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# taz.de -- Koalition verhandelt über Tarifeinheit: Keine Entscheidung in Sicht
> Ob künftig nur noch eine Gewerkschaft pro Betrieb Tarifverträge
> abschließen darf, bleibt weiterhin unklar. Die Entscheidung im
> Koalitionsausschuss wird vermutlich vertagt.
Bild: Bald vielleicht nicht mehr möglich: Ärzte demonstrieren in Bremen.
Dienstagabend soll es eigentlich so weit sein: Der Koalitionsausschuss will
über die Tarifeinheit beraten, das heißt über die Frage, ob künftig nur
eine Gewerkschaft pro Betrieb Tarifverträge abschließen darf.
Doch das Thema könnte erneut kurzfristig verschoben werden. Und das, obwohl
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im November 2010 auf dem Deutschen
Arbeitgebertag angekündigt hatte, bis Anfang 2011 werde die Regierung ein
Konzept vorlegen. Jetzt heißt es aus der Union: Nach den Landtagswahlen in
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie den Umbrüchen in der FDP wolle
man allen Fragen, die koalitionsintern für Streit sorgen könnten, möglichst
erst einmal aus dem Weg gehen. Und: Die CDU-Fraktion habe sich den
Arbeitgebern gegenüber zu nichts verpflichtet.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) drängt seit
Monaten gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) darauf, die
Tarifeinheit erstmals per Gesetz festzuschreiben. Das Bundesarbeitsgericht
hatte sie im Juni 2010 für hinfällig erklärt und damit seinen jahrelangen
Leitsatz aufgegeben. Doch ohne Tarifeinheit könnten Splittergewerkschaften
ganze Betriebe erpressen und das Land in ein Tarifchaos stürzen, warnt
BDA-Präsident Dieter Hundt regelmäßig.
Ginge es nach BDA und DGB, soll künftig nur die Gewerkschaft Tarifverträge
abschließen, die in einem Betrieb über die Mehrheit der Mitglieder verfügt.
Die unterlegene Arbeitnehmervertretung soll zudem nicht mehr streiken
dürfen, solange der andere Tarifvertrag gilt. Für Berufsgewerkschaften wie
die Ärztegewerkschaft Marburger Bund könnte es das Aus bedeuten, denn in
manchem Krankenhaus vertritt Ver.di mit Pflegern und Krankenschwestern mehr
Beschäftigte. Die Berufsgewerkschaften mobilisieren deswegen seit Monaten
gegen die Pläne.
Auch unter Wirtschaftsexperten ist umstritten, ob es überhaupt ein Zurück
zur Tarifeinheit geben soll. So kommt das Rheinisch-Westfälische Institut
für Wirtschaftsforschung in einem Gutachten für das
Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) zu dem Schluss, es gebe keine Belege
dafür, "dass das Phänomen der Tarifpluralität explosionsartig an Relevanz
zuzunehmen droht". Es sei nicht einzusehen, warum dieses Negativszenario
"ohne weitere empirische Belege die Grundlage gesetzgeberischen Handelns
bilden sollte".
Das BMWi hat trotzdem einen eigenen Vorschlag ins Rennen geschickt: Demnach
könnte künftig die komplette Belegschaft eines Betriebs darüber abstimmen,
welcher Tarifvertrag gelten soll. Bundesarbeitsministerin Ursula von der
Leyen (CDU) wiederum soll mit dem Vorschlag von BDA und DGB sympathisieren.
Allerdings stellte Sprecher Christian Westhoff am Montag klar, der
Abschlussbericht des Arbeitsministeriums für den Koalitionsausschuss zeige
verschiedene Lösungen auf. "Welche am Ende gewählt wird, ist Sache des
Koalitionsausschusses."
So oder so steht der Regierung Ungemach ins Haus. Entschließt sie sich
dazu, die Tarifpluralität nicht einzuschränken, vergrätzt sie Wirtschaft
und DGB. Besteht sie auf Tarifeinheit, verspielt sie die Sympathien vieler
Ärzte. Rudolf Henke, Chef des Marburger Bunds und selbst für die CDU im
Bundestag, hat bereits angekündigt, gegen ein entsprechendes Gesetz vor das
Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Arbeitsrechtsexperten räumen einer
solchen Klage gute Erfolgschancen ein, denn die Vorschläge von BDA und DGB
verstießen gegen das Recht auf Koalitions- und Streikfreiheit.
4 Apr 2011
## AUTOREN
Eva Völpel
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