals erklärte
das Bundesarbeitsgericht offiziell den Grundsatz „ein Betrieb – ein
Tarifvertrag“ für obsolet. In der Praxis hatten bereits jahrelang
Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften meist problemlos unter einem
Dach nebeneinander existiert. Doch bisweilen setzten Berufsgewerkschaften,
deren Beschäftigte sich teilweise von Ver.di losgesagt hatten, die
Arbeitgeber mit wirkungsvollen Streiks unter Druck.
Die Antwort darauf: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA) sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ersannen gemeinsam 2010 im
stillen Kämmerlein die Forderung, die Politik möge die Tarifeinheit per
Gesetz festschreiben. Konkrete Vorschläge für solch ein Gesetz sahen vor,
die kleineren Gewerkschaften in die Friedenspflicht zu zwingen. Sie dürften
dann für ihre Belange nicht mehr streiken.
## Der DGB legte 2011 das Projekt auf Eis
Als die Initiative öffentlich wurde, war nicht nur bei den
Berufsgewerkschaften, sondern auch bei der Ver.di-Basis die Entrüstung
groß. Der Gewerkschaftsrat kassierte 2011 die Unterstützung für das
Projekt. Als Konsequenz legte es auch der DGB auf Eis – zumindest
offiziell. Doch am 6. November setzte man sich mit Arbeitgebern und
Vertretern von SPD und Union erneut im Arbeitsministerium zusammen. Kurz
darauf verkündeten Union und SPD ihr Projekt zur Tarifeinheit.
Einig sind sich die acht im DGB organisierten Einzelgewerkschaften
allerdings nicht. Während der DGB-Vorsitzende Michael Sommer oder auch
Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Industrie, kein
Hehl aus ihrer Sympathie für die Tarifeinheit machen, hält man bei Ver.di
weiterhin gar nichts davon – obwohl die Organisation am meisten mit der
Konkurrenz der Berufsgewerkschaften zu kämpfen hat.
„Wir lehnen Eingriffe in das Streikrecht ab“, hatte Ver.di-Chef Frank
Bsirske vor rund einer Woche erneut betont. „Diese Position haben wir
Sigmar Gabriel, Angela Merkel aber auch den restlichen Vorsitzenden der
DGB-Gewerkschaften noch einmal deutlich gemacht“, sagte Ver.di-Sprecher
Christoph Schmitz zur taz.
IG-BCE-Sprecher Michael Denecke verteidigte hingegen ein Gesetz zur
Tarifeinheit. Sagte aber auch: „Eine Einschränkung des Streikrechts darf es
nicht geben.“ Jurist Däubler geht davon aus, dass Karlsruhe ein
Tarifeinheitsgesetz kippen würde. „Man kann nur hoffen, dass die Koalition
nicht daran denkt, deswegen auch die Verfassung zu ändern.“
21 Nov 2013
## AUTOREN
Eva Völpel
## TAGS
Berufsgewerkschaften
Schwarz-rote Koalition
Afrikanische Union
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FDP
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